"Das sozialistische Kuba steht unter den lateinamerikanischen Ländern Jahr für Jahr ganz hinten auf der Rangliste der Pressefreiheit", heißt es mal wieder im aktuellen Länderbericht der Organisation "Reporter ohne Grenzen". Das ist für sich genommen schon eine Frechheit. Andere Länder des Kontinents, in denen Jahr für Jahr Journalistinnen und Journalisten ermordet werden – etwa Mexiko, Brasilien oder Kolumbien –, werden von ROG besser bewertet als die von den USA blockierte und angegriffene Insel. Während Kuba von der Organisation in ihrer "Rangliste der Pressefreiheit" auf Platz 171 geführt wird, sieht man Deutschland auf Platz 13. Für die Berliner Republik bemängelt man vor allem, dass "die schrumpfende Pressevielfalt eine latente Bedrohung" sei.
Wenig überraschend verliert die einst von dem französischen Neofaschisten Robert Ménard mitbegründete und geführte Organisation kein Wort darüber, wenn in Deutschland der Geheimdienst auf eine Zeitung angesetzt wird. Dass dies die einzige Tageszeitung trifft, die sich ohne Wenn und Aber solidarisch auf die Seite Kubas stellt, ist vermutlich kein Zufall.
Aus Anlass des "Tages der Pressefreiheit" diskutierte der Bundestag Anfang Mai die Lage der Medien in Deutschland. Die Linksfraktion hatte diesen Anlass genutzt, um per Anfrage Auskunft über die Überwachung der Tageszeitung "junge Welt" durch den Verfassungsschutz zu verlangen. Die Antwort der Bundesregierung hat es in sich. Ganz offen schreibt man, dass es die Bundesregierung angesichts des großen Adressatenkreises der "jW" als Problem ansehe, dass sich die Zeitung als marxistisch versteht. Denn, so heißt es wörtlich in der Antwort: "Beispielsweise widerspricht die Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit der Garantie der Menschenwürde." Wer feststellt, dass es in der kapitalistischen Bundesrepublik Klassen gibt, degradiert nach Meinung der Bundesregierung nämlich Menschen zum "bloßen Objekt" oder ordnet sie einem Kollektiv unter.
Das wäre lachhaft, wenn es nicht die offizielle Position der in Deutschland Regierenden wäre. An dieser Bundesregierung ist übrigens auch noch eine gewisse SPD beteiligt, die in ihrem nach wie vor gültigen Grundsatzprogramm auch die "marxistische Gesellschaftsanalyse" als eine ihrer Wurzeln benennt. In diesem "Hamburger Programm" heißt es auch: "Der globale Kapitalismus vertieft die Kluft zwischen Reich und Arm. Auch in unserer Gesellschaft verschärfen sich die sozialen Gegensätze." Überwacht der Verfassungsschutz demnächst auch die Sozialdemokratie?
Die "junge Welt" stellt sich in ihrer täglichen Arbeit auf die Seite der arbeitenden Menschen, der Ausgebeuteten, der Erwerbslosen, der Gewerkschaften – also auf die Seite derjenigen, die am eigenen Leib erfahren, dass es in Deutschland eben tatsächlich "produktionsorientierte Klassen" gibt. In der Bundesregierung kuschelt man derweil lieber mit den Spitzenmanagern von Lufthansa, VW und Deutscher Bank. Die sind von niemandem gewählt und können bei keiner Wahl abgewählt werden, haben in diesem Land aber mehr zu sagen als Millionen Menschen in den Fabriken, an den Supermarktkassen, in den Krankenhäusern, auf den Spargelfeldern. Wem das aber auffällt und wer diesen Klassenunterschied beim Namen nennt, der ist ein Fall für den Verfassungsschutz.
Das sozialistische Kuba hat demonstriert, dass eine Gesellschaft außerhalb der Profitlogik und der Herrschaft des Großkapitals möglich ist. Während die deutsche Bundesregierung sich in der NATO zu immer mehr Aufrüstung verpflichtet hat und die Bundeswehr Soldaten in aller Welt stationiert, entsendet Kuba Ärztinnen und Ärzte in alle Welt. Während sich die deutsche Bundesregierung international gegen die Aussetzung der Patente auf Corona-Impfstoffe engagiert, stellt Kuba die Erfolge seiner Wissenschaftler*innen den armen Ländern zu Verfügung. Wer garantiert also die Menschenwürde?
Unblock Cuba!
Unblock "junge Welt"!
Santiago Baez
CUBA LIBRE 3-2021