Ein Gigant des Sports

Javier Sotomayor Javier Sotomayor, Foto: Prensa Latina

Javier Sotomayor, der kubanische Hochspringer erzielte am 27. Juli 1993 auf einem internationalen Sportfest im spanischen Salamanca unter wettbewerbsgerechten Bedingungen ein außergewöhnliches Resultat: Seinen eigenen, vier Jahre alten Freiluftweltrekord von 2,44 Meter verbesserte er an jenem Tag auf 2,45 Meter. Dies geschah vor 30 Jahren und bis heute wurde diese Höhe nicht wieder erreicht. Seitdem die Ergebnisse der Leichtathletik statistisch erfasst werden, gibt es wohl nur wenige Höchstleistungen, die damit vergleichbar wären. In der Geschichte dieser anspruchsvollen Disziplin gibt es darüber hinaus niemanden, der so lange an der Weltspitze dabei war und diesen Sport phasenweise völlig dominiert hat. Er hat fast alles, was zu gewinnen war, irgendwann gewonnen und ist auch seit 1989 immer noch aktueller Hallenweltrekordhalter mit 2,43 Meter.

Doch diejenigen, denen Kuba aus politischen Gründen verhasst ist, lassen nichts unversucht, Leistungen der kubanischen Gesellschaft selbst im Sport zu diskreditieren: Bei den panamerikanischen Spielen von 1999 im kanadischen Winnipeg wurden in einer Dopingprobe Sotomayors angeblich Spuren von Kokain gefunden. Er bestritt, jemals eine solche Droge konsumiert zu haben und wurde dennoch für zwei Jahre gesperrt. Dieser Vorfall war für Kuba Anlass, ein eigenes Testlabor nach internationaler Norm einzurichten, um selbst Überprüfungen vornehmen zu können.

Weltweit tauchte damals in vielen Medien eine neue, fast wie speziell auf Sotomayor geprägte Wortschöpfung auf: "Kokain-Doping". Diese Ausgeburt böswilliger und von der Sache her absurder Sprachakrobatik wurde mit der Berichterstattung über ihn immer wieder genannt, um dann nach Jahren und nachlassendem Interesse an seinem Fall fast völlig in der Versenkung zu verschwinden. Wie kann jemand in einem Sport Höchstleistungen erbringen, bei denen eine Vielzahl von Faktoren punktgenau zusammenspielen müssen, wenn er gleichzeitig Drogen nimmt, die bekannterweise die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verzerren und herabmindern und langfristig völlig untergraben?

Doch wo Ungerechtigkeit geschieht, formiert sich auch Protest: Nach einem Jahr wurde seine Sperre damals aufgehoben. Doch diejenigen, die gedacht hatten, dass sich seine Karriere ohnehin erledigt hätte, widerlegte er: Bei der Olympiade 2000 in Sydney trat er mit 32 Jahren für sein Land nochmal an und brachte trotz einem Jahr Abwesenheit von allen internationalen Wettbewerben immerhin mit der Höhe von 2,32 Meter die Silbermedaille nach Hause.

Interessant ist, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) harte Drogen wie Kokain, Ecstasy und Heroin von ihrer Liste leistungssteigernder Substanzen 2021 gestrichen hat und bei Nachweis nur noch eher symbolische Strafen verhängt. Es dauert wohl manchmal etwas länger, bis der berühmte Groschen fällt.

Vielleicht wird Sotomayors Rekordmarke irgendwann eingestellt oder übertroffen. Es ist aber durchaus möglich, dass sie den Verleumdern Kubas noch lange wie ein Dorn im Auge stecken bleibt. Bei 2,45 Meter Höhe setzt die Schwerkraft dem Menschen, was neue Höhenflüge angeht, schon enge Grenzen. Er selbst sagte kürzlich in einem Interview zu seinem Rekord: "Natürlich bin ich froh darüber, aber ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dass er so lange anhält. Auf jeden Fall wird früher oder später jemand dieses Maß überschreiten und ich werde mich als erster darüber freuen. Auch wenn mir klar ist, dass es schwierig und ein wichtiges Hindernis ist, das es zu überwinden gilt. Auch psychisch."

Heute lebt "Soto", wie er in Kuba genannt wird, mit seiner Familie in Havanna, arbeitet für den kubanischen Sport und ist bei großen Sportereignissen in Lateinamerika auch ein gefragter Kommentator.

CUBA LIBRE Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 4-2023