Ganz persönliche Reiseerfahrungen nach zwei Jahren Pandemie.
Was macht man als Kubafreund eigentlich in Zeiten der Pandemie, wenn die Reisemöglichkeiten nach Kuba eingeschränkt sind und viele thematische Reisen ausfallen? Kann man pauschal reisen? Welche Situation erwartet einen in Kuba?
Tourismus ist angesichts der US-Blockade eine der wichtigsten Einnahmequellen in Kuba. Besuchten 2018 vor der Pandemie noch 4,71 Millionen Menschen die rote Insel und betrugen die Einnahmen daraus noch 2,8 Prozent der Bruttoinlandsprodukt (BIP), so sank die Zahl der Urlauber 2020 auf 1,09 Prozent. Die Einnahmen machten nur noch 1,1 Prozent des BIP aus – ein harter Schlag für Kuba. Wir gehen diesen Fragen im folgenden Beitrag nach.
Zwei Jahre Corona haben etwas mit mir gemacht. Ich bin vorsichtig geworden. Aber als sich Kuba im Oktober letzten Jahres wieder für mich öffnet, muss ich einfach buchen: zwei Wochen pauschal, Sand und Meer, aber abgelegen. Gerne, um so bedeutungsschwangeren Tagen wie Weihnachten und Sylvester zu entgehen. Kulturerbe und Vergnügen gehören in Kuba zusammen, schreibt mein Veranstalter – und dann sagt er meine Reise ab. Und so fliege ich erst Wochen später, Anfang März 2022, nach Kuba. Gerade hat der Krieg begonnen, der uns immer noch in Atem hält. Mein Sitznachbar heißt André. Ob er aus Russland kommt, frage ich ihn. Er kommt aus der Ukraine, hat in Moskau und auch im Ural gearbeitet und lebt jetzt mit seiner pflegebedürftigen Mutter in Deutschland. Kohl hat es als Kanzler möglich gemacht, dass Ukrainer jüdischer Abstammung einwandern durften. Berufsausbildungen wurden damals allerdings nicht anerkannt. Kiew, die Stadt, in der er geboren wurde, sei sehr schön, erzählt André. Alle seine Bekannten hätten furchtbare Angst um ihre Stadt. Auch in seiner Firma, die Russen gehört, weiß keiner, wie es weiter geht. Er schämt sich, dass er jetzt nach Kuba fliegt, aber er hat schon vorher gebucht, elf Tage Varadero und anschließend wollte er mit seiner Mutter den restlichen Urlaub in der Ukraine verbringen. Auf dem Flughafen von Varadero haben wir uns getrennt. Vielleicht trifft ihn mal jemand in Frankfurt im Conexión, er liebt Salsa.
Um Mitternacht bin ich in Jibacoa. Vom Balkon aus habe ich einen wunderbaren Ausblick auf Strand und Meer. Das Hygienekonzept ist hervorragend. Alle Kubaner tragen Nasobucos, die Gäste nur in den Räumen. Es gibt Buffets, aber sie sind mit Seilen abgetrennt und die Gäste müssen sich die Speisen anreichen lassen. So knallen sie sich die Teller nicht so voll. Manche gehen aber auch öfter. Man kann auch in drei Restaurants vorher für abends reservieren und erhält ein Menü, das man sich aus vier Gerichten zusammenstellen kann – guter Service, angenehme Atmosphäre, reichlich Wein und Live-Musik. Es wird in drei Schichten gegessen, damit das für die Servierenden machbar ist. Und ich bekomme immer einen Tisch, eine Person kann man noch unterbringen.
Auch wer nur am Strand liegen will, liegt mit einer Reise nach Kuba richtig |
Um 9 Uhr ist "walking" angesagt. Laut Ankündigung des Reiseveranstalters Wanderprogramm, geführte Touren. Ein Witz. Wir gehen die Straße runter bis zu zwei Häusern und wieder zurück. Man kann Souvenirs kaufen, einfach und geschmacklos (im Hotel gibt es auch keine besseren). Immerhin, ich sehe ein Pferd, Hunde, Vögel in Käfigen, Ziegen mit Jungen und Hühner mit Küken. "Hiking" ist auch nicht besser (Höhenwanderungen). Nach einem irre steilen Aufstieg über Baumwurzeln den mit Palmen bewachsenen Kalksteinhügel hinauf mit schönem Blick aufs Hotel geht es dann ganz bequem wieder runter zur Straße. War mir zu anstrengend und zu einfach. Auch wenn ein Bauer uns Kokosnüsse anbietet und er ein altes DDR-Motorrad fährt.
