Cangamba

Episode des Engagements Kubas in Angola

Diese kurze Episode um den Ort Cangamba ist in meinem vor vier Jahren erschienenen Buch über die Geschichte und Hintergründe dieses Konfliktes nicht enthalten, da sie eher untypisch für den Krieg war und keine Auswirkungen auf seine Entwicklung hatte. In Kuba selbst erlangte sie jedoch große symbolische Bedeutung. Das war vor 40 Jahren.


Zwischen 1975 und 1991 war Kuba im Prozess der Entkolonialisierung an einem Krieg in Angola beteiligt. Die nachkoloniale, sozialistisch orientierte Regierung des Landes hatte Kuba um Unterstützung gegen das aggressive südafrikanische Apartheid-Regime gebeten. Dieses praktizierte in Südafrika selbst und im praktisch von ihm annektierten Namibia eine von aller Welt verachtete Politik der Rassentrennung. Nach außen fungierte es als verlängerter Arm antikommunistischer Subversion des westlichen Imperialismus.

In den 1980er Jahren war die UNITA (Nationale Union für die totale Befreiung Angolas), eine von den USA und Südafrika unterstützte Guerillabewegung, im Aufwind. Sie erhielt viel Geld und modernste Waffen und konnte ihren Einfluss im Südosten Angolas ausweiten. Der dort gelegene kleine Verwaltungsort Cangamba hatte ursprünglich etwa 8000 Einwohner und wurde von der angolanischen Regierung kontrolliert. Er wurde jedoch zunehmend zu einem isolierten Außenposten in einem feindlichen Umfeld und war immer schwerer zu versorgen. Am frühen Morgen des 2. August 1983 schlossen Verbände der UNITA und südafrikanische Spezialkräfte einen Belagerungsring um die Stadt, die schon vorher ständigem Artilleriebeschuss ausgesetzt war. Unterschiedliche Quellen sprechen von 3000 bis 6000 Angreifern. Im Ort befanden sich etwa 800 angolanische Soldaten und 92 Kubaner - zum Teil schon in unterirdischen Verteidigungsanlagen. Kubanische Helikopter konnten noch etwa hundert Kämpfer zur Verstärkung einfliegen. Die nächstgelegene Stadt Menongue war etwa 250 km entfernt. Von dort und aus der Großstadt Huambo wurden Truppen entsandt, die durch vermintes Gelände und unter Angriffen der UNITA nur langsam voran kamen. Kampfhubschrauber setzten kleinere Verbände im Umland des Ortes ab, welche die Artilleriestellungen der UNITA angriffen und den Feind gezielt verunsicherten. Gleichzeitig flogen kubanische Kampfflugzeuge ununterbrochene Angriffe gegen die Belagerer. Für die Eingeschlossenen ging es um Leben oder Tod: Während Kuba Gefangene entsprechend der Genfer Konvention anständig behandelte, hatte die UNITA wiederholt gezeigt, dass diese für sie nur ein Stück Papier war.


Fidencio González Peraza

Fidencio González Peraza (Mitte), in Cangamba nach der Befreiung ...
Foto: EcuRed Kuba


Es gelang ihr, große Teile des Ortes zu besetzen und die Wasserversorgung zu unterbinden. Die Lage wurde zunehmend schwieriger und Beteiligte sprechen von einem Inferno. Die Munition wurde knapp und nach kurzer Zeit gab es kaum noch Nahrung und Trinkwasser. Die Verteidiger kauten Papier und aßen Zahnpasta. Kühlwasser wurde aus Fahrzeugen abgelassen und aufgeteilt, vorrangig an die Verwundeten. Aus Schlamm wurde versucht, mit Verbandsmull etwas Trinkbares herauszufiltern.

Der spätere Brigadegeneral Harry Villegas, der schon an der Seite Che Guevaras in Kuba, im Kongo und in Bolivien gekämpft hatte, war zu jener Zeit ein wichtiger Verbindungsmann zwischen der Regierung Kubas und den Zuständigen in Angola. Er berichtet, dass die Kampfflieger nach einigen Tagen keine Raketen mehr hatten. Nachschub aus der UdSSR verzögerte sich. "Unsere Führung entschied, unsere Reserven in Kuba nach Angola zu senden". Fidel Castro ließ sofort die Sitze aus einem Passagierflugzeug ausbauen, die Raketen wurden verladen und kamen einen Tag später in Cangamba zum Einsatz.

