Jorgitos Log

Wie in Kuba der Strom von Sturköpfen erzeugt wird
Von Jorge Enrique Jerez Belisario

Unterwegs sehen wir in der Ferne den Schornstein, der eine schwarzgraue Rauchsäule ausstößt, welche anzeigt, dass gerade Strom erzeugt wird. Weiter hinten zeigen die 220.000-Volt-Leitungen an, dass wir uns in der Nähe des Heizkraftwerks „10 de Octubre“ befinden. Im Inneren ist es schwierig, jemanden zu sehen, der innehält, denn jeder ist auf seine eigene Sache konzentriert. Die Luft – obwohl küstennah – hat einen starken, unangenehmen Geruch. Aus Gewohnheit nehmen die Arbeiter ihn kaum wahr, aber auf Dauer fordern die Dämpfe ihren Tribut in der Lunge.
Diejenigen, die seit Jahren dabei sind, sagen, dass es sechs Blöcke gab – 1, 2 und 3 – die schnell anliefen und schnell synchronisiert wurden und jeweils 64 Megawatt (MW) leisteten; aber die Zeit, der Mangel an Mitteln zu ihrer Wartung und die Umwelt haben sie in Schrott verwandelt. Block 4 wurde vor einigen Monaten aus dem technischen Ruhestand geholt, da die Mittel für eine so notwendige Reparatur fehlten. Derzeit erzeugt das thermoelektrische Kraftwerk, das für seine strategische Lage zum Lastausgleich bekannt ist, nur noch in den Blöcken 5 und 6 Strom.
Aber glauben Sie nicht, dass die produzierenden Blöcke mit modernster Technik ausgestattet sind. Wenn man um sie herumgeht, die Treppen hinauf- und hinuntersteigt, sich die Rohre, die den Dampf aus den Kesseln transportieren, genau ansieht, die Flicken, die Korrosion, wird ihre Instabilität im nationalen Stromsystem verständlich.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass es vor 1959 kein nationales Elektrizitätssystem gab. Kuba erzeugte nur 397 Megawatt (397 000 Kilowatt) verteilt auf isolierte, nicht miteinander verbundene Systeme – typisch für ein unterentwickeltes Land. Die Elektrizität erreichte kaum 56 % der Bevölkerung, die damals auf 6,5 Millionen Einwohner geschätzt wurde. Auf dem kubanischen Land, in den Bergen, in den verschlungenen Gegenden des Landesinnern, war das noch Zukunftsmusik und Fiktion.
Im Wärmekraftwerk von Nuevitas versteht man die „Sturheit“ derjenigen, die all die Eisenmassen zum Laufen bringen, die viel Zeit mit Reparaturen verbracht haben, die es schaffen, ein wenig Strom mit Maschinen zu erzeugen, die schon viel zu lange in Betrieb sind und die weiterhin Megawatt um Megawatt für das Stromnetz aufbringen müssen.
Wesentlich für die Bemühungen um mehr Stromerzeugung ist die Instandhaltung von Pumpstationen und Wasserleitungen für die Industrie, die eine stabile Zufuhr von mehr als 300 Kubikmetern pro Stunde dieses für den Prozess wichtigen Rohstoffs gewährleisten. Die Importsubstitution durch Verbindungen mit der nationalen Industrie und Militärunternehmen war ebenfalls sehr wichtig, was einen besseren Fluss von Ersatzteilen, erhebliche Einsparungen und eine geringere Abhängigkeit von Importen ermöglicht hat.
Für Außenstehende, die die Vorgänge nur vom Hörensagen oder vom Lesen her kennen, mag es einfach erscheinen, einen Block in einem elektroenergetischen System ein- und auszuschalten. Aber es ist nicht so, als müsste man lediglich eine Taste drücken, sondern es handelt sich um sehr komplexe Vorgänge und Parameter, die nicht verletzt werden dürfen. Die Stabilität des Blocks hängt in hohem Maße davon ab, dass man die Sache richtig macht. Auch die Wartung ist nicht billig und einfach: Die Runderneuerung, wie sie seit langem für die neuen Blöcke fällig ist, bewegt sich in einer Größenordnung von 130 Millionen Dollar, und der Bau eines neuen Blocks kostet etwa zwei oder drei Millionen pro Megawatt.
