Freiheit und Unabhängigkeit an kritischen Tagen für Kubas Frauen

Von Brigitte Schiffler
icap

Übergabe bei der FMC: Mitte rechts Dania Rodríguez Gutiérrez (FMC – Kubanische Frauenvereinigung) und rechts Déborah Azcuy Carillo (ICAP – Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft)

Weltweit finden Kriege und Verteilungskämpfe und damit einhergehend Angriffe auf Menschenrechte und soziale Rechte statt, Frauen sind davon auf beonders betroffen. Rechtsentwicklung, Gewalt und Rassismus stellen Geschlechtergerechtigkeit, neue Formen des Zusammenlebens und Selbstbestimmung über Leben und Körper in Frage. Die Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Umstand, alleine in Vereinzelung mit Schwangerschaft und Zuständigkeit für Kinder umgehen zu müssen, können zudem dazu führen, dass junge Frauen sich wieder in alte Rollenklischees flüchten.
In Kuba haben die sozialistische Gesellschaft und die Frauenorganisation viel erreicht, findet Teresa Amarelle Boué, Generalsekretärin der kubanischen Frauenvereinigung „Federación de Mujeres Cubanas“ (FMC): „Wenn ich gefragt werde, was die Stärken der FMC sind, muss ich nicht einmal darüber nachdenken: Es sind die kubanischen Frauen und die Art, wie wir organisiert sind. Zwei von Fidels Ideen sind in diesen Zeiten außerordentlich gültig. Dass wir Frauen die tägliche Anstrengung in ein Kunststück verwandeln und dass wir eine Revolution innerhalb der Revolution sind.“ *
In einem Land mit tiefen machistischen, kolonialen und patriarchalischen Wurzeln wie Kuba hat der revolutionäre Prozess falsche Vorstellungen über Geschlechterrollen erschüttert. In der Verfassung ist mittlerweile festgelegt, dass Hausarbeit, Erziehung und Pflege gemeinsame Aufgabe aller Familienangehörigen ist, ungeachtet des Geschlechts. Doch kubanische Frauen, wie Millionen anderer in der ganzen Welt, sind nach dem Arbeitstag auch mit weiterer Arbeit zu Hause belastet.
Und die tägliche Anstrengung ist durch die Verschlechterung der Lebensbedingungen nach Pandemie und Verschärfung der US-Blockade und die dadurch fehlenden Devisen zu einem schwer handelbaren Kunststück geworden. Im Mai 2021 legte die Organisation Oxfam ihren Bericht „Recht auf Leben ohne Blockade“ vor, nach dem die Blockade das patriarchale System stärkt und den Frauen im privaten Bereich schadet, wo sie bereits das größte Gewicht bei der Reproduktion und der Nachhaltigkeit des täglichen Lebens haben. Kubanische Frauen verbringen rund 35,20 Stunden pro Woche mit Hausarbeit und der Betreuung ihrer Familien.
Man schätzt, dass bis 2030 die Mehrheit der kubanischen Haushalte von Frauen geführt werden wird. Die Mehrheit der Pflegekräfte in Kuba sind jetzt bereits Frauen.
Die Blockade und der Devisenmangel haben zu einem Mangel an Produkten geführt, der für kubanische Frauen erhebliche Einschränkungen bedeuten kann. Etwa, wenn sie mehrmals am Tag vergeblich versuchen müssen, Brot zu kaufen, weil das Mehl nicht geliefert wurde oder der Strom in der Nacht zuvor abgeschaltet war oder der Treibstoff fehlt, um es zu transportieren. Oder wenn sie nach Alternativen suchen müssen, weil lebenswichtige Medikamente nicht mehr in den pharmazeutischen Einrichtungen zu bekommen sind.
Es ist unbedingt notwendig, auch den Mangel an Produkten zu thematisieren, die nicht zu den notwendigen Mitteln zum Überleben zählen, aber Frauen das Leben erleichtern. Während der Gebrauch von Verhütungsmitteln in Kuba bereits eine Selbstverständlichkeit war, fehlen heute als Auswirkung der Blockade Kondome. Jugendliche, die ihre Sexualität erkunden wollen, haben nur schwer Zugang zu Schutz- und Verhütungsmethoden, wodurch die Zahl der Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten in dieser Altersgruppe steigt. Das war eines der ersten Themen, die im Rahmen des nach der Pandemie aufgelegten Nationalen Programms zur Förderung der Frauen (PAM) behandelt wurden.
