"Überzeugung, menschliches Mitgefühl, ein fordernder Charakter – das ist Che"

Zur Erinnerung an Thomas Sankara

Mit den obigen Worten skizzierte Thomas Sankara, der damalige Präsident von Burkina Faso (Westafrika), die Persönlichkeit Che Guevaras an dessen 20.Todestag am 8. Oktober 1987. Eine Woche später wurde Sankara zusammen mit zwölf engen Mitarbeitern in eine Falle gelockt und erschossen. Die Mörder kamen aus den eigenen Reihen. Nach einem sechs Monate dauernden Gerichtsverfahren ging am 6. April dieses Jahres ein Prozess zu Ende, in dem nach Jahrzehnten offiziell die Schuldigen festgestellt und Urteile gesprochen wurden. Sein ehemaliger Vertrauter Blaise Compaoré, mit dem er 1983 die Macht in einem unblutigen Putsch ergriffen hatte und der Sankara nach seiner Ermordung als Präsident nachfolgte, wurde als Hauptschuldiger in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er lebt, nachdem er 2014 durch Massenproteste gestürzt wurde, in der Elfenbeinküste im Exil,nahm die dortige Staatsbürgerschaft an und wird seine Strafe wohl kaum antreten müssen.





Thomas Sankara

Thomas Sankara
Foto: Larrybzh / CC BY-SA 4.0





Sankara, der nach einer militärischen Karriere mit nur 33 Jahren an die Macht kam, war ein volkstümlicher, von Kuba inspirierter Revolutionär, der selbst ein anspruchsloses und spartanisches Leben führte. "Wir sehen einen Revolutionär als jemand an, der bescheiden und gleichzeitig in höchstem Maße motiviert ist, die Aufgaben zu erfüllen, die ihm anvertraut werden. Er führt sie aus ohne Großtuerei und ohne irgendeine Belohnung zu erwarten." Er selbst besaß nicht viel mehr als einige Gitarren, wobei er neben seinen politischen Auftritten auch manchmal öffentlich spielte und sang, sowie ein Fahrrad und einen alten Kühlschrank. Die Regierungsmitglieder mussten ihre Luxuswagen abgeben. Diese wurden verkauft und durch Kleinwagen ersetzt. Er führte eine Bodenreform durch, legte ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm auf und ging entschieden gegen Korruption vor. 1984 erfolgte die Umbenennung seines Landes, das seit kolonialer Zeit Obervolta hieß, in Burkina Faso (Land der Aufrechten). In vielen Dörfern wurden Baumschulen eingerichtet und in den nur vier Jahren seiner Regierung über 10 Millionen Bäume gepflanzt gegen die Wüstenausbreitung. Impfkampagnen und Aphabetisierungsprogramme fanden statt und rastlos forderte er die Menschen auf, für ihre Rechte einzutreten. Der demokratische und volksbezogene Charakter der Revolution ging nach seiner Aussage hervor aus "der vollen Teilnahme der voltaischen Massen an der Revolution und ihrer ständigen Mobilisierung um demokratische und revolutionäre Zielvorstellungen, welche in konkreter Form ihre eigenen Interessen zum Ausdruck bringen im Gegensatz zu denen der herrschenden, mit dem Imperialismus verbündeten Klassen."

Besondere Bedeutung hatte für ihn die Gleichstellung der Frau. "Eine neue Mentalität zu formen auf Seiten der voltaischen Frauen, welche sie in die Lage versetzt, Verantwortung zu übernehmen für das Schicksal des Landes, ist ein vorrangiges Ziel der Revolution. Gleichzeitig ist es notwendig, die Haltungen der Männer gegenüber Frauen zu verändern." Er sah die Frauen durch Jahrhunderte alte Traditionen auf die Funktion von "Lasttieren" herabgewürdigt. "Eine wirkliche Emanzipation der Frauen bedeutet, ihnen Verantwortung zu geben und sie einzubeziehen in produktive Aktivität und in die verschiedenen Kämpfe, die das Volk auszutragen hat. Wirkliche Emanzipation ist eine, welche den Männern Respekt und Anerkennung abnötigt. Emanzipation, wie auch die Freiheit, ist etwas, das nicht gewährt wird, sondern erobert werden muss. Es ist die Sache der Frauen selbst, ihre Forderungen zu stellen und sich für ihre Umsetzung zu mobilisieren." Die Beschneidung von Frauen und Zwangsehen wurden verboten, die Polygamie geächtet und Verhütung zugänglich gemacht. Während seiner Regierungszeit war Burkina Faso das afrikanische Land mit dem höchsten Anteil von Parlamentarierinnen.

Schon vor seiner Übernahme der Präsidentschaft traf er auf einer Konferenz der nicht paktgebundenen Staaten in Indien mit Fidel Castro zusammen. "In diesem ersten Gespräch erkannte ich Fidels große humanistischen Gefühle, seine scharfe Auffassungsgabe und dass er die Bedeutung unseres Kampfes und die Probleme unseres Landes verstand." Es war der Beginn einer engen Freundschaft und intensiver Zusammenarbeit. Kaum an der Macht, initiierte Sankara die Gründung von Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) nach kubanischem Vorbild. Über die Beziehung zu Kuba sagte er nach vier Jahren: "Eine Anzahl von Programmen wirtschaftlicher Kooperation wurden begonnen, wie etwa beim Anbau von Zuckerrohr, worin Kuba spezialisiert ist, und in der Herstellung von Keramik. Zusätzlich haben kubanische Fachleute Studien erstellt für die Herstellung von Eisenbahnschwellen und die Vorproduktion von Bauelementen im Wohnungsbau. Das gilt auch für den sozialen Sektor, bei Gesundheit und Bildung. Viele Kubaner unterstützen uns hier bei der Ausbildung technischer Kader. Und wir haben viele Studierende in Kuba." Er unterstrich die große Bedeutung dieser Kontakte: "Wir mögen es, unter Freunden zu sein; niemand will sich alleine fühlen. Die Gewissheit, dass wir auf Kuba zählen können, ist eine große Quelle der Stärke für uns."

Seine zupackende und integre Art brachte ihm natürlich auch viele Feinde ein – im Inneren wie auch im Ausland. Er wusste um die Gefahr. Doch das schreckte ihn nicht: "Wenn sie Sankara töten, werden morgen 20 neue Sankaras da sein." Auch wenn seine Mörder jetzt verurteilt wurden, bleiben noch viele Fragen offen – wie die nach einer möglichen Beteiligung des imperialistischen Auslands an seinem Tod. Sein Leichnam wurde verscharrt und seine Reformen fast völlig rückgängig gemacht. Burkina Faso fiel wieder zurück in eine neokoloniale Abhängigkeit.

Irgendwer hat Parallelen gezogen und ihn den "Che Afrikas" genannt. Was ihn mit Guevara verbindet, ist auch ein früher Tod, durch den sie der Nachwelt als junge Revolutionäre und Vorbilder in Erinnerung blieben. Thomas Sankaras Popularität und die Rückbesinnung auf seine Politik nehmen derzeit gerade unter jungen Afrikanern wieder in starkem Maße zu.

CUBA LIBRE Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 4-2022