Die US-Blockade ins Leere laufen lassen

60 Jahre Wirtschaftskrieg gegen Kuba.

Helms-Burton
In diesem Jahr tritt ins siebte Jahrzehnt ein, was im Februar 1962 von US-Präsident Kennedy mit "Embargo on all trade with Cuba" seinen Anfang genommen hat: Eine Wirtschaftsblockade gegen ein kleines Land, dessen "Schuld" alleine darin besteht, seinen eigenen Weg unabhängig zu gehen. Diese ungerechte und zynische Gewaltmaßnahme wurde beständig erweitert und wuchs sich aus zu einem monströsen Gespinst von Gesetzestexten, Verboten und Sanktionen.

Dies alles, um einen egalitären Gesellschaftsentwurf zu zerstören und das Land erneut zu unterwerfen; "… das Wirtschaftsleben Kubas zu schwächen, und Hunger, Verzweiflung und Sturz der Regierung herbeizuführen", wie es in einem US-Memorandum schon 1960 als Ziel formuliert wurde. Die britische Ökonomin Helen Yaffe bezeichnet die Blockade als "längste und umfassendste Ansammlung von Zwangsmitteln in der modernen Geschichte. Sie ist nicht lediglich ein juristischer oder zwischenstaatlicher Streitfall, wie ihre Befürworter behaupten. Sie ist ein Schlüsselelement der USA in ihrem Bestreben, einen gesellschaftlichen Umsturz auf der Insel voranzutreiben. Sie ist eine Kriegshandlung, eine Verletzung der Menschenrechte, die dazu geschaffen wurde, die Entwicklung Kubas zu vereiteln, sein Beispiel als revolutionäre Alternative zu untergraben und der kubanischen Bevölkerung gezielt Entbehrungen zuzufügen."

Da durch diese Angriffe das Ziel der USA nicht erreicht wurde, fügten diese beständig neue Schikanen hinzu, welche zunehmend auch Drittländer in diese schändliche Politik hineinzogen und diese bei Weigerung ebenfalls mit Zwangsmaßnahmen bedrohen. Eine vollständige Auflistung würde hier den Rahmen sprengen. Einige wichtige Etappen: Das Toricelli-Gesetz von 1992, also auch schon seit 30 Jahren in Kraft, sollte Kuba nach dem Zusammenbruch seiner osteuropäischen Verbündeten endgültig in die Knie zwingen: Es verbietet Filialen von US-Firmen in Drittländern den Handel mit Kuba. Darüber hinaus untersagt es Schiffen unter der Flagge anderer Staaten, welche kubanische Häfen anfahren, anschließend für sechs Monate in den USA anzulanden.

1996 erfolgte mit dem Helms-Burton-Gesetz eine massive Ausweitung der exterritorialen Reichweite der Blockade durch Sanktionen gegen ausländische Firmen, die Geschäfte mit ehemaligem enteigneten US-Besitz tätigen. Da die USA große Teile der kubanischen Wirtschaft vor 1959 kontrollierten und viel Land im Besitz von US-Bürgern war, hat dieses Gesetz potentiell enorme Auswirkungen. Ehemalige Besitzer können Klagen in den USA einreichen, die dann heftige Schadenersatzforderungen an diese Firmen oder Personen aus Drittländern nach sich ziehen. Lange Zeit wurde dieses Gesetz nicht voll angewendet, um Konflikte mit anderen westlichen Ländern zu vermeiden. Doch seit 2019 ist es in Kraft gesetzt. Kuba soll zu einem weißen Fleck auf der Karte internationaler Handels- und Wirtschaftsbeziehungen gemacht werden. Die Möglichkeit, dass ein US-Präsident die Blockade aufheben könnte, liegt bereits weit jenseits der diesem Amt eingeräumten Kompetenzen.

Eine Vielzahl sogenannter flankierender Maßnahmen durch die USA kommt je nach der bestehenden politischen Konjunktur hinzu: Beschränkungen von Reisemöglichkeiten und familiärem Austausch, von Postverkehr und Information bis hin zu verdeckten Anschlägen. Hinzu kommen widerliche Verleumdungskampagnen, wie in den letzten Jahren die gegen die solidarische medizinische Hilfe, die kubanische Ärztinnen und Ärzte in vielen armen Ländern erbringen. Diese Fachkräfte, die ausnahmslos Freiwillige sind und von Kuba angemessen bezahlt werden, wurden als "Sklaven" oder verkappte Spione bezeichnet, welche dem "Regime" in Kuba durch diesen "Menschenhandel" angeblich Profite ermöglichen. Die Einnahmen aus diesem humanitären Internationalismus, der für die ärmsten der begünstigten Länder oft sogar kostenlos erfolgt, werden tatsächlich in die Weiterführung dieser Missionen, in das kubanische Gesundheitswesen und in die medizinische Forschung investiert. Länder, die Kubas Dienste annehmen und oft keine medizinische Versorgung für ihre Bevölkerung bereitstellen können, werden unter Druck gesetzt, dies zu unterlassen. Zusätzlich wird versucht, die gut ausgebildeten kubanischen Fachkräfte im Ausland abzuwerben und mit Versprechungen in die USA zu locken.