Am Pool wird Bingo gespielt. Es werden Zettel mit Nummern verteilt. Es werden endlos Nummern gezogen und gerufen. Wer endlich auch die gerufene Nummer hat, ruft Bingo und bekommt eine Flasche Wein. Ich nutze den Pool lieber zu anderen Zeiten, gerne für Wassergymnastik. Fitnesscenter, Tennis, Tischtennis ist alles nichts für mich. Vielleicht Yoga? Die Lehrerin soll einige Jahre in den USA gelernt haben. Sie sitzt da mit einem Anleitungsbuch und vertieft sich darin. Wir sitzen mit gespreizten Beinen und warten. Mich hat sie noch nicht wahrgenommen und tut das auch fürs erste nicht. Da verschwinde ich einfach mal. So viel zur Erwachsenenanimation. Dann lieber auf eine Liege unter einem Sonnenschirm aus getrockneten Palmblättern und neben einem Feigenbaum. Du sollst keine Liegen belegen, wenn du sie nicht nutzt, steht auf den Schildern. Sonst wird alles abgeräumt. Wie angenehm, denke ich. Ich rechne aber nicht damit, dass das auch für meine Ausgabe der Blätter für internationale Politik gilt. Tut es aber. Ich war nur mal kurz zur Toilette und hatte sie auf der Liege liegen lassen. Ich wollte doch die Artikel der beiden Autoren aus Hamburg über die Ukraine noch einmal lesen. Ich leide an Informationsentzug. Es gibt im Fernsehen fast nur Touristensender – Amisender, etwas für Kanadier, Briten und Italiener, und für Deutsche gibt es Konserven der Deutschen Welle. Ich hätte nicht gedacht, dass sie eine Sendung der "Anstalt" zeigen. Aber kein Wunder, es ist die schlechteste Sendung, die ich aus dieser Reihe je gesehen habe. Mit dümmlichen Putin-Witzen. Zum Glück gibt es Telesur, aber mit meinen bescheidenen Spanischkenntnissen ist das auch nicht so einfach.
Die Abendunterhaltung ist Spitze. Klar, es gibt auch das Entertainment auf Kosten der Gäste, wenn eine Kanadierin mit Wasser im Mund Guantamera singt und gegen Richie aus UK und Noel aus Kuba gewinnt. Die mögen das. Sehenswert für mich sind aber Akrobatik- und Tanzaufführungen von professionellen Künstlern aus Matanzas. Den angekündigten Opernabend verschmähe ich zunächst – zu Unrecht, wie ich später feststelle. Die drei Künstler haben wunderbare Stimmen, ein Sänger und zwei Sängerinnen. Es ist ein Erlebnis. Ab 23 Uhr ist Disco. Junges Publikum, Lieder, die ich nicht kenne. Für die Gäste aus Miami wird auch mal Celia Cruz angespielt. Ich werde oft für eine Kanadierin gehalten. Ein kanadischer Witwer möchte Begleitung beim Essen und mich zu einer Fahrt nach Havanna einladen. Ich möchte nicht.
Das Schönste ist der Strand. Es gibt ein Tauch- und Divingcenter, Schnorcheln kann man vom Strand aus. Schade nur, dass sich die Teilnehmer beim Walking über Quallen mit fünf Meter langen und schmerzhaften Tentakeln, die es hier bis Mai gibt, unterhalten haben. Es dauert, bis ich mit Tauchermaske und Schnorchel im Meer verschwinde und gleich auf weiße Fische mit gelben Streifen stoße. Das Meer ist grün und dunkelblau. Ich schaue gerne drauf, bei einem Cafecito im Ranchon. Die drei Kellnerinnen erkundigen sich jedes Mal, wie es mir geht. Sie achten darauf, ob ihr männlicher Kollege mich auch schnell und ordentlich bedient.
Das entschädigt mich etwas für das Zwei-Klassen-System, das ich entdecke. Ein Teil des Strandes mit hübschem Baumbestand ist abgeteilt, ansonsten die gleichen Liegen. Aber die Gäste dort werden von Kellnern mit Getränken versorgt. Es ist der Versuch, über "All inklusive" hinaus noch ein exklusiveres Angebot zu machen: der Diamond Club als Teil der Blue Diamond Resorts. Die Vorteile sind nicht groß, aber der Unterschied wird deutlich gezeigt – durch den Strandabschnitt; Frühstücken im italienischen Restaurant dürfen nur Mitglieder des Diamond Clubs; in der Lobby gibt es einen Raum mit Service für sie, den andere Gäste nicht haben; an den Bars gibt es teure Getränke, die die anderen nicht bekommen. Das ist nicht das Kuba, wie ich es kenne.
Zum Glück hat es noch nicht auf alle kubanischen Angestellten abgefärbt. Sie sind sehr freundlich und aufmerksam zu allen Gästen. Der Kellner bringt mir morgens den Cappuccino mit den Worten "Enjoy" – genieße es. Sie wissen, dass die ganze Gegend von dem Hotel lebt. Ob es die Animateure sind oder die Leute vom Spa. Sie leben in der Nähe, viele in einem kleinen Ort an der Küste, wo es viele Fischerboote gibt.
Etwas weiter entfernt neben dem Hotel gibt es zwei Feriencamps, campismos mit kleinen Häuschen und touristischen Einrichtungen für Kubaner. Aber sie sind noch nicht wieder richtig in Betrieb. Dort treffe ich Antonia und sage ihr zu, ihr am Tag meiner Abreise alles zu geben, was ich nicht mitnehme. Und tatsächlich, an dem Tag kommt sie mit Pferd und Kutsche.
Fazit: Mit der Pandemie und der verschärften Blockade hat sich auch der Tourismus auf Kuba verändert.
Nicht verändert hat sich die Notwendigkeit für Kuba, dass durch den Tourismus Menschen in Kuba Arbeit haben und Mittel für soziale Leistungen ins Land kommen. Urlaub in Kuba ist also auch ein Schritt zur Überwindung der US-Blockade.
Brigitte Schiffler
CUBA LIBRE 3-2022