Auf den Spuren von Humboldt

Kuba von Ost nach West – Einmal quer über die Insel

Die Leserreise der Zeitung "Unsere Zeit" und der Zeitschrift "Cuba Libre" im Dezember 2022, von der ich hier berichten will, ging vom ländlich-ärmeren Osten quer über die Insel. Keine Pauschalreise in All-Inclusive-Hotels, sondern eine mit solidarischen Aspekten – wobei von der FG BRD-Kuba gesammelte Medikamente und Medizingeräte in Kuba übergeben wurden. Eine mit dem Interesse, das international vorbildliche Gesundheitswesen näher kennenzulernen und die Geschichte der kubanischen Befreiung zu studieren. Natürlich sollte angesichts der einzigartigen Landschaft und der azurblauen Karibik auch das touristische Vergnügen nicht zu kurz kommen.

Nationalpark Alexander von Humboldt

Einige Impressionen aus Kuba, aufgenommen von den Reiseteilnehmerni



Keine Kubareise ohne die für das Verständnis Kubas so wichtige Kubanische Revolution. Die begann nicht erst mit Fidel Castro: Jose Marti legte schon die Grundsteine – unsere Reiseleiterin Adriana machte uns nicht nur mit ihren Denkmälern vertraut. Die Bekanntschaft mit den Stationen der revolutionären Bewegung 1953 (vergeblicher Sturm auf die Moncada-Kaserne), 1959 (Sierra Maestra, Entscheidungsschlacht in Santa Clara) und 1961 (konterrevolutionäre Söldner-Invasion in der Schweinebuch), aber auch der Besuch der Grabstätten von Fidel Castro und Che Guevara waren bewegende Momente.




Dabei wurden wir immer wieder mit den Auswirkungen der brutalen Wirtschafts-, Handels,- und Finanzblockade der USA gegen Kuba für das Leben der Kubaner konfrontiert – noch verstärkt durch die schlimmen Verwüstungen des Hurricans Ian und der Zerstörung des nationalen Öltanklagers in Mantanzas durch einen Blitzschlag. Ja, wir wurden vor den Hotels auch angebettelt, aber wohl eher als "Geschäftsmodell". Denn es muss niemand in Kuba hungern, die Grundnahrungsmittel sind subventioniert. Die Arbeitslosigkeit pendelt um ein Prozent. Niemand muss auf der Straße leben, die meisten Familien wohnen in mehreren Generationen im eigenen Haus, alle Kinder gehen in die Schule ohne Klassen- oder Rassenschranken, Bildung und die ärztliche Versorgung sind gratis. Alles sozialistische Errungenschaften, von denen wir im kapitalistischen Deutschland nur träumen können. Doch die Blockade, die Sanktionen im Zuge des Ukrainekrieges und ausbleibende Touristen in der Pandemie setzen den Anstrengungen der kubanischen Regierung Grenzen und in den Geschäften zeigen mancherorts halbleere Regale Mangel an, der sehr schmerzhaft ist, besonders für die Jungen, die es ins Ausland zieht – wie in vielen lateinamerikanischen Ländern…. An mehreren Abenden setzten wir uns zusammen und diskutierten mit Deborah Azcuy vom ICAP das kubanische Wahlsystem, das neue vorbildliche Familiengesetz, aber auch die kritische Lage der Wirtschaft.
Paar in Havanna Kaffeeernte
Unsere Reise wollte auch einen Beitrag zur internationalistischen Solidarität leisten. Wir brachten dem einst mit Unterstützung von Brigaden der DKP erbauten Reha-Zentrum "Ernesto Buschmann" und der Familienarztpraxis "Consultorio Tamara Bunke" in Mantanzas medizinisches Material – von der Freundschaftsgesellschaft in 10 kg-Paketen verteilt nach Frankfurt geschafft und je eins davon von jedem Teilnehmer mit der Fluglinie Condor gratis eingecheckt. In Santiago de Cuba empfingen uns die Patienten singend im Behindertenheim "Gloria Cuadras de la Cruz", ein Solidaritätsprojekt der FG BRD-Kuba und tanzten mit uns. Die Pakete mit Medikamente und Materialien wurden gleich ausgepackt. Und eine Ärztin freute sich riesig über Päckchen mit "Gummibärchen" für ihre Schützlinge. Beeindruckt waren wir ebenso vom "Centro Médico Psicopedagógico América Labadí Arce", in dem geistig Behinderte gefördert werden. In Cardenas besuchten wir die vor 20 Jahren mithilfe von Solidaritäts-Brigaden der DKP erbaute Klinik Rosa Luxemburg. Im Hospital "General Dr. Juan Bruno Zayas Alfonso" in Santiago de Cuba erklärte uns der ärztliche Direktor den flächendeckenden, dreigliedrigen Aufbau der Gesundheitsversorgung vom Familien-Arzt bis zur zentralen Spezialklinik – alles kostenlos für die Bevölkerung.

