Ein kuba-solidarischer Reisebericht aus Ligurien.
Kuba hat Freundinnen und Freunde in aller Welt, auch in allen Teilen Europas. Italien, Ziel meines Herbsturlaubs, sticht in der Sympathie für Kuba aus drei Gründen noch einmal hervor.
Zum Ersten scheint die Partisanentradition es einfacher zu machen, mit einer Revolution zu sympathisieren, die damit begann, dass bewaffnete junge Menschen in die Berge gingen. Zum Zweiten hat es insbesondere in der Region Ligurien einen langen kulturellen Austausch mit Kuba gegeben; So lebte beispielsweise der einflussreiche kubanische Künstler Wilfredo Lam eine Zeitlang in Albisola Marina, wo Freunde von mir wohnen. Zum Dritten haben die Beziehungen zwischen Italien und Kuba durch die Corona-Pandemie und den daraufhin erfolgten Einsatz einer kubanischen Medizinerbrigade eine besondere Bedeutung bekommen.
Meine Freundschaften nach Ligurien habe ich gewissermaßen auch Kuba zu verdanken, denn sie begannen vor einigen Jahren mit der Einladung zu einer Solidaritätsveranstaltung, in deren Rahmen ich einen meiner Dokumentarfilme vorführen durfte. Seither besuchen meine ligurischen Freunde und ich uns jeweils mindestens einmal im Jahr. Und so hatten wir im Oktober in einer vierköpfigen Reisegruppe das Privileg, für ein paar Tage die ligurische Gastfreundschaft zu genießen.
Unsere Freunde führten uns an historische Stätten wie den kleinen Ort Alto im Piermont, wo 1944 der junge Arzt und Partisanenführer Felice Cascione ermordet worden war. Dort wurde uns klar, dass Italien (wie Deutschland auch) durch die Erfahrung des Faschismus geprägt ist, auch wenn die Schlussfolgerungen aus dieser Erfahrung sehr unterschiedlich sind. Die Kapelle, in der Felice Casciones Leichnam aufgebahrt wurde, ist bis heute ein Gedenkort. Wir waren sehr beeindruckt, anhand der in der Kapelle ausgestellten Kinderbilder zu sehen, wie tief der Antifaschismus in den Wertevorstellungen der ligurischen Jugend verwurzelt ist. Ansonsten ist Italien ein zerrissenes Land; Wenige Tage vor unserem Eintreffen hatten Faschisten aus einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen heraus ein Gewerkschaftshaus in Rom angegriffen. Während unseres Aufenthalts demonstrierten wiederum Hunderttausend Menschen in Rom gegen diesen Angriff.
Am Tag darauf besuchten wir die Grabstätte von Fabio di Celmo, einem jungen Italiener, der 1994 während eines Kuba-Aufenthaltes Opfer eines Bombenanschlags geworden war.
Verübt hatten ihn rechtsterroristische Gruppen aus Miami. Als wir für einen bewegenden Moment an diesem Ort innehielten, wurde uns bewusst, dass die Kräfte, die Fabio di Celmo seine Jugend und sein Leben geraubt hatten, verwandt sind mit den Faschisten, die Felice Cascione umgebracht haben.
Was Solidarität mit Kuba in Italien bedeutet, wurde uns auf einer Veranstaltung in Genua klar. Dort stellte der kubanische Journalist und Intellektuelle Enrique Ubieta sein Buch über den Einsatz der kubanischen Ärzte in Turin vor. Die Dankbarkeit und Begeisterung der Anwesenden für ihren lebensrettenden Einsatz, für den Kuba keinen Cent verlangt hat, war deutlich spürbar.
All diese Eindrücke machten es leichter, am 20. Oktober auf einer Veranstaltung anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung der Freundschaftsgesellschaft Italia-Cuba zu sprechen. Im Namen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e. V. überbrachten wir solidarische Glückwünsche an den Circulo Celle Ligure der Asociazione Italia-Cuba, der die Veranstaltung ausrichtete. 1961, das Jahr der Ausrufung des sozialistischen Charakters der Revolution, ist ein früher Zeitpunkt für die Gründung einer Vereinigung zur Solidarität mit Kuba. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr 1961 gerade erst der sozialistische Charakter der Kubanischen Revolution ausgerufen worden war. Dies gilt erst recht aus der Perspektive unserer Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, die ja erst später, nämlich 1973, ihre Arbeit aufnahm. Aber es ist uns während unseres Aufenthaltes auch klarer geworden, wie es zu erklären ist, dass die Freundinnen und Freunde in Italien seit nunmehr über 60 Jahren an der Seite des sozialistischen Kubas stehen.
Ein Grund liegt sicherlich in der ausgeprägten antifaschistischen (Partisanen-) Traditionen Italiens. Viele Menschen in Italien haben noch sehr präsent, welche katastrophalen Folgen es für ein Volk haben kann, den Kampf gegen den Faschismus zu verlieren. So ist die Hinwendung für die sozialistische Insel nachvollziehbar, die sich dem Vernichtungswillen des US-Imperialismus und seiner Verbündeten ausgesetzt sieht. Der Antifaschismus und die Solidarität mit Kuba sind in Italien miteinander verwoben. Das war eine der Lehren, die wir aus unseren Urlaub in Ligurien mitnehmen konnten.
Tobias Kriele
CUBA LIBRE 1-2022