Bei den am 11. August 2024 beendeten Olympischen Spielen in Frankreich erzielte Kuba mit zwei Goldmedaillen, einmal Silber und sechsmal Bronze ein Ergebnis, welches vergleichbar ist mit dem von 1972 in München. DaCUBA mals brachten die Sportlerinnen und Sportler der Insel drei goldene, eine silberne und vier bronzene Medaillen nach Hause. Doch während damals das Ergebnis 13 Jahre nach dem Sieg der Kubanischen Revolution und den damit einhergegangenen sozialen Veränderungen einen Aufbruch und einen großen Sprung nach vorne signalisierte, erscheint Paris 2024 zahlenmäßig als Tiefpunkt der letzten 50 Jahre. Der Höhepunkt der Sporterfolge Kubas war die Olympiade 1992 in Barcelona mit einem Ergebnis von 14-6-11, welches Kuba auf den 5. Platz der damaligen Gesamtwertung aller Teilnehmerstaaten katapultierte.
Vieles hat sich im letzten halben Jahrhundert verändert: Weltweit hat der Sport eine größere Bedeutung erhalten. In einer Welt, die immer unüberschaubarer, durch die Zerstörung der Lebensbedingungen bedrohlicher und durch technische Entwicklungen unverständlicher wird, stellt der Sport mit seinen einfachen Regeln und seinem scheinbar fairen und realen Wettkampf etwas dar, was den Menschen Halt gibt, sie ablenkt und begeistert.
Gleichzeitig lässt sich mit Sport immer mehr Geld verdienen. Eine Minderheit von Spitzensportlern in wenigen besonders populären und fernsehtauglichen Sportarten gehört heute zu den Großverdienern. In großem Stil machen aber die mächtigen Sportverbände Kasse, die Großveranstaltungen wie die Olympiade oder internationale Meisterschaften organisieren. In der Konkurrenz um die prestige- und profitträchtigen Austragungsorte werden bereits enorme Summen verbrannt oder wechseln offen oder verdeckt ihre Besitzer. Der Kapitalismus hat den Sport als Geschäftsfeld für sich entdeckt, vereinnahmt und beherrscht ihn.
In diesem Umfeld muss sich ein kleines, wirtschaftlich und medial beständig angegriffenes Land wie das sozialistische Kuba, in dem der Sport zuallererst ein Menschenrecht für alle ist, irgendwie verorten und behaupten.
In Paris ließ es sich zunächst gut an. Kubas männliches Beachvolleyball-Duo Jorge Luis Alayo und Neslen Díaz schlug zum Auftakt die USA (21:18 und 21:18) und dann auch das hoch eingeschätzte Brasilien in zwei Sätzen. Doch die Auslosung wollte es, dass sie gleich in der KO-Runde des Achtelfinales gegen das weltbeste Team aus Schweden antreten mussten. Sie verloren den ersten Satz, setzten sich im zweiten nach hartem Kampf in der Verlängerung mit 28:26 durch, um dann nach verlorenem dritten Satz auszuscheiden. Selbstkritisch analysierten sie danach ihre Fehler. Doch sie lieferten tollen Sport ab und können sich trösten: Die Schweden gewannen später die Goldmedaille und ließen dabei ihrem Finalgegner Deutschland nicht die Spur einer Chance.
Ein Schock für die sportbegeisterten Kubaner war das Ausscheiden in der ersten Runde ihres Schwergewichtsboxers Julio César La Cruz, der bei den beiden letzten Olympiaden in unterschiedlichen Gewichtsklassen schon Gold gewonnen hatte. Er galt als sicherer Kandidat für den Olympiasieg und verlor gegen einen Exilkubaner, der jetzt für Aserbaidschan antrat und einen gegnerischen Trainer, der gleichfalls aus Kuba stammte. Eine ganz knappe Entscheidung nach Punkten, die auch anders hätte ausfallen können. Kommentare enttäuschter Leser in den kubanischen Medien zogen zu Recht Parallelen zur gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Lage ihres Landes und es gab deprimierte Mutmaßungen, dass Kuba diesmal gar nichts gewinnen werde. Doch der Leichtgewichtsboxer Erislandy Álvarez Borges holte später noch Gold und Arlen López Cardona im Mittelgewicht die Bronzemedaille.
