v.r.n.l.: Jorgito Jerez, Tobias Kriele und Dania Saccarás |
Dania Saccarás, Radiojournalistin und Jorge "Jogito" Jerez Journalist und Kolumnist der Cuba Libre, aus Kuba, kamen am 5. August 2023 auf ihrer Rundreise nach Hamburg, um über die (Medien-) Situation in Kuba zu berichten. "Die kubanische Revolution zwischen Twitter und Radio Rebelde" war das Thema der Veranstaltung, die von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Cuba Sí Hamburg, der SDAJ und der DKP ausgerichtet wurde.
Nach Deutschland waren die beiden gereist, um ein Buchprojekt zu beginnen, auf das wir schon sehr gespannt sind: Dania und Jorgito haben auf ihrer Rundreise mit Betroffenen Gespräche geführt, was hier in Deutschland eigentlich nach der Konterrevolution passiert ist und so nicht in Kuba keinesfalls geschehen soll. Zehn Interviews sollen zunächst auf Spanisch in Kuba veröffentlicht werden, denn im Stress des Alltags würde man in Kuba oftmals versäumen, über die Konsequenzen einer Konterrevolution nachzudenken.
Was junge Leute von der Revolution halten, sei eine komplizierte Frage. Diese hätten im Unterschied zu anderen Generationen bisher keine richtig gute Zeit erlebt – keinen Wohlstand und Fortschritte nur in einem langsamen Tempo. Aber alle Menschen Kubas seien derzeit besonders betroffen – von der hohen Inflation, die großen Schaden anrichte, und von der Pandemie, von der Kuba sich noch nicht erholt hat. Zum Schutz der Bevölkerung musste Kuba seine Ressourcen auf das Impfen konzentrieren, was zu Mängeln in anderen Bereichen geführt hat. So schwerwiegende Probleme wie derzeit im Gesundheitssystem sei die Bevölkerung überhaupt nicht gewohnt. Das Bedürfnis nach alternativen Wegen und nach einem neuen Aufbau sei sehr hoch.
Was ist "alternativ" an den so genannten alternativen Medien?
Viele junge Menschen verlassen Kuba, aber die beiden Referenten haben sich dafür entschieden, in den Medien aus historischer Sicht über das reale Kuba zu berichten und nicht über Fiktives wie häufig in den Netzwerken. Sie arbeiten über so genannte alternative Medien und nicht in ihnen. Alternativ sei eigentlich eine falsche Bezeichnung, besser wäre es, private Medien zu sagen. Diese besetzten ein Vakuum, das die kubanische Presse offen lasse. Und sie versuchten, sich von den traditionellen rechten Medien zu unterscheiden, aber die finanziellen Quellen seien dieselben. Es sind Gelder vom US-Kongress, die über Dritte mittels Preisen und Stipendien nach Kuba gelangen. Es tauchen die dieselben Begriffe wie bei der Konterrevolution auf, die die Legitimität der Regierung untergraben sollen, wie z. B. "kubanisches Regime", "ineffiziente Regierung" usw. Wer bezahlt, gibt die Richtung vor. Und diese "alternativen" Medien nutzen oft Klatsch und Tratsch, um in einem Halbsatz ihre negativen Botschaften unterzubringen. Sie sprechen von "dem Volk aufoktroyierten Gesetzen", dabei ist Kuba eines der wenigen Länder, wo die Gesetze vor ihrer Verabschiedung intensiv mit dem Volk diskutiert werden. Sie kritisieren bei Abstimmungen die Einstimmigkeit, als hätten die Abgeordneten Angst, eine eigene Meinung zu äußern. Sie würden das kubanische Volk in einen Gegensatz zur Regierung stellen, "als ob wir nicht alle Teil einer Zivilgesellschaft sind, eng verwoben mit der Administration", so Dania.
Viele Verantwortliche haben noch nicht begriffen, wie wichtig heute Informationen sind und wie gefährlich mediale Strukturen sein können. Präsident Díaz-Canel hat verstanden, dass eigene Informationsstrukturen geschaffen werden müssen. Das neue Kommunikationsgesetz wird die Situation verbessern, auch wenn die Anwendung noch nicht im Detail ausgearbeitet ist. Es enthält das Recht, Informationen zu verlangen und auch schnell zu erhalten. Funktionäre können hartnäckig und öffentlich befragt werden, um ihnen Infos zu entlocken und diese schnell zu verbreiten. Mittlerweile sind manche Volksvertreter mit ihren Hashtags so erfolgreich, dass sie vom Feind international blockiert werden. Kuba ist sehr spät an das Internet angebunden worden. Die Bevölkerung sei über die erste Phase einer erstaunten Begeisterung über die Möglichkeiten des Internets noch nicht hinaus. Eine Grundbildung sei notwendig, damit sie nicht alles glaubt und sich einmischen kann. "Wir brauchen eine zweite Alphabetisierungskampagne", bekräftigte Jorgito. Da könnten wir Deutsche anfügen, dass diese Notwendigkeit hierzulande ebenso existiert!
