Als in Kuba nach gewalttätigen Ausschreitungen im Juli 2021 angeblich der Zugang zum Internet eingeschränkt wurde, warfen westliche Medien der Regierung Repression vor. Obwohl sich der nie belegte Vorwurf vor allem auf Behauptungen US-finanzierter Systemgegner stützte, warf die EU Kuba „Missachtung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit“ vor. Ein Jahr später verbreitete ein sich „Kubakunde“ nennendes Onlineportal nach Protesten gegen Blackouts: „Regierung schaltet Internet ab“. Einzige Quelle dafür war die – ebenfalls von den USA finanzierte aber von dem Portal als „unabhängig“ bezeichnete – Internetzeitung „14ymedio“.
Während die Vorwürfe gegen Kuba nie belegt wurden, ist bewiesen, dass die Regierung des rechten Präsidenten José Raúl Mulino Ende Juni 2025 in der panamaischen Provinz Bocas del Toro alle Internet- und Mobiltelefonverbindungen kappen ließ. Zur Begründung verwies das US-freundliche Regime auf Unruhen und Streiks, mit denen Arbeiter, Lehrer, Jugendliche, Rentner und Angehörige indigener Gemeinschaften seit Wochen gegen die Privatisierung des Sozialsystems und die Stationierung zusätzlicher US-Truppen protestierten. Als Reak tion setzte Mulino auch andere verfassungsmäßige Rechte außer Kraft. Dutzende Gewerkschafter wurden verfolgt, verhaftet und eingesperrt. Die EU und westliche Medien sahen darin keinen Anlass, Panama etwa als Diktatur zu bezeichnen oder das dortige Regime anzuprangern.
Die halbe Wahrheit ist auch eine Lüge
Stattdessen berichteten die großen Medien über eine Anhebung der Internettarife in Kuba. Als Studenten dagegen protestierten, bauschte die taz vereinzelte Aktionen mit der Schlagzeile auf: „Unruhen auf Kuba“. Der Tagesspiegel titelte: „Das Land steckt in einer System-Krise“. Beide Überschriften waren zwar nicht originell und entsprachen denen, die westliche Medien seit über 60 Jahren regelmäßig produzieren, doch sie zeigten die Intention der Artikel. Aufschlussreich ist, was darin verschwiegen wurde. So gab es keinerlei Hinweis auf eine Enthüllung des multinationalen Nachrichtensenders Telesur, der am 4. Juni über „gefälschte Mitteilungen“ berichtete, in denen „angebliche Studentenorganisationen“ zu Protesten aufriefen. „Die meisten der Inhalte – so die Nachverfolgung ihrer Herkunft – stammen aus dem Ausland. Die verwendeten Universitätslogos wurden manipuliert, um den Anschein von Legitimität zu erwecken“, so Telesur. Wie der Sender berichtete, wurden parallel zu den Fakes Texte der von Argentiniens Staatschef Javier Milei und anderen Vertretern der lateinamerikanischen Rechten finanzierten Stiftung Fundación Libertad verbreitet. „Die kubanischen Universitäten rebellieren gegen das Regime“, hieß es darin, verbunden mit dem Aufruf, „die Studenten zu unterstützen“. Die Leser von taz und Tagesspiegel erfuhren davon nichts. Stattdessen kommentierte der Tagesspiegel: „Die Studierenden sind längst nicht die einzigen, die genug haben von der sozialistischen Mangelwirtschaft.“ Da Kuba nicht das US-freundliche Panama ist, folgt als weitere Bewertung: „Die Antwort der Führung ist stets dieselbe: Repression.“ Weiter im Text heißt es schließlich : „So brenzlig war die Situation in über 60 Jahren Sozialismus noch nie für die Führungsriege, glauben Experten.“ Die zitierten „Experten“ waren dann ausnahmslos Gegner des kubanischen Gesellschaftsmodells.
Millionenbetrug wird verschwiegen
Die halben Wahrheiten in solchen Artikeln tragen zur Desinformation über Kuba bei. Nicht nur den dortigen Studenten sei klar, „dass die Preiserhöhungen mit staatlicher Billigung erfolgen, weil mit ausbleibenden Tourismus die Einnahmen schmelzen“, so die taz. Der Tagesspiegel zitierte eine Studentin, die der Regierung vorhielt: „Warum sollen wir verantwortlich gemacht werden, wenn ihr nicht mit dem Geld umgehen könnt?“ Kern beider Botschaften: Ursache für die Probleme des staatlichen Telekommunikationsunternehmens Etecsa sei neben rückläufigen Touristenzahlen der Umstand, dass Sozialisten eben nicht mit Geld umgehen können.
Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch, dass Etecsa in den vorangegangenen Monaten durch ein transnationales kriminelles Netzwerk Verluste in Millionenhöhe zugefügt wurden. Bei dem Betrug mit internationalen Mobilfunkaufladungen hatten Personen innerhalb und außerhalb Kubas technologische Mechanismen angewendet, mit denen internationale Aufladungen vorgetäuscht wurden. Tatsächlich erfolgten jedoch einfache nationale Gutschriften – ohne die Vorteile offizieller Etecsa-Pakete. Die Fake-Plattformen gaben sich als offizielle Anbieter aus, sammelten Devisen im Ausland ein, leiten diese jedoch nicht weiter. Die Opfer: Nutzer in Kuba, die nicht den Gegenwert der Einzahlungen erhielten, Familienangehörige oder Freunde im Ausland, die eine Aufladung in Devisen bezahlten, die letztlich nicht in dem Umfang des Angebots von Etecsa erfolgte, sowie das Unternehmen, das Millionenverluste erlitt. Doch über derartige durchaus relevanten Hintergründe für Probleme bei Etecsa erfuhren die Leserinnen und Leser von taz und Tagesspiegel nichts.