Warum Kuba bei der enormen Leistungsdichte in seinem Paradesport mit nur fünf Boxern bei acht Gewichtsklassen anreiste, ist nicht klar. Vielleicht wollte man wegen der Kosten nur als ganz sicher eingeschätzte Medaillenkandidaten entsenden. Möglicherweise wurden auch Leute zu Hause gelassen, die im VerCUBA dacht standen, dass sie von interessierter Seite überredet werden könnten, in Frankreich zu bleiben. Solche Fälle hatte es in der Vergangenheit öfter gegeben und wurden von den kapitalistischen Medien jedes mal ausgeschlachtet, um Kuba als nicht lebenswertes Land und als Menschenrechtsverletzer abzuqualifizieren. Doch Kuba setzt Ausreisewilligen nichts mehr in den Weg und warum soll ihnen der Staat auch noch auf diese Weise die Reisekosten finanzieren?
Tatsache ist, dass viele Spitzensportler ins Ausland gegangen sind, um dort ihre in Kuba – für sie kostenlos - erworbenen Fähigkeiten zu Geld zu machen. In vielen Sportarten waren in Kuba geborene Athleten zu finden, die unter neuer Staatsangehörigkeit antraten. Das deutlichste Beispiel war die Disziplin Dreisprung der Männer. Von jeher hatte Kuba dort gute Ergebnisse erzielt. In Paris belegten Spanien, Portugal und Italien die Medaillenränge und alle drei Sportler stammten aus Kuba. Man muss allerdings feststellen, dass dies ein allgemeines Phänomen ist. Viele europäische Delegationen hatten einen hohen Anteil von Sportlern mit Migrationshintergrund. Sind Migranten in irgendeiner Form von Nutzen, werden sie in den westlichen Industrieländern ganz schnell eingebürgert, während andererseits Grenzkontrollen verschärft und Grenzbefestigungen errichtet werden oder Bootsflüchtlinge ertrinken.
Für einen absoluten Glanzpunkt des kubanischen Sports sorgte dann der Ringer Mijaín López Núñez. Er hatte bei vier aufeinanderfolgenden Olympiaden in der Superschwergewichtskategorie des griechisch-römischen Stils die Goldmedaille gewonnen und seit der letzten Olympiade in Tokyo nicht mehr gekämpft. Erst in diesem Jahr stieg er nochmal in das Training ein, um dann mit fast 42 Jahren in Paris auch sein fünftes Gold zu holen – ein einmaliger Rekord für einen Sportler in einer Einzeldisziplin! In Kuba entlud sich die Begeisterung der Menschen mit ihren Kommentaren in den digitalen Medien. Präsident Miguel Díaz-Canel merkte an: „Ohne zu übertreiben, Mijaín ist Kuba, das Volk mit afrikanisch-europäischen Wuzeln, welches nicht aufgibt, sich nicht verkauft, das an sich selbst glaubt und an seine Herkunft.“ Die öffentlich-rechtlichen deutschen „Qualitätsmedien“, die fast den ganzen Tag aus Paris berichteten und schon notorisch dafür bekannt sind, dass sie Dinge ganz einfach nicht vermelden, die nicht in ihr einseitiges Weltbild passen, brachten erst zwei Tage später eine Kurzmeldung. Vielleicht erst auf Beschwerden aus Sportlerkreisen, denn bei der Abschlusszeremonie der Spiele stand Mijaín mit einer Handvoll ausgewählter Sportler und mit Thomas Bach, dem scheidenden deutschen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, auf einem Ehrenpodium.
Weitere Medaillengewinner für Kuba waren die Ringerin Yusneylis Guzmán López (Silber, Freistil bis 50 kg)); Bronzemedaillen erreichten Milaimys Marín (Freistilringen der Frauen bis 76 kg), die Kanusportlerin Yurisleidis Cirilo Dybois (Einer über 200 m), Ringer Gabriel Rosillo Kindelán (Kategorie griechisch-römisch bis 97 kg), Ringer Luis Orta Sánchez (griechisch-römisch bis 67 kg) und Rafael Alba (Taekwondo bis 80 kg).
In Kuba wird an der Lösung der realen Probleme des Landes gearbeitet und der Sport wird den Platz weiterhin einnehmen, der ihm zusteht. Letztlich sind der 32. Platz in der Nationenwertung und Kuba als zweitbestes lateinamerikanisches Land ein versöhnlicher Abschluss der Spiele.