Contras springen auf den Tren Maya auf.
Geplante Trasse des Tren Maya auf der Halbinsel Yukatan |
Die mexikanische Regierung führt mit dem sogenannten Tren Maya ein umstrittenes Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekt entlang der Gebiete der indigenen Gruppe der Maya durch. Es gilt als ein Prestigeprojekt des mexikanischen Präsidenten López Obrador. Das Projekt hat Proteste von Indigenen ausgelöst. An dem "Leuchtturmprojekt" der Regierung López Obrador, "Tren Maya", mischen zahlreiche internationale Konzerne mit. Auch die Deutsche Bahn ist mit einem Auftrag als "Schattenbetreiber" mit knapp 9 Millionen Euro beteiligt. Kuba liefert Schotter für den Bau der Trasse und hat sich damit internationale Kritik zugezogen.
Die Regierung von Andres Manuel Lopez Obrador bezeichnet den "Tren Maya" als Schlüssel zur Weiterentwicklung der ganzen Region. Sieben mexikanische Bundesstaaten sollen so ihre natürlichen Rohstoffe auf dem Weltmarkt vertreiben können. Der mexikanische Präsident kündigte an, mit dem Projekt den ökonomisch weniger entwickelten Süden des Landes zu unterstützen. 114.000 Arbeitsplätze soll der "Maya-Zug" bereits geschaffen haben, bis zu 715.000 weitere werden erwartet. Auch eine Ankurbelung des Tourismus verspricht man sich von der ausgebauten Infrastruktur.
Das Eisenbahnprojekt mit einer Gesamtlänge von etwa 1.500 Kilometern, das an historischen Maya-Stätten entlangführt, war eines der zentralen Wahlkampfversprechen des mexikanischen Präsidenten und soll noch 2023 fertiggestellt werden. Von einem Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden US-Dollar ist die Rede. Das eigentliche Vorhaben geht darüber hinaus.
Der "Tren Maya" stand allerdings von Anfang an in der Kritik. Insbesondere Teile der indigenen Bevölkerung fühlen sich übergangen. Da das Projekt durch Biosphärenreservate läuft, musste ein Umweltgutachten erstellt werden. Laut dem ILO-Übereinkommen der UNO muss im Vorfeld von Projekten dieser Art zudem ein Referendum organisiert werden. Dieser partizipative Prozess muss vor Projektbeginn in indigenen Sprachen angeboten und dem kulturellen Kontext angepasst vorgenommen werden, über die Einzelheiten des Projektes und seine Folgen informieren und dabei einen offenen Charakter bewahren. Im Falle des "Tren Maya" gab es zwar ein Referendum, das eine schwache Beteiligung aufwies, aber mit überwältigender Mehrheit für das Projekt votierte. Der UN-Menschenrechtsrat bemängelt allerdings anschließend, die im Vorfeld angebotenen Informationen seien einseitig gewesen. Zwischenzeitliche Baustopps aufgrund von Bedenken hinsichtlich der mit dem Projekt verbundenen ökologischen und kulturellen Einschnitte wurden wieder aufgehoben, das Projekt weitergeführt.
Die Proteste indigener Gruppen fanden auch ihren Widerhall in westlichen Medien. Die taz zum Beispiel zitierte indigene Gemeinden, es handele sich um "Projekte des Todes". Dass sich ein Großteil der Menschen in den betroffenen Gebieten für das Projekt ausgesprochen hat, weil sie sich Verbesserungen ihrer Lebenssituation davon erhoffen, bestreitet die ehemals "alternative" Zeitung nicht. Die taz legt aber nahe, dass diese Zustimmung durch die Sozialprogramme des mexikanischen Präsidenten "gesichert" worden sei. Für taz & Co. ist es seit jeher ein Ärgernis, dass arme Menschen dazu neigen, die Verbesserung ihrer Lebenssituation gegenüber dem Schutz von Lurchen und Libellen zu priorisieren. Auf der anderen Seite entdeckt die taz "kapitalistische Verwertungslogik" ausgerechnet und exklusiv bei der Regierung Mexikos unter Lopez Obrador, welche für den Versuch steht, sich aus der Abhängigkeit von den USA zu lösen und sich nicht in die eigenen Entscheidungen hineinreden zu lassen.
Schotter aus Kuba für das Projekt Tren Maya in Mexiko, Quelle: ecured.cu
Eine neue Seite tat sich in der Debatte um den "Tren Maya" auf, als bekannt wurde, dass Kuba Schotter für die Eisenbahntrasse liefern soll. Insgesamt werden etwa 1,4 Millionen Tonnen Schotter benötigt, wovon Kuba etwa 15 Prozent beisteuern soll. Der Naturstoff stammt aus der Nähe von Cienfuegos. 150 Werktätige sind derzeit in der Produktion beschäftigt. Wer die wirtschaftliche Lage Kubas kennt, weiß, wie dringend die dabei erwirtschafteten Devisen gebraucht werden. Ganz abgesehen von der Notwendigkeit, die US-Blockade symbolträchtig zu durchbrechen.
Lopez Obrador wurde innenpolitisch für die Entscheidung, den Auftrag an Kuba zu vergeben, hart kritisiert. Der Präsident rechtfertigte seine Entscheidung damit, dass Mexiko nicht in der Lage sei, die entsprechende Menge an Schotter in der benötigten Qualität zu produzieren, Kuba hingegen schon. Der kubanische Schotter könne per Schiff an die nahe gelegene Halbinsel Yucatán angeliefert werden. Dadurch könne man auf das Anlegen von Transportschneisen durch den Regenwald verzichten und die Biosphäre schonen – was ja eigentlich im Sinne der indigenen Kritiker wäre. Letztere waren den Medien an dieser Stelle allerdings bereits wieder relativ egal.
Die Meinungsführerschaft in dieser Frage hatten längst die Contra-Kräfte übernommen. So warf die Zeitung El Nuevo Herald aus Miami beispielsweise der mexikanischen Regierung vor, durch diese Lieferung (sowie die vertraglich geregelte Inanspruchnahme von medizinischem Fachpersonal) die kubanische Regierung gezielt unterstützen zu wollen. Um Lurche ging es zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr, und erst recht nicht um die Sorgen indigener Gruppen.
Die Mischung von taz und Contras zeigt mittlerweile Wirkung. Auch in Deutschland werden Stimmen laut, wonach Kuba sich nicht an einem Projekt wie dem "Tren Maya" beteiligen dürfe. Auch wenn die Intentionen andere sein mögen, spielen diese Forderungen auf der Klaviatur eines Werte-Imperialismus, der die Ökologie und den Erhalt indigener Kulturen gegen das Recht auf Selbstbestimmung der Nationen des Südens stellt. Länder wie Mexiko, so die ("westliche") Logik, sind zu sehr von Armut und Unterentwicklung geprägt, als dass sie sich adäquat mit ökologischen Fragen beschäftigen könnten. Und von Kuba wird scheinheilig erwartet, es habe sein Interesse, seine Exportmöglichkeiten auf dem Weltmarkt auszubauen, zurückzustellen, sobald diese mit kapitalistischer Verwertung in Berührung kämen. Noch einmal zur Erinnerung: Kuba hat sich den kapitalistischen Weltmarkt nicht ausgedacht. Mexiko übrigens auch nicht. Und jetzt sollen die Länder des Südens für ihn und die Schäden, die er anrichtet, verantwortlich sein? Absurde Welt, in der wir leben. Schluss mit der Blockade gegen Kuba!
Tobias Kriele
CUBA LIBRE 3-2023