Deshalb streifen sich fast alle dort ihre Arbeitskleidung über und gehen in die Werkstätten, um zu innovieren, zu kreieren. Sie werden schmierig und sind Teil der erfinderischen Bewegung, die das am Leben erhält, was man auch als das Schlachtpferd des Nationalen Elektrizitätssystems kennt.
Ohne den Erfindungsreichtum dieser hartnäckigen Menschen, die darauf setzten, unter sehr ungünstigen Bedingungen Strom zu erzeugen, hätte Kuba mehr als 100 Millionen Dollar für den Kauf von Teilen und Komponenten zahlen müssen, die für die Stromerzeugung in diesem Kraftwerk unerlässlich sind.
In der mechanischen Werkstatt ist einer der Arbeiter sehr konzentriert bei der Sache, denn er weiß, dass seine Arbeit dem Land Tausende von Dollar einspart: Er holt ein Reduzierstück heraus, das in den hydraulischen Regler eingesetzt wird und die Wassermenge reguliert, die in den Kessel gelangt.
Einige dieser Teile wurden gekauft, aber das letzte wurde während des Wartungsprozesses eingebaut und wird jetzt wieder herausgeholt, um es im Handumdrehen als Ersatz zu haben, falls ein solches Teil in Zukunft kaputt geht. Dasselbe geschieht mit den Turbinenrotoren, bei denen es sich um vergleichbare Geräte handelt.
Dieser Erfindungsreichtum ist unverzichtbar, um all die Teile zu reparieren, die gebraucht werden. In den Werkstätten des Heizkraftwerks Nuevitas wird alles hergestellt: Laufbuchsen, Ritzel, Pumpenreparaturen, Buchsen, Dinge, die beim Import Tausende von Dollar kosten würden und praktisch identisch ausfallen wie die Originalteile.
Ein weiteres wichtiges Personal in dieser Fabrik sind die Elektriker, die in ihrer Werkstatt Motorpumpen, Ventilatoren, Kompressoren und das Belüftungssystem der Motoren wiederherstellen, die aufgrund der Umgebung, in der sie arbeiten, sehr stark beansprucht werden; so bleiben sie wie neu und schützen so die Lebensdauer mehrerer Maschinen.
Auch junge Menschen übernehmen beim Heizkraftwerk Nuevitas große Verantwortung. Sie arbeiten hier aus Engagement für die Menschen und die Revolution. Es sind Menschen, die ihre Arbeit lieben“.
Das passiert, wenn alle oder fast alle des Kollektivs für die gleiche Sache kämpfen, um diese mehr als 50 Jahre alte Eisenmasse voranzubringen und Strom zu erzeugen. An einem Ort mit 337 eingetragenen Erfindern unter 680 Arbeitern, ist es verständlich, dass sie stur sind: Sturköpfe, die sich nicht beirren lassen und ständig nach Lösungen suchen.
So wird in Kuba Strom erzeugt, im ständigen Kampf gegen den Mangel und erfinderisch. Diese Zeilen werden weder den gerade ausgefallenen Strom wieder zurückbringen, noch den Herd zum Kochen oder einen Ventilator zum Laufen bringen, um nur einige der Verzweiflungen zu nennen, in die uns die Stromausfälle stürzen und die auch die Wirtschaft, unsere Berufstätigkeit und sogar die Stabilität des Landes beeinträchtigen. Aber es hilft, wenn man weiß, wie viel diese hartnäckigen Menschen tun, um mehr schlecht als recht die notwendigen Megawatts zu erzeugen.

Übersetzung: Tobias Kriele