Gleichzeitig schrieb Fidel einen Brief an die Eingeschlossenen, in dem es u. a. hieß: "Stunde um Stunde verfolgen wir euren heroischen Widerstand in Cangamba. Wir haben alle Maßnahmen getroffen, euch zu unterstützen. (...) Jetzt hängt alles ab von eurer Fähigkeit, so lange wie nötig zu widerstehen (...) Macht Cangamba zu einem Beispiel dafür, dass das Blut der Angolaner und Kubaner für die Freiheit und Würde Afrikas nicht vergeblich vergossen wurde. Ich habe vollste Zuversicht in euren unerschütterlichen Mut. Ich verspreche eure Rettung, was auch immer dazu erforderlich ist." Fidencio González Peraza, einer der Eingeschlossenen, berichtete später, dass Fidels Schreiben sie nicht erreichte: Es wurde aus großer Höhe mit Nachschubmaterial abgeworfen, welches jedoch auf vom Feind kontrolliertes Gelände fiel. Doch seine Botschaft kam trotzdem an: Sie wurde auch über das Radio verlesen, jemand schrieb sie auf und sie wurde in den Schützengräben weitergegeben. "Das hatte eine enorme Wirkung," so González, "die Kampfmoral aller Kubaner und Angolaner hob sich." Er berichtete weiter, dass Fidel vorgeschlagen hatte, einen Ausbruch in Erwägung zu ziehen und sich durchzuschlagen. "Um 2 Uhr in der Nacht kamen wir jedoch zu dem Schluss, dass es angesichts unserer Verfassung und mit den Verwundeten nicht möglich war. Wir entschieden, die Position zu halten, bis zur letzten Konsequenz." Nach acht langen Tagen zogen die Belagerer am 9. August ab. Vor allem die pausenlosen Luftangriffe hatten ihnen schwerste Verluste zugefügt und ihre Moral untergraben. Die Verteidiger hatten 60 angolanische Tote und 177 Verwundete zu beklagen, 18 Kubaner waren gefallen und 27 verwundet.

Fidencio González Peraza
... und Jahrzehnte nach seiner Heimkehr: "Es gab keinen einzigen Genossen, der in dieser Situation an Aufgabe dachte."
Foto: ACN Armando Ernesto Contreras Tamayo/sdl, Cubadebate


Nach diesem Erfolg schlug Fidel vor, den Ort sofort zu räumen. Er war praktisch zerstört und man rechnete mit einem Gegenschlag der Südafrikaner. Doch sowjetische Berater in Angola hatten andere Vorstellungen. Sie drängten die angolanische Regierung, zusätzliche Truppen hinzuschicken, um von dort in die Offensive zu gehen. Harry Villegas dazu: "Die sowjetischen Berater präsentierten ihre Pläne, als wären sie Marschall Schukow bei der Vorstellung seiner Pläne zur Eroberung Berlins gegenüber Stalin. Aber der Kampf gegen die Banditen der UNITA erforderte leicht bewaffnete,kleine Einheiten." Fidel Castro telegrafierte nach Angola: "Wir sind schockiert über die Worte der Leitung der sowjetischen Militärmission. Sie zeigen einen vollständigen Mangel an Realismus ... Weder wollen wir weitere tote Kubaner, noch eine schmerzliche Niederlage riskieren aufgrund absurder Entscheidungen." Hier und besonders später offenbarten sich erhebliche Differenzen in der Frage der Kriegsführung. Die angolanische Regierung war überfordert. Nach einem Tag ergebnisloser Debatten gab Raúl Castro aus Havanna die kategorische Anweisung an die kubanische Führung vor Ort, sofort abzuziehen, unabhängig von der Haltung der Angolaner. "Diese Entscheidung ist unwiderruflich. Verschwendet keine weitere Minute." Während die Kubaner abrückten, trafen angolanische Truppen in Battaillonsstärke ein und versuchten, sich in den Ruinen einzurichten. Zwei Tage später führten Angriffe südafrikanischer Bombergeschwader zur völligen Zerstörung des Ortes. Die Angolaner mussten überhastet und unter großen Verlusten wieder abziehen.

Kubas Internationalismus - Angola 1975–1991

Das Buch ist für 10 Euro erhältlich über den Shop der Freundschaftsgesellschaft, direkt beim Verlag oder über den Buchhandel.


Bis heute verbreiten konterrevolutionäre Propagandisten in Miami, dass Kuba die Angolaner im Stich gelassen habe. Der US-Historiker Piero Gleijeses weist darauf hin, dass Kuba einen gemeinsamen Abzug vorgeschlagen und dafür vernünftige Argumente vorgebracht hatte. Das wird dabei verschwiegen. Gleijeses: "So wird Geschichte manipuliert - wenig Wahrheit vermischt mit viel Lüge."

Die kubanischen Internationalisten, ob militärisch oder mit ziviler Hilfe betraut, waren ausnahmslos Freiwillige. Die Bereitschaft, in Afrika zu helfen, war groß. Die Masse von Bewerbungen Einsatzwilliger war von Anfang an weit höher, als es die Lage erforderte. Die Zahl der Bewerber erfuhr nach der erfolgreichen Befreiung der Eingeschlossenen noch einen gewaltigen Schub nach oben. Cangamba wurde zu einem Symbol heldenhaften Widerstandes. Nationalstolz und internationalistisches Bewusstsein, Gerechtigkeitsgefühl, das Vorbild der eigenen revolutionären Generationen sowie die Ehrlichkeit der Führung unter Fidel Castro motivierten die Menschen. Diese weit verbreitete Haltung war die Grundlage dafür, dass Kuba den Einsatz einige Jahre später in seinem Sinne zum Abschluss bringen konnte.


Das Buch ist für 10 Euro erhältlich über den Shop der Freundschaftsgesellschaft, direkt beim Verlag oder über den Buchhandel.



CUBA LIBRE
Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 3-2023