Bausteine für eine gerechtere Welt
BRICS-Gruppe wächst – Kuba als Partnerstaat aufgenommen
Von Andre Scheer
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Als im Jahr 2006 Brasilien, Russland, Indien und China die nach den Anfangsbuchstaben ihrer Ländernamen benannte Organisation „BRIC“ gründeten, sorgte das im Westen zunächst für gelangweiltes Achselzucken, auch wenn diese Schwellenländer wirtschaftlich aufstrebten und von manchen Ökonomen als kommende Mächte wahrgenommen wurden. Das änderte sich auch noch nicht, als 2010 Südafrika hinzukam und die „BRICS“ entstand. Auf Englisch klingt die Abkürzung wie „Bricks“, Bausteine, und als solche versteht sich die Organisation. Man will am Aufbau einer neuen, gerechteren Weltordnung mitwirken – durchaus in Konkurrenz und Abgrenzung gegenüber den „G7“, den nach Selbsteinschätzung sieben wichtigsten Wirtschaftsmächten.
Inzwischen werden die BRICS auch im Westen ernst genommen, denn trotz der politischen Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten – von denen die „G7“ ja auch nicht frei sind – steht das Bündnis für das wachsende Selbstvertrauen der Schwellen- und Entwicklungsländer gegenüber den imperialistischen Metropolen. Das zeigt sich schon darin, dass man sich von den USA und der EU nicht vorschreiben lässt, mit wem man welche Beziehungen pflegt. Im Westen wurde es von den staatstragenden Medien durchaus als Provokation empfunden, dass das letzte Gipfeltreffen der BRICS ausgerechnet im russischen Kasan stattfand – was allerdings einfach daran lag, dass Russland derzeit die jährlich rotierende Präsidentschaft des Bündnisses innehat. Für inszenierte Aufregung sorgte auch, dass neben zahlreichen Staats- und Regierungschefs auch UN-Generalsekretär António Guterres an dem Treffen teilnahm und eine Rede hielt. Das sorgte unter anderem beim ukrainischen Staatschef Wolodomyr Selenski für Schnappatmung – auch wenn dessen Forderung nach einem „gerechten Frieden“ in der Ukraine und anderen Krisengebieten als diplomatische Kritik am russischen Vorgehen interpretiert wurde.
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Wichtiger als solche Nebenschauplätze war jedoch, dass das Gipfeltreffen die wachsende Bedeutung der BRICS manifestierte. Anfang 2024 waren mit dem Iran, Ägypten, Äthiopien und den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits vier neue Mitglieder aufgenommen worden, so dass man nun von den „BRICS Plus“ spricht. In Kasan folgte dann die Entscheidung, mit 13 weiteren „Partnerstaaten“ Assoziierungsabkommen zu schließen. Das waren Kuba, Bolivien, Algerien, Belarus, Indonesien, Kasachstan, Malaysia, Nigeria, Thailand, die Türkei, Uganda, Usbekistan und Vietnam. Eigentlich hätten es 14 oder 15 sein sollen, doch die Aufnahme Venezuelas und Nicaraguas scheiterte an einem Veto Brasiliens. Die Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva hatte Medienbeobachtungen zufolge bemängelt, dass sich die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro nicht an internationale Abkommen gehalten habe, die freie und faire Wahlen garantieren sollten. Maduro bezeichnete diese Entscheidung als „feindlichen Akt“ und rief den venezolanischen Botschafter aus Brasilia zurück. Auch die diplomatischen Beziehungen Brasiliens mit Nicaragua sind auf einem Tiefpunkt angelangt, nachdem Lula im August 2024 Menschenrechtsverletzungen in dem mittelamerikanischen Land kritisiert hatte. In Lateinamerika wird hinter dem politischen Kurswechsel des wirtschaftlich stärksten Landes des Subkontinents die Hand Washingtons vermutet.
Keine Einwände hatte Lulas Regierung gegen die Aufnahme Kubas. Ursprünglich hatte der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel Bermúdez selbst nach Kasan reisen wollen, verzichtete aber angesichts der schwierigen Lage des Landes nach einem landesweiten Stromausfall und den Folgen eines Hurrikans auf die Reise und schickte statt dessen Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla zu dem Gipfeltreffen. In seiner Ansprache dort verurteilte Rodríguez einmal mehr die brutale Blockade der Insel durch die USA, durch die die komplizierte Situation erst verursacht worden sei. Der Außenminister dankte zudem den Anwesenden für die internationale Solidarität mit seinem Land, die eine schnelle Beseitigung der Schäden ermöglichen.
Rodríguez nutzte seine Ansprache auch dazu, den Völkermord am palästinensischen Volk zu verurteilen und forderte als umfassende, dauerhafte und gerechte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts die Schaffung eines souveränen und unabhängigen palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt und dem Rückkehrrecht für die Geflüchteten. Palästina müsse außerdem umgehend als Vollmitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen werden.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine unterstützte Rodríguez den von China und Brasilien vorgelegten Friedensplan. „Wir widersetzen uns der Haltung der NATO, die sich – getrieben von der US-Regierung – direkt in den Konflikt eingemischt hat, der den Frieden und die internationale Sicherheit mit zerstörerischen Konsequenzen bedroht.“ Die einseitigen Strafmaßnahmen gegen Russland müssten ebenso aufgehoben werden wie die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Nicaraguas und Venezuelas beendet werden müssten.
„Aufgrund seines politischen, wirtschaftlichen und demographischen Gewichts sind die BRICS zu einem entscheidenden Akteur von wachsender Bedeutung, Autorität und Führungsrolle auf der globalen geopolitischen Bühne geworden, zu einer echten Hoffnung für die Länder des Südens auf dem Weg zu einer gerechteren, demokratischen, gleichberechtigten und nachhaltigen internationalen Ordnung“, so der kubanische Außenminister. „Von dieser Bühne aus bekräftigen wir die entschiedene Ablehnung Kubas gegenüber jeden Versuch, in Abgrenzung zum Völkerrecht, auf dessen Normen und Prinzipien die internationalen Beziehungen basieren, eine sogenannte ‚regelbasierte internationale Ordnung‘ zu etablieren.“