Es ist auch schwierig, an die regelmäßig benötigten Hygieneartikel während der Menstruation zu kommen. Mehr als drei Millionen CUBA Frauen in Kuba benötigen dieses Produkt jeden Monat. Doch Damenbinden sind in den Apotheken nur alle drei Monate erhältlich, wenn man denn Glück hat, eher meist nur einmal im Jahr. Die drei Fabriken, die Hygieneartikel in Kuba herstellen, benötigen zwölf Rohstoffe, von denen neun importiert werden müssen und die wegen der Blockade und Sanktionen oftmals nicht vorhanden sind.
Am 29. Juni 2024 berichtete Gabriela Milena Padrón Morejón im Blog der FMC über die Zusammenarbeit mit der Demokratischen Frauenbewegung Spaniens (MDM) und dem Gewerkschaftsbund der Arbeiterkommissionen. Mit ihnen hat die FMC die Kampagne „Nieder mit der Blockade, hoch mit der Schwesterlichkeit“ gestartet, um Spenden für kubanische Frauen wie Hygieneartikel, Menstruationsartikel, Kondome zu erhalten.
Wenn man keine Binden bekommt, helfen oft nur eine große Schere und handwerkliches Geschick. „Wenn meine Töchter zur Schule gehen müssen und ich meine Erfindungen für sie mit Einwegpolstern oder Abschnitten von Moskitonetzen vorbereiten muss, bekomme ich einen Kloß im Hals“, sagt in einem Artikel eine Frau aus Cienfuegos.
Als wir 2021 in Hamburg bei den Solidaritätsorganisationen Cuba Sí und Freundschaftsgesellschaft BRD – Kuba diesen Artikel lasen und Elisa, eine in Hamburg lebende Kubanerin, uns darauf aufmerksam machte, dass mit einer Menstruationstasse für wenige Euro das Problem für eine Frau für Jahre gelöst werden könnte, haben wir beschlossen, dieses immer noch schambesetzte Thema in der Kuba-Solidarität öffentlich zu machen.
Menstruationstassen sind aus medizinischem Silikon und werden ähnlich wie Tampons eingeführt. Sie lassen sich einfach reinigen und können jahrelang benutzt werden – eine große Hilfe für Frauen, für die weder der Umgang mit blutigen Tüchern noch mit teuren Wegwerfbinden angenehm ist. Bei Bezug in normalen Geschäften kostet in Deutschland eine Menstruationstasse sieben – dreißig Euro. Wir hatten das große Glück, das uns die Firma MeLuna unterstützte und uns einen großzügigen Rabatt für ihre Produkte eingeräumte. Die Firma will die Preise möglichst günstig gestalten, damit sich viele Frauen diese weltweit leisten können und sie führen die Firma unter sozial verträglichen Gesichtspunkten.
Mit einer Spendensammlung vor Ort von Oktober 2021 bis Januar 2022 konnte die Kuba-Soli dreimal jeweils 150 Menstruationstassen für insgesamt 3000 Euro auf den Weg schicken. Verteilt wurden sie durch Sekretärinnen der FMC in Häuserblocks und in einem Kulturzentrum in La Timba. Die HCH half beim Transport und hat selber noch weitere Menstruationstassen mitgeschickt, die bei ihren Projekten wie Quisicuaba und in Santiago de Cuba über eine Frauenärztin verteilt wurden.
Im Januar 2024 waren Monika Lutzhöft und ich von der Freundschaftsgesellschaft BRD – Kuba in Havanna, um die Möglichkeit einer bundesweit angelegten Spendensammlung mit den wichtigen Organisationen und staatlichen Stellen für die Menstruationstassen zu besprechen und eine solidarische Verteilung sicher zu stellen. Wir haben mit der FMC gesprochen, beim CENESEX und beim MINSAP. Das Ergebnis ist, dass die Verteilung der Menstruationstassen über das MINSAP erfolgen könnte und Empfängerinnen sie in Organisationen erhalten, die vom MINSAP ausgesucht werden. Dabei stehen Kriterien von sozialer Bedürftigkeit und Steigerung der Akzeptanz vor allem unter jüngeren Frauen im Vordergrund.