CUBA LIBRE will in dieser Rubrik aufzeigen, was die Konzernmedien verschweigen, Falschmeldungen enthüllen und Manipulationen aufdecken.
Rotation. Foto: Wiljo Heinen |
Für bürgerliche Medien ist die Freiheit von Kunst und Kultur eine heilige Kuh. Zumindest, wenn es sich um die kulturellen Freiheiten selbsternannter und vom Ausland finanzierter "Künstler" in Kuba handelt. Werden jedoch weltbekannte kubanische Musiker in den USA politisch verfolgt, denunziert, mit Auftrittsverboten belegt und der Zerstörung ihrer beruflichen Karriere bedroht, erfahren Leser und Zuschauer der großen deutschsprachigen Medien nichts darüber.
Die Freiheit der Künstler in Miami
So war es etwa kein Thema, als in Miami ein für den 18. März 2021 geplantes Konzert des bekannten kubanischen Sängers, Songwriters und Schlagzeugers Yulien Oviedo abgesetzt wurde. Sein einziges "Vergehen": Er hatte sich geweigert, Kuba als "Diktatur" zu bezeichnen. Der stramm antikommunistische "Influencer" Alex Otaola, Unterstützer einer sich "San-Isidro-Bewegung" nennenden "Künstlergruppe" in Kuba, hatte die Veranstalter mit einer Verleumdungskampagne genötigt, den Auftritt Oviedos abzusagen. Oviedo, so der Contra-Moderator, sei "ein kubanischer Künstler, der nicht weiß, dass in Kuba eine Diktatur herrscht".
Ähnlichen Angriffen war im Oktober 2020 der als Paulito FG bekannte Salsa-Musiker Pablo Alfonso Fernández Gallo ausgesetzt, der nach dem Tod seines Bruders in die USA gereist war und wegen der Covid-19-Pandemie zeitweise nicht nach Havanna zurückkehren konnte. "Ich habe mit dem Bürgermeister von Miami, Francis Suarez, gesprochen und ihn aufgefordert, Paulo FG zur Persona non grata der Stadt Miami zu erklären", verkündete Otaola am 14. Oktober. Suarez erklärte kurz darauf, dass "Künstler wie Paulo FG, die sich für das Regime Kubas aussprechen, in der Stadt Miami nicht geduldet werden". Ein Jahr zuvor hatte der Trump-Anhänger schon die als "Diva del Son" international gefeierte Interpretin Haila María Mompié zur "Persona non grata" erklärt und den Club "Studio 60" gezwungen, ein geplantes Konzert abzusagen. Deutschsprachige Medien, einschließlich der von Wikipedia irrtümlich als "grün-links, linksalternativ und systemkritisch" bezeichneten "taz", die in den vergangenen Wochen mehrfach gegen die angebliche Einschränkung künstlerischer Freiheiten in Kuba polemisiert hatte, berichteten mit keiner Zeile darüber. Dies sind keine Einzelfälle: Nach dem Auftritt des kolumbianischen Rocksängers Juanes bei dem Gratiskonzert "Frieden ohne Grenzen" vor einer Million Zuhörern am 20. September 2009 in Havanna wurde dessen in Miami lebende Familie von Contras mit dem Tod bedroht und CDs mit seinen Liedern zertrümmert.
TAZ im Querdenker-Modus
Während Juanes – wie Haila María Mompié und auch Paulito FG – vor rechten Politikern und Contras nicht in die Knie ging und sich 2010 für die Freilassung der "Cuban Five" eingesetzt hatte, hielten die kubanischen Musiker des Duos Gente de Zona und Descemer Bueno dem Druck nicht stand. Als Reaktion auf eine von Alex Otaola initiierte Kampagne, ihnen ihre Green Cards und die Berechtigung zum Daueraufenthalt in den USA zu entziehen, hatte Bürgermeister Francis Suarez einen Auftritt von Gente de Zona zum Jahresende 2019 wegen deren "Nähe zum Regime" verhindert. Auch Descemer Bueno wurde zur Zielscheibe, weil er Kubas medizinischen Hilfseinsätze lobte und die US-Blockade verurteilte. Otaola und Suarez gelang es, seine Auftritte in Miami zu verhindern und seine Karriere, wie die von Gente de Zona, zu zerstören. Erst als sie vor den Rechten zu Kreuze krochen und sich dazu hergaben, die kubanische Regierung öffentlich anzugreifen, konnten sie wieder ungehindert in den USA auftreten. Sie beteiligten sich an dem in Miami produzierten antikubanischen Popsong "Patria y Vida" wie auch der erfolglose San-Isidro-Rapper Maykel Osorbo, der die US-Regierung zur Invasion Kubas aufgefordert hatte und das Lied als "Kriegshymne" bezeichnete. Während Kubas Bevölkerung unter den Folgen der Coronapandemie und der US-Blockade leidet, spötteln die Musiker in diesem Song, dass die Kubaner es jetzt "eilig haben, Che Guevara und Martí gegen Devisen einzutauschen". Die "taz" feierte den Contra-Song am 21. Februar als "eine Hymne der Hoffnung".
Peinlich für die "taz" und die Contras ist nur, dass der von ihnen als "scharfe Kritik am Regime" bezeichnete Songtitel "Patria y Vida" aus einer Rede Fidel Castros vor Pionieren in Havanna vom 23. Dezember 1999 stammt.
Volker Hermsdorf
CUBA LIBRE 3-2021