Kubanische Ärzte für Europa

Während Kuba mit seinem System der Familienarztpraxen eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung sicherstellt, grassiert in Europa der Ärztemangel. Das ist kein Zufall, sondern ist den niedrigen Ausbildungszahlen und den Arbeitsbedingungen geschuldet. Gesundheit wird immer mehr zur Ware. Der Bedarf der Bevölkerung tritt verstärkt in den Hintergrund. Monatelange und darüber hinaus gehende Wartezeiten auf Operationen in Großbritannien sind nur ein Beispiel dafür.

Not sprengt auch ideologische Barrieren und so gehen immer mehr Länder in Europa dazu über, mit kubanischen Ärzten die Versorgung ihrer Bevölkerung abzusichern bzw. zu verbessern.

Bislang gibt es in Europa gute Erfahrungen, wenn die Kuba-Solidarität initiativ wird, Ärzte aus Kuba zu holen.

Italien

Im vergangenen Mai unterzeichneten der kubanische und der italienische Gesundheitsminister, José Angel Portal und Orazio Schillaci, eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit in den Bereichen Gesundheit und medizinische Wissenschaften.

Zu den 51 Spezialisten, die seit der Unterzeichnung des Abkommens mit der kubanischen Regierung über die Einstellung von fast 500 Personen medizinischen Personals die Gesundheitsversorgung in der Region unterstützen, hat Italien weitere 120 kubanische Ärzte aufgenommen. Denn die Versorgung sei einzuschätzen als ein „ein System, das in Kalabrien nicht über ausreichende personelle Ressourcen verfügt und bei dem die Gefahr besteht, dass ganze Abteilungen und Krankenhäuser geschlossen werden müssen“.

Portugal

Portugal plant, sein öffentliches Gesundheitssystem zu stärken, indem es 300 kubanische Ärzte für einen Zeitraum von drei Jahren einstellt.

Demnach beabsichtigt das Gesundheitsministerium, die Defizite im Nationalen Gesundheitsdienst (SNS) durch die Einstellungen zu beheben.

Die sozialistische Regierung unter António Costa habe bereits die erforderlichen Verfahren eingeleitet, damit diese Fachkräfte so schnell wie möglich in das öffentliche System integriert werden können. Dabei werden die verschiedenen Schritte berücksichtigt, die Ausländer von außerhalb der EU durchlaufen müssen, bevor sie als geeignet gelten.

Portugal hat bereits in der Vergangenheit auf kubanisches Gesundheitspersonal zurückgegriffen. 2009 wurden 44 Ärzte aufgenommen, um das öffentliche Gesundheitssystem in den Regionen Ribatejo (Mitte), Alentejo und Algarve (Süden) zu stärken.

Irland

Erste Gemeinden haben einen Antrag an die kubanische Botschaft gestellt, Ärzte zu stellen. Die Botschaft hat das positiv beschieden. (CL berichtete detailliert darüber im Interview von Dieter Reinisch in der letzten Ausgabe)

Deutschland

Seit Jahren herrscht hier ein drastischer Ärztemangel, der die Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, gefährdet. Im Sozialgesetzbuch, in der "Bedarfsplanungsrichtlinie der vertragsärztlichen Versorgung" ist der Maßstab definiert: Liegt der Versorgungsgrad in einem Planungsbereich etwa bei Hausärzten unter 75 Prozent, wird eine Unterversorgung angenommen. Eine bedarfsplanerische Überversorgung sei ab einem Versorgungsgrad über 110 Prozent gegeben. Ergo gilt alles dazwischen als "Normalversorgung". Immer mehr Haus- und Fachärzte stehen kurz vor dem Ruhestand. Es fehlt an jungen Ärzten, die nachrücken ko¨nnten. Allein in Sachsen-Anhalt scheiden bis 2030 zum Beispiel rund 800 Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte altersbedingt aus. Neben Hausärzten fehlen vor allem Haut-, Augen- und Nervenärzte. Aber auch bei den Zahnärzten wird es in den kommenden Jahren eine große Versorgungslücke geben.

Wäre es nicht an der Zeit, die Versorgung der Bevölkerung durch den Einsatz kubanischer Ärzte zu verbessern, wie es andere europäische Länder es schon getan haben?

CUBA LIBRE Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 4-2023