Musik ist der Atem und der Herzschlag Kubas – er umgibt Reisende, die auf der Insel landen und sich auf ihr bewegen, auf Schritt und Tritt: Die Ankunftshalle des Flughafens von Havanna vibriert mit Salsa-Hits, die die Ankommenden begrüßen … auf der Taxifahrt begleitet uns ein wehmutsvolles Liebeslied aus den Autolautsprechern … auf dem Weg zur Casa klingt aus den Wohnungen der aktuellste Reggaeton …. der Bummel durch Habana Vieja gleicht durch die Vielzahl der Musikgruppen, die auf Plätzen, in Cafés, auf den Straßen ihr musikalisches Können unter Beweis stellen, einem stetigen Freiluftkonzert.
Der Dokumentarfilm "La Clave", der 2021 fertig gestellt wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, dem Zauber der kubanischen Musik auf den Grund zu gehen – mit dem Ergebnis eines ästhetisch als auch inhaltlich höchst anspruchsvollen cineastischen Werkes, das die Musik Kubas sowohl mit Leidenschaft als auch musikwissenschaftlicher Tiefgründigkeit in ihren vielen Facetten vorstellt.
Über 20 Jahre nach Wim Wenders "Buena Vista Social Club" hat sich der Regisseur Kurt Hartel – selbst nach eigenem Bekunden überwältigt von der enormen musikalischen Vielfalt Kubas – in Eigenregie und in einem über zwölf Jahre dauernden Prozess an den Versuch gemacht, einen Film über die historischen und kulturellen Wurzeln der kubanischen Musik zu machen. Der besondere Charakter des Films besteht darin, dass er aus der Innensicht der Musikerinnen und Musiker heraus gedreht ist, über ihr subjektives Erleben Auskunft gibt, ihre musikalischen Herausforderungen und Visionen beleuchtet. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist ein filmisches Dokument entstanden, das authentisch und lebensnah unterschiedliche Musikschaffende vorstellt und uns gleichzeitig auf eine tiefgründige, emotional bewegende und sehr faszinierende Reise durch Traditionen, Musikformen und Stile mitnimmt. Kurt Hartel ist es gelungen, sich abseits gängiger Klischees dem Thema zu nähern und uns einen realitätsnahen Einblick in die Welt der kubanischen Musik zu ermöglichen.
Der Titel des Films basiert einerseits auf dem Instrument Clave – zwei runde hölzerne Klangstäbe, die gegeneinander geschlagen werden – und andererseits auf dem – damit erzeugten – Rhythmus, der als Grundlage und Herzstück der kubanischen Musik gilt und der sich als Leitmotiv durch den Film zieht. Die Clave ist in Kuba allgegenwärtig, in zig Variationen – ohne Clave keine Musik –, so beschreibt es ein Musiker.
Kubanische Musik zeichnet sich durch ihre Integrationskraft aus: Die Rhythmen afrikanischer Sklaven wurden mit Harmonien und Melodien der europäischen Klassik gemischt, Salsa und Jazz gehen innige Verbindungen ein, experimentelle Musik geht eine Fusion ein mit der spirituell verwurzelten Musik afrikanischer Herkunft. Verschiedene, scheinbar gegensätzliche Stile vermischen sich zu neuen Spielarten, immer getragen durch höchstes technisches und musikalisches Niveau. Und stets durchdrungen von überwältigender Spielfreude und einem Energielevel, das direkt auf uns Zuschauer:innen überzugehen scheint.
Musik ist der Herzschlag Kubas – dies drückt sich auch in der Bedeutung aus, die die musikalische Ausbildung allerorten genießt. Kostenlose Musikschulen ziehen sich durch die ganze Insel, die Ausbildung findet auf allerhöchstem Niveau statt, methodisch und thematisch konzentriert auf die europäische Klassik. So vielfältig sich die Musikszene in Kuba entwickelt hat, so wird im Film auch angemerkt, dass es bis heute auf Kuba keinen Lehrstuhl für populäre kubanische Musik gibt.
Der Film ist für Musikliebhaberinnen und -liebhaber als auch für Kubafans gleichermaßen eine Bereicherung: Durch die musikwissenschaftliche Tiefgründigkeit werden Zusammenhänge verdeutlicht, die auch für Kenner kubanischer Musik interessant sein dürften. Sicher bin ich mir darüber hinaus, dass die immense Stahlkraft der kubanischen Musik durch diesen Film für ein großes Publikum erlebbar wird.
Der Film kann bei der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und über w-film bezogen werden.
Delia Helmerking
CUBA LIBRE 2-2023