Leben im Wohlstand – nur im Ausland möglich?
Ein Veranstaltungsteilnehmer berichtete, wie entspannt ihm das Leben in Kuba trotz der schwierigen Lage vorgekommen sei. Aber alle Kubaner hätten das Gefühl gehabt, dass es überall in der Welt allen besser gehe als ihnen. Genau das sei die Motivation für das Buch, so Dania und Jorgito: mehr Informationen über das Leben in anderen Ländern mitteilen. Eine Lateinamerikanerin wies darauf hin, dass sie im Exil lebe und nicht einfach in ihr Heimatland zurückkehren könne, wie es im Ausland lebenden Kubanern möglich sei.
Nicht alle, die emigrieren, hätten die Absicht – so Dania und Jorgito – den Sozialismus hinter sich zu lassen. Aber sobald sie in den USA angekommen seien, träten sie oft kritisch gegen Kuba auf. Zumindest anfangs. In Miami ist der Druck enorm groß, sich deutlich von Kuba zu distanzieren. Das gilt vor allem auch für Künstler. Aber ihr aggressive Auftreten lässt meistens mit der Zeit nach und dann wird oft die Aufgabe der Blockade gefordert. Das kubanische Zentrum zur Erforschung der Jugend hat kürzlich in einer Untersuchung festgestellt, dass weniger als 10% der Migranten aus politischen Gründen weggehen. In den USA wird das anders dargestellt. Dort wird verbreitet: Wer Kuba verlässt, der wird politisch verfolgt. Dabei vermissen viele im Ausland lebende Kubaner die Errungenschaften des Sozialismus. Die exilkubanische Mafia in den USA möchte daher das Verfahren für die Aufenthaltserlaubnis verschärfen. Sie ärgert es, dass viele nach dem Erhalt der Aufenthaltserlaubnis direkt nach Kuba fliegen.
Blockade oder eigene Fehler?
Zu welchem Anteil geht die eingeschränkte wirtschaftliche Entwicklung in Kuba tatsächlich auf die Blockade zurück und wie hoch ist der Anteil falscher Politik, wollte ein Teilnehmer wissen. Sicher, so die beiden, gäbe es auch Sachen, die verschärft angegangen werden müßten: Der Einsatz der Produktivkräfte sei nicht so, wie er sein sollte, die Staatsbetriebe spielten nicht die Rolle, die sie spielen sollten, die Leitungen der Firmen nutzten nicht die Freiheiten, die sie hätten. Kürzlich seien 61 Maßnahmen erlassen worden, um Staatsbetriebe voran zu bringen. Davon seien noch keine umgesetzt worden bzw. wenn, dann nur verzögert. Die Konzentration auf die Landwirtschaft sei noch nicht so passiert, wie Kuba sie braucht. "Wir könnten den ganzen Abend darüber sprechen, was Kuba besser machen könnte."
Das ändere aber nichts daran, dass die Blockade das größte Hindernis für die Entwicklung Kubas sei: Nahrungsmittel müssen aus weit entfernten Ländern importiert werden, weil die USA wegen der Blockade verschlossen sind. Für den Transport mit Schiffen, die 180 Tage lang keine US-Häfen anlaufen dürfen, muss Kuba sehr hohe Preise zahlen. Die EU-Parlamentarier haben im Juli mit ihrer Kritik an Kuba gezeigt, wie wenig sie die Auswirkungen der völkerrechtswidrigen Blockade verstanden haben. Doch die Mehrheit der Völker respektiert Kuba. Das wird auch dadurch deutlich, dass Kuba den Vorsitz bei der Gruppe der G 77, dem Zusammenschluss der Staaten des globalen Südens hat, die sich im September in Havanna treffen werden.
"Kämpft wie die Mambises"
Zur Solidarität mit Kuba zogen beide ihr Fazit: "Wie ihr uns unterstützen könnt? Ihr braucht nicht jedem Gerücht hinterherzujagen. Aber Wichtiges sollte aufgearbeitet und verbreitet werden. Im Medienkrieg wird Kubas Zukunft entschieden werden. Die Konterrevolution nimmt viel Geld in die Hand, um Kuba zu verleumden. Wir sollten wie die Mambises im Unabhängigkeitskrieg dem Gegner die Waffen wegnehmen und mit den Waffen des Gegners kämpfen. Das Internet ist in den Händen der Imperialisten. Wir sollten uns vereinen. Helft uns, die kubanische Wirklichkeit zu verbreiten. Teilt, was ihr über Kuba wisst und stellt es falschen Darstellungen entgegen. Lasst uns den virtuellen Raum neu aufbauen und bringt die Alternativen Kubas auch in die Netzwerke. Unterstützt die gerechten Anliegen auf der Welt – Kuba ist Beispiel für eine gerechte Welt."
Brigitte Schiffler
CUBA LIBRE 4-2023