Zu den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nicaragua am 7. November 2021.
Wahlbegleiter – das war unsere offizielle Bezeichnung, als wir die Wahlen zum Parlament und Präsidentenamt in Nicaragua im November 2021 hautnah miterleben durften.
Der Grund für diese recht liebevolle Bezeichnung war, dass sowohl die USA als auch die EU im Vorfeld der Wahlen von Nicaragua gefordert hatten, Wahlbeobachter beider Institutionen zu den Wahlen ins Land zu lassen, ansonsten würden sie die Wahlen und ihr Ergebnis nicht anerkennen. Daniel Ortegas Antwort darauf war klar und deutlich: "Die Herrschaften sollen sich ein für allemal darüber klar werden, dass sie in Nicaragua keine Kolonialherren mehr sind, sich aber immer noch genau so verhalten. Lange genug haben sie über unsere Köpfe hinweg entschieden, unsere Reichtümer ausgeplündert und unsere Kultur zerstört.
Nicaragua ist jetzt ein freies Land und kann und wird eigenständig freie und souveräne Wahlen zu denjenigen Gremien durchführen, die unser Land in den nächsten Jahren repräsentieren und regieren werden. Die Kolonialisten werden niemanden hierher senden, wozu auch: Um falsche Tatsachen von hier aus zu berichten, sollen wir ihnen auch noch die Bühne dafür bieten, wenn sie Fekalienkübel über uns ausschütten? Nein, das werden wir nicht tun. Wir haben dafür lieber eigenständig Menschen aus aller Welt eingeladen, die ein wirkliches Interesse an unserem Land und seiner Entwicklung haben, uns bei diesen freien und souveränen Wahlen zu begleiten. Dabei können sie sich einen Eindruck verschaffen, wie das mündige nicaraguanische Volk seine Wahlen organisiert und durchführt." Das war die Prämisse und ich hatte das Glück, zu denjenigen zu gehören, die eingeladen wurden. Tatsächlich liegt mir Nicaragua und seine Entwicklung sehr am Herzen und ich war stolz und gespannt zugleich. Lange Jahre war ich nicht mehr im Lande Sandinos gewesen und nahm deswegen alle Eindrücke, von der Landung am Flughafen angefangen, wie ein trockener Schwamm in mich auf. Schon auf der Fahrt zu unserer Unterkunft fiel mir der gute Zustand der Straßen und der relativ moderne Wagenpark auf, was auf einen bescheidenen Wohlstand schließen lässt. Hugo Chávez in Großformat begrüßte uns Ankömmlinge von der Mitte eines großen Kreisverkehrs aus, was wiederum auf konkrete politische Rahmenbedingungen schließen lässt.
Nach offizieller Begrüßung und Akkreditierung durch die oberste Wahlbehörde CSE, bekamen wir verschiedene Vorträge zu hören, die uns einen Überblick über die wirtschaftliche wie auch politische Situation in Nicaragua verschafften. Interessant daran war, dass die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt recht positiv verläuft, dass aber die Schäden für die Wirtschaft, die durch den 2018 versuchten Putschversuch entstanden sind, weitaus höher sind als die, die durch die Covid19-Pandemie verursacht wurden. Das flächendeckende kostenfreie Bildungsangebot und die enormen Fortschritte im strukturellen Ausbau des Gesundheitssystems, worüber hierzulande so gut wie nie in den bürgerlichen Medien berichtet wird, waren sehr beeindruckend für uns.
Am Wahltag selber konnten wir vor Ort in den verschiedenen Wahlzentren und Wahllokalen den Verlauf der Wahlen verfolgen. Dazu wurden die insgesamt 320 Wahlbegleiter aus 27 Ländern in verschiedene Gruppen eingeteilt, die sich dann in die Regionen und Bezirke begaben, um dort das Geschehen rund um die Wahlen hautnah miterleben zu können.
Die Gruppe, in der ich zusammen mit Wahlbegleitern aus dem Baskenland, Spanien, Frankreich und Italien war, fuhr nach Estelí, eine Stadt im Norden Nicaraguas. Wir besuchten dort verschiedene Wahlzentren und Wahllokale, sprachen mit den Wahlberechtigten und Personen, die die Wahl durchführten. Es gab diesbezüglich keinerlei Vorschriften oder Auflagen. Die Organisation des Ganzen war beeindruckend strukturiert und effizient, vor allem wenn man dies mit einigen Berliner Wahllokalen vom 26. September 2021 bei Bundestags- und Senatswahl vergleicht, in denen es teilweise zu chaotischen Szenen kam.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass die Wahlen in Nicaragua in einer sehr ruhigen und disziplinierten Atmosphäre verliefen. Nirgendwo gab es Aufregung oder irgendwelche Unruhen, wie man dies vielleicht anhand des im Vorfeld durch die deutschen "Qualitätsmedien" vermittelten Bildes einer zutiefst gespaltenen und aufgebrachten Gesellschaft hätte vermuten können. Hiesige Radiosender, Printmedien und leider auch die Stiftung, die sich den Namen Rosa Luxemburg zu eigen gemacht hat, wurden nicht müde zu berichten, in Nicaragua würden Wahlen ohne jegliche Opposition stattfinden – was absolute Falschmeldungen waren. 15 Parteien oder Wählergemeinschaften nahmen an den Wahlen teil, einige davon hatten sich in Wahlbündnissen zusammengeschlossen, um ihre Chancen zu verbessern. Die Wahlzettel in den Wahllokalen waren ein übersichtlicher Beweis dafür. Die FSLN und Daniel Ortega gingen erwartungsgemäß als haushohe Sieger aus den Wahlen hervor, was den Rückhalt der Sandinisten in der nicaraguanischen Bevölkerung eindrucksvoll verdeutlicht. Kein Wunder, ist doch die gesamte Politik des Präsidenten Ortega wie auch der Regierung darauf ausgerichtet, die ständige Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen im Visier zu haben. Das kommt bei den Menschen an, sie spüren die Verbesserungen direkt. Seit 2007 wurden in Nicaragua 21 neue Krankenhäuser gebaut und das dementsprechende Personal teils mit Unterstützung des sozialistischen Kubas ausgebildet.
Die Projekte der ALBA-Gemeinschaft helfen dabei, die Wohnsituation der Leute zu verbessern, und das Stromnetz ist jetzt landesweit ausgebaut. All das sind Dinge, die sichtbar sind und die den Erfolg der FSLN erklären. Um mit dem sandinistischen Radiosender Radio la Primerisima zu sprechen: "¿Quien vive en Nicaragua? ... Gente que no vende patria !" – "Wer lebt in Nicaragua? … Menschen, die ihre Heimat nicht verkaufen!"
Stefan Natke
CUBA LIBRE 2-2022