Auf der Reise folgten wir den Spuren der europäischen Entdecker Kubas. Nachdem wir in Holguin gelandet waren, fuhren wir die Küste entlang nach Baracoa, wo Christoph Kolumbus 1492 anlandete. Wir besuchten danach das dem zweiten Entdecker Kubas gewidmete Weltkulturerbe, den nach Alexander von Humboldt benannten einzigartigen Nationalpark: In dem tropischen Biosphärengebiet suchten wir neben Kolibri auch den Nationalvogel "Tocororo", sahen auf der Bootsfahrt entlang der Mangroven die Schneisen, die der Hurrikan im letzten Jahr gerissen hatte. Vertiefen konnten wir dann das Thema Humboldt und seine Bedeutung für Kuba und ganz Lateinamerika in der "Casa Humboldt" in Havanna – museumspädagogisch hervorragend ausgerichtet.

In Baracoa lernten wir auch den bäuerlichen Kakao-Anbau kennen – vom Baum bis zu fermentierten und getrockneten Bohnen. Die harten Kakao-Kugeln, so groß wie die provencalische Petanque(ähnlich groß wie Boule-Kugeln), brauchen keinen Kühlschrank, in heiße Milch mit Zucker geraspelt und gekocht, lecker…

Auf dem Weg nach Santiago de Cuba machten wir – an den weißen Salinen vorbei – in Guantanamo Station, schauten durchs Fernglas auf die US-besetzte Bucht, das verfluchte Gefängnis hinter dem Hügel konnten wir nicht sehen. Die – wie in Hongkong – 99 Jahre Pachtzeit ist längst abgelaufen, aber die USA berufen sich auf den erpressten "ungleichen Vertrag", der nur "im gegenseitigen Einverständnis gelöst werden" könne. In Santiago de Cuba bestaunten wir die Einschusslöcher in den Mauern der Moncada-Kaserne – heute eine Schule – wo Fidel Castro mit seinen Gefährten 1953 im ersten Ansturm scheiterte. Wo sie zur Moncada-Kaserne aufgebrochen waren, in der Sierra Maestra, war unsere nächste Station, ein kleines Haus in Granjita Siboney, heute als nationales Denkmal verehrt. Die ICAP der Provinz Santiago verabschiedete uns nach Camaguey, einem architektonisches Kleinod. Eine lange Fahrt an Zuckerrohrfeldern vorbei, in Bayamo an einem mit Biomasse betriebenen Kraftwerk. Weiter ging es nach Santa Clara, wo das Batista-Regime entscheidend geschlagen wurde. Im Innern des gepanzerten Zugs der Batista-Soldaten mit seinen Einschusslöchern dokumentieren Fotos den Verlauf der Schlacht. Wir besuchten das mächtige sechs Meter hohe "Memorial Che Guevara" und das Mausoleum, in dem die Urnen von Che und seinen gefallenen Kampfgenossen, unter ihnen auch die von Tamara Bunke, aufbewahrt werden.

