Einige Anmerkungen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage in Kuba.
Der kubanische Ministerrat (Consejo de Ministros) tagt regelmäßig zwischen den Sitzungen der Nationalversammlung (Asamblea Nacional). Er besteht aus 31 Mitgliedern und kann, unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Nationalversammlung, Gesetze erlassen.
Alle Macht, die in Kuba ausgeübt wird, wird durch das Volk ausgeübt, mit der Beteiligung des Volkes, um die Probleme der Gesellschaft zu lösen, betonte Díaz-Canel auf der letzten Ministerratstagung. |
Während seiner Sitzung im Juni hat dieser unter anderem die aktuelle Lage der kubanischen Wirtschaft diskutiert und ein Gesetz zur Gründung von Kleinst-, Kleinunternehmen und mittleren Unternehmen verabschiedet.
Zur aktuellem wirtschaftlichen Lage
Im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Lage einige Zahlen in diesem Zusammenhang:
Wie den Leserinnen und Lesern der Cuba Libre bekannt ist, verzeichnete die kubanische Wirtschaft im Jahr 2020 einen Rückgang von knapp 11 Prozent. Zwei Prozent betrug der Rückgang in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres. Somit hat sich der Rückgang zumindest verlangsamt und für die verbleibenden sechs Monate wird mit einem Wachstum von sechs Prozent geplant. Bis Ende 2022 soll der wirtschaftliche Rückgang seit 2020 wieder aufgeholt werden.
Auf der Sitzung wurde auch der Abschluss des Haushaltsjahres 2020 thematisiert. Das staatliche Haushaltsdefizit hat sich erhöht und beläuft sich auf ca. 18,9 Mrd. Peso.
Hier ist allerdings bemerkenswert, dass allein die Ausgaben im sozialen Bereich und im öffentlichen Dienst rund 70 Prozent ausmachten. Davon wurden allein für das Gesundheits- und Bildungswesen knapp 50 Prozent (rund 6,6 Mrd. Peso) aufgewendet. Dies ist insbesondere der Erhöhung der Ausgaben im Bereich der öffentlichen Gesundheit im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschuldet.
Die Ergebnisse in der Landwirtschaft, hier auch in der Produktion von Grundnahrungsmitteln, bleiben leider unter dem Plan – was logischerweise Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung hat.
Einen Anteil an diesem Rückgang hat auch das Ergebnis der Zuckerrohrernte, welche mit einem ziemlich schlechten Ertrag abgeschlossen wurde. Um hier einen grundlegenden Richtungswechsel einzuleiten, wurde eine Arbeitsgruppe des Ministerrates geschaffen, an der auch Fachleute und Spezialisten beteiligt sein werden.
Beim Außenhandel wurde im Vergleich zu 2020 eine deutliche Zunahme des Warenexports erreicht. Der Export von Dienstleitungen, hier die führenden medizinische Dienstleistungen und der Tourismus, ging insgesamt zurück. Zugelegt hat der Bereich der staatlichen Telekomunikation, gefolgt von klassischen Produkten wie: Tabak, Nickel, Honig, Rum und so weiter.
Die im vergangenen Jahr eingeführten Möglichkeiten des Exports im Privatsektor haben sich positiv entwickelt.
Nach Aussagen des Wirtschaftsministers sind die ausländischen Investitionen, insbesondere auf Grund des Drucks von Seiten der amerikanischen Regierung im Rahmen der Blockade, geringer ausgefallen als im ersten Halbjahr 2020.
Zur Erinnerung: Keine von den über 240 Maßnahmen zur Verschärfung der US-amerikanischen Wirtschafts- Handels- und Finanzblockade, die unter der Administration von Donald Trump eingeführt wurden, sind bis heute unter der Präsidentschaft von Josef Biden zurückgenommen worden. Deshalb kann der amtierende US-Präsident, zumindest was die Kuba-Politik unter seiner Verantwortung angeht, auch als ein Anhänger von Donald Trump bezeichnet werden.
