Die kubanische Botschafterin in der Nürnberger Villa Leon.
Am 13. Mai sprach die frischgekürte Botschafterin Kubas, Juana Martínez González, auf einer Veranstaltung in der Nürnberger Villa Leon. Eingeladen hatten die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, die Freidenker, die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí der bayerischen Linken, die DKP und SDAJ.
An der Veranstaltung mit dem Thema "Neues aus Kuba – Menschlichkeit trotz Wirtschaftskrieg!" nahmen gut 70 Personen teil. Auf dem Podium moderierte Marianne Schweinesbein von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, es übersetzte Kathrin Flach Gomez, Nürnberger Stadträtin der Partei Die Linke.
Juana Martínez González begann ihren Vortrag mit einem Dank für die Einladung und für die seit über 30 Jahren aktive Solidaritätsarbeit. Dies sei für Kuba in der momentan sehr schwierigen Situation wichtiger denn je. Ihr Einsatz gegen die völkerrechtswidrige Blockade der USA mit politischen Aktionen, Geld- und Sachspenden sei von großer Bedeutung im Kampf um das Überleben des sozialistischen Models.
US-Sanktionen
Im Jahr 2014 sei unter der Regierung Barack Obamas ein Prozess der Normalisierung im Verhältnis der beiden Staaten eingeleitet worden. Diese Politik sei unter Donald Trump wieder zurückgenommen und durch erneute Sanktionsmaßnahmen verschärft worden: Er ließ Kuba auf die Liste der Terrorstaaten setzen, erschwerte die Finanztransaktionen, den Handel in Dollar und drohte bei Nichteinhaltung mit Strafmaßnahmen. Die Regierung Biden kündigte die Rücknahme der Verschärfungen an, setzte dies jedoch bis auf wenige Schritte nicht um. Zusätzlich zu den Sanktionen mache sich die US-Regierung die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu nutze, die unter anderem zum Einbruch der Deviseneinnahmen in der Tourismusbranche geführt hat. Ein Grund für die derzeit sehr schwierige Situation läge auch in der Importabhängigkeit bei vielen Produkten. Kuba versuche durch mehrere Maßnahmen, den Erschwernissen des täglichen Lebens bei der Deckung des Alltagsbedarfs zu begegnen. Auch das Problem der Preissteigerungen durch die Inflation nach der Vereinheitlichung der Währung Anfang 2021 müsse gelöst werden.
Neue Verfassung
Gemäß der Politik der "Tarea Ordenamiento" (Politik der konstanten Veränderung) wurde die im Jahr 2019 mit dem ganzen Volk diskutierte neuen Verfassung verabschiedet.
Kuba entwickle Programme zur Nahrungsmittelsicherheit, die durch die Stärkung des privaten Sektors der Kleinst-, Klein- und mittleren Betriebe unterstützt werden sowie durch Genossenschaften und Kooperativen in der Landwirtschaft. Maßnahmen in staatlichen Unternehmen sollten effizienter werden, Entscheidungen dezentralisiert auf die kommunale Ebene verlagert werden. Auch ausländische Investitionen müssten verstärkt werden. Hierbei seien Investitionen in Kuba nach vorheriger Evaluation bis zu 100 Prozent aus dem Ausland möglich.
Große Potentiale werden im Gesundheits- und Pharmabereich gesehen. So habe Kuba fünf Impfstoffe gegen Covid19 entwickelt und hergestellt; sie könnten auch auf dem europäischen Markt verkauft werden nach Anerkennung durch die WHO.
In der anschließenden Diskussion hatte Juana Martínez viele Fragen beantworten. Hierbei betonte sie den sozialistischen Charakter der Verfassung, der bei allen Maßnahmen erhalten bleibe.
Gespräch mit Pflegekräften
Noch vor der Veranstaltung hatte die Botschafterin mit streikenden Pflegekräften gesprochen. Die Streikenden stellten im Gewerkschaftshaus ihre Probleme mit einem gewinnorientierten Gesundheitssystem dar: Es führe sie an die Grenze ihrer Belastbarkeit und mache es fast unmöglich, menschlich auf die Patienten einzugehen.
Saal 600
Am zweiten Tag ihres Besuches in Nürnberg führte Dr. Helmut Sörgel die Botschafterin durch den Saal 600. Dieser Schwurgerichtssaal im Nürnberger Justizpalast wurde bekannt, weil hier die Alliierten ab 1945 ehemals führenden Nazis als Kriegsverbrechern den Prozess machten. Noch heute tagt hier das Landgericht.
Lotti Renkl und Andrea Lang Pariyani
CUBA LIBRE 3-2022