Von deutschen sogenannten "Leit-" oder "Qualitätsmedien" sind in diesen 60 Jahren keine Fotos oder Filmaufnahmen von weinenden Müttern und halbverhungerten Kindern aus Kuba gezeigt worden. Es ist ja nicht so, dass diese Sorte von Propagandisten dies nicht gerne getan hätte – tritt sie doch jedes kleinere oder größere Problem in Kuba breit wie alten Quark und erstellt ein völliges Zerrbild der Realität. Doch solche Bilder existieren nicht. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Bedingungen hat sich in Kuba die Kraft einer egalitären Gesellschaft entfaltet: Sie hat für alle Menschen ein Leben in Würde möglich gemacht, mit erstklassiger medizinischer Versorgung, mit Kinderkrippen, Förderschulen und allgemeiner Bildung und Weiterbildung, mit einem abgesicherten Lebensabend für die Alten und einer Fülle von kultureller Entfaltung. Dies alles und mehr hat die Blockade nicht verhindern können, auch wenn ohne sie sehr viel mehr möglich gewesen wäre: Die Schäden für Kuba belaufen sich seit Beginn der Blockade auf über 150 Milliarden US-Dollar, für ein so kleines Land eine gigantische Summe.

Das wirft die Frage auf, was eine solche Politik aus denjenigen macht, welche diese niederträchtigen Dinge ersinnen und durchführen. Die USA sind eine Gesellschaft, die als führende kapitalistische Weltmacht durchdrungen ist von der Vergötterung des Geldes und des Marktes, geprägt durch Klassengegensätze und Rassismus, erbarmungslose Konkurrenz, hasserfülltem Misstrauen und extremem Individualismus. Hinzu kommt ein quasi religiöses Sendungsbewusstsein sowie Vernichtungswille und nicht endender Rachedurst gegenüber allem, was ihrem "Way of life" nicht folgen kann oder will, sich von ihm abwendet, ihn in Frage stellt oder alternative Lebensweisen erproben will. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass in den USA viele Menschen selbst Opfer dieses unmenschlichen Systems sind. Und auch dort gibt es eine Solidaritätsbewegung mit Kuba und immer wieder werden durch Teile der Zivilgesellschaft Versuche unternommen, die Blockade abzumildern, in Frage zu stellen oder zu durchbrechen.

Die durch die Blockadepolitik von Einzelpersonen, Firmen und Banken erzwungenen Strafgelder in Bezug auf Kuba, welche in einem halben Jahr die Milliardengrenze bereits überschreiten, sind nicht nur Instrument politischer Einhegung, sondern auch zu einer Einnahmequelle für die USA geworden – und Kuba ist ja nicht das einzige Land, das wirtschaftlich stranguliert wird. Das moderne Raubrittertum verselbständigt sich. Der über sechs Jahrzehnte aufgebürstete Gesetzesfilz könnte nur durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens in den USA beendet werden. Da ein solcher nicht in Sicht ist, ist mit einem baldigen Ende dieses Wirtschaftskrieges nicht zu rechnen.

Die Blockade bleibt ein Stück weit unsichtbar, weil sozialistische Verteilungspolitik und der Selbstbehauptungswille der Menschen in Kuba ihre Auswirkungen teilweise ausbremsen. Doch sie bleibt ein Verbrechen, mit dessen Existenz wir uns niemals abfinden dürfen und das es auf allen Ebenen sichtbar zu machen und zu bekämpfen gilt. Dabei wissen wir die große Mehrheit der Menschheit auf unserer Seite: Die jährliche Abstimmung in der UN über die Forderung ihrer Beendigung zeigt dies eindrucksvoll. Länder wie z. B. China, Russland, Indien, Vietnam, Südafrika oder Venezuela nehmen ungern Befehle aus den USA entgegen, treiben weiter Handel und sind solidarisch mit Kuba. Erst kürzlich spendete Russland fast 20.000 Tonnen Weizen im Wert von über sechs Millionen Dollar. Die kubanische Regierung wies trotz der gegenwärtigen Knappheit sofort an, dass sie nicht in den allgemeinen Handel kommen, sondern an spezielle Schulen, Krankenhäuser und an Einrichtungen gehen, die wichtige soziale Dienste leisten. Dies genau ist die Haltung, welche die Blockade ins Leere laufen lässt. Leisten wir durch unsere Solidarität einen Beitrag!

CUBA LIBRE Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 3-2022