Alejandro Gil Fernández, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft und Planung: "Der Weg zur Lösung liegt in der produktiven Erholung, in der Fähigkeit, mehr Waren und Dienstleistungen zu produzieren, in der Fähigkeit, mit größerer Dynamik in diese Phase der schrittweisen Erholung der Wirtschaft einzutreten". |
Zur Zulassung weiterer Unternehmensrechtsformen
Die neuen Rechtsformen von Unternehmen sind in etwa vergleichbar mit der uns bekannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Im Spanischen „Sociedad de responsabilidad limitada“ (SLR). Diese Rechtsform unterscheidet sich wesentlich von der Arbeit auf eigene Rechnung (Trabajo por cuenta propia – "Cuentapropistas").
Die Unternehmen/Betriebe werden in drei Kategorien unterteilt.
Ein bis unter zehn Beschäftigte = Kleinst- oder Mikrounternehmen (Microempresas)
Elf bis 35 Beschäftigte = Kleinunternehmen (Empresas pequenas)
36 bis 100 Beschäftigte = Mittlere Unternehmen (Empresas medianas)
Unabhängig von der Rechtsform und der Größe müssen Neugründungen angemeldet werden und sich in die territorialen Entwicklungsstrategien der Gemeinden einordnen, um Arbeitsplätze zu schaffen, zu produzieren und Dienstleistungen anzubieten. Auch in diesem Bereich geht es also um die planmäßige Entwicklung der Gesellschaft.
Schlüsselbereiche wie das Gesundheits- und Bildungswesen, Energieversorgung, Telekommunikation bleiben weiterhin ausgenommen. Ebenfalls nicht zugelassen werden solche Tätigkeiten, die von Selbständigen (Arbeit auf eigene Rechnung) ausgeübt werden können.
Es wird erwartet, dass auch diese neuen Unternehmen eine dynamische Rolle in der kubanischen Wirtschaft spielen werden.
Die nun beschlossenen Maßnahmen sind eingeordnet in den Prozess der Weiterverfolgung der Leitlinien, die vom VI. und VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas gebilligt und auf dem VIII. Parteitag ratifiziert wurden.
Es geht vor allem um die Verkleinerung des staatlichen Unternehmenssektors, also den Staat von solchen Aktivitäten zu entlasten, die nicht grundlegend für die wirtschaftliche Leistung sind.
"Wir benötigen einen staatlichen Sektor, der proaktiver und effizienter sein muss, der etwas von seiner Trägheit abschüttelt und innovativer ist. (…) Hier ist alles, was ineffizient, korrupt und illegal ist, alles, was eine Dynamik der Behinderung aufweist, und alles, was nicht innovativ und proaktiv ist, schädlich, egal ob staatlich oder nichtstaatlich", so Präsident Miguel Díaz Canel.
Mit der "Aufgabe Neuordnung" (Cuba Libre berichtete) wurde auch eine Grundlage für nun beschlossenen Maßnahmen gelegt.
Der Prozess der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes wird weiterhin bewusst geführt. Dabei werden alle Formen von Unternehmen einbezogen.
Die staatlichen Unternehmen in den strategischen Wirtschaftsbereichen werden auch in Zukunft die Basis der Wirtschaft bilden. Der Privatsektor soll aber seinen Anteil insgesamt ausweiten können.
Anmerkungen:
In der BRD gibt es keine einheitliche Definition für Klein- und Mittelgroße Unternehmen(KMU). Üblicherweise werden darunter Unternehmen mit bis 500 Beschäftigte zusammengefasst.
Gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) ist die Kategorisierung (durchschnittlich) wie folgt:
– Kleinstkapitalgesellschaften: bis 10 Beschäftigte im Jahr
– Kleine Kapitalgesellschaften: bis 50 Beschäftigte im Jahr
– Mittelgroße Kapitalgesellschaften: bis 250 Beschäftigte im Jahr
– Große Kapitalgesellschaften: mehr als 250 Beschäftigte im Jahr Diese Unternehmen bzw. die wirtschaftlichen Eigentümer werden gerne als Mittelständler bezeichnet. Historisch kommt dieser Begriff aus dem Feudalismus und bezeichnete eine Schicht (Stand) die zwischen dem (Hoch-) Adel (der hohe oder obere Stand) und dem gemeinen Volk/der Dienerschaft (der niedrige oder untere Stand) angesiedelt war.
Peter Knappe
CUBA LIBRE 4-2021