Vom Zentrum der Insel führte der Weg nach Trinidad. Unterwegs machten wir Halt bei Don Pancho, einem Kaffeebauern. Nach einer Führung durch die Plantage gab es eine Kaffee-Zeremonie wie in Äthiopien: Rösten der Bohnen, Zerstampfen im Mörser und Kochen. Der Kaffee war stark, schmeckte anders, wohl die Röstung, aber mit Rum unübertrefflich. Den "Sklaventurm", zur Überwachung der Arbeitenden auf den Zuckerrohrfeldern aus dem Jahr 1816 mussten wir natürlich besteigen. Von oben eine herrliche Aussicht über das Naturschutzgebiet "Valle de los ingenios azucareros" (Tal der Zuckermühlen), seit 1988 Weltkulturerbe. Unten priesen Frauen auf Wäscheleinen ihre wunderschön gehäkelten Decken und Deckchen, genähten Hemden, bestickten Tischtücher an. Selbst in Raul Castros Größe war eine "Guayabera" zu finden, das klassische Farmarbeiterhemd mit vier Taschen, das heutzutage zu feierlichen Anlässen getragen wird. Am Nachmittag ans Meer, das Wasser war glasklar, warm und ruhig, der Strand leer – der Tourismus muss nach Corona erst anlaufen.
CL/UZ-REisegruppe 2022 Danach Cienfuegos, Mittagessen im herrschaftlichen "Palacio de Valle" mit Blick auf den Yachthafen, der Tisch gedeckt, auf der roten Stoffserviette eine Blüte der Nationalblume "Mariposa blanca", die in der bürgerlichen Revolution als "toter Briefkasten" diente. Ein unvergesslicher Duft, ich musste danach in jedem Hotel nach dem Parfüm fragen, aber nichts zu sehen, nicht zu finden – bis ein Verkäufer, zuerst bedauernd die Schultern zuckte, aber dann doch noch einen Flakon auf den Tisch zauberte. Ein überraschend niedriger Preis, ich verstehe, dass dieses Kleinod nicht verschleudert wird.

Oldtimer

Playa Giron, die Schweinebucht hatte unsere ganze Aufmerksamkeit. Das welthistorisch erste Mal, dass der "Caiman" eine militärische Niederlage einstecken musste, die 1500 Mann starke Söldnertruppe von Exilkubanern wurde aufgerieben, die B-26 Napalm-Bomber abgeschossen, die Invasions-Flotte versenkt. Der Vorwand für eine US-Intervention war geplatzt. Als humanitäre Geste wurden die gefangenen Söldner bis auf einige Batista-Folterer wieder freigelassen.




Weiter ging’s Richtung Matanzas und per Boot ins sumpfige Indianerdorf Guama, wo wir, von Mücken malträtiert, einen Einblick ins prähistorische Leben bekamen. Von dort aus fuhren wir Richtung Havanna, Station für die letzten drei Tage unserer Reise. Herausragend war in Havanna der Besuch des "Centro Fidel Castro Ruz", in dem uns die Persönlichkeit des "lider maximo" näher gebracht wurde. Charakteristisch für Fidel Castro: Er hatte verboten, dass Straßen oder Plätze nach ihm benannt oder Denkmäler von ihm aufgestellt werden. Ein weiteres Highlight der Reise war der Besuch der Parteizeitung "Granma", zur Zeit eine Großbaustelle: Ein neues Druckzentrum wird gebaut, drinnen umgebaut, daher etwas beengt.

Reitergruppe Kurz zusammengefasst: Die Reise war ein Riesenerfolg, alle Teilnehmer hoch zufrieden bis begeistert – auch ein mitreisender, eher konservativer, Schweizer Botaniker, der am Ende noch länger blieb. Wir waren in sehr schönen Hotels untergebracht, haben die Farben und Musik der Karibik genossen, gut – auch den Rum. Wir waren beeindruckt, der Respekt, wie die Kubaner dem Würgegriff der USA widerstehen und dabei den Sozialismus aufbauen, stärkte uns in unserer solidarischen Verbundenheit. So ähnlich drückte es auch Gustl Ballin in seiner Dankesrede im Namen der Reisegruppe aus.

Am liebsten würde ich im April mit der nächsten UZ/Cuba Libre-Reise mitfahren und am 1. Mai 2023 in Havanna demonstrieren – gegen den US-Imperialismus, aber auch gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und EU-Sanktionen – zusammen mit den zigtausenden Kubanern, aber auch mit den Genossinnen und Genossen der französischen Freundschaftsgesellschaft "Association Cuba Linda" aus der Dordogne, die exakt zur gleichen Zeit ihre Solidaritätsreise absolvieren. Nun gut, wir werden auch hierzulande nicht nur am 1. Mai 2023 für den Frieden und gegen die Preistreiberei auf die Straße gehen (müssen)!

CUBA LIBRE Georges Hallermayer

CUBA LIBRE 2-2023