Zur Debatte über den Vorstandsbeschluss der LINKEN zu Kuba.
Ulla Jelpke |
"Solidarität mit Kuba" lautet ein Beschluss des Parteivorstandes der Linken vom 23. Januar 2021, der mit mehr als 90 Prozent der Voten angenommen wurde. DIE LINKE verurteilt darin die Verschärfung der US-Sanktionen gegen Kuba und die Listung der Insel als "Terrorstaat". Zudem drückt der Parteivorstand die Unterstützung der LINKEN für die Kampagne "Für ein Ende der Blockade gegen Kuba!" aus. Weiter heißt es in dem Vorstandsbeschluss zu recht, DIE LINKE verurteilt Versuche, die Regierung Kubas durch Regime Change-Aktivitäten aus dem Ausland zu stürzen.
Doch genau darauf läuft der letzte Absatz des Vorstandsbeschlusses raus. Denn dort heißt es scheinbar harmlos: "Für die LINKE gilt, Menschenrechte sind universell, sie gelten für jede und jeden – überall! Wir treten ein für eine Fortsetzung des Dialogs in Kuba mit kritischen Künstlerinnen und Künstlern sowie Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft".
Irritierend ist schon einmal die Arroganz, mit der der kubanischen Gesellschaft hier unterstellt wird, nicht demokratisch zu sein. Erinnert sei nur an die breite gesellschaftliche Debatte über eine neue kubanische Verfassung, zu der die Bevölkerung mit fast 800.000 Vorschlägen beitrug, aus denen sich schließlich 760 Änderungen des ursprünglichen Dokuments ergaben. Die Verfassung, in der Menschenrechte und der sozialistische Rechtsstaat verankert sind, wurde im Februar 2019 in einem Referendum von 86,8 Prozent der Abstimmenden angenommen. Dass diese Verfassung mit Leben gefüllt werden muss, dass es weiterhin bürokratische Hemmnisse und Fehlentwicklungen auch auf Kuba gibt, dass die sozialistische Demokratie weiter ausgebaut werden kann und muss, all das lässt sich jeden Tag in der Tageszeitung der kubanischen Kommunisten, der "Granma", nachlesen. Dafür brauchen die Kubanerinnen und Kubaner wahrlich keine Nachhilfe aus Europa.
Ein Kommentar von Matti Steinitz, einem Wissenschaftler am Center for InterAmerican Studies der Uni Bielefeld, in der einstmals als Neues Deutschland bekannten LINKEN-nahen Tageszeitung "nd - Der Tag" unter der bezeichnenden Überschrift "Ein guter Tabubruch" macht denn auch klar, wer die "kritischen Künstlerinnen und Künstler sowie Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft" sind, mit denen der Parteivorstand eine Fortsetzung des Dialogs auf Kuba einfordert. Es geht um die seit November 2020 laufenden Proteste einer sich Movimiento San Isidro (MSI) nennenden Gruppierung. Einige Anhänger dieser Gruppe, die von der Trump-Regierung ebenso unterstützt wurde wie von dem venezuelanischen Putschisten Juan Guaidó und der rechtsgerichteten Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, haben in sozialen Netzwerken die US-Regierung offen zu einer Invasion Kubas aufgerufen. Als "kritischer Künstler" im Sinne des LINKEN-Vorstandsbeschlusses gilt offenbar auch ein von Steinitz als "oppositioneller Rapper" bezeichneter, derzeit auf Kuba inhaftierter homophober Trump-Anhänger namens Denis Solís, der laut der kubanischen Behörden Kontakte zu terroristischen Gruppen in den USA unterhalten soll. Ob die Inhaftierung von Solís rechtsstaatlich zulässig und taktisch klug ist, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Dass ein Dialog mit einem von der US-Administration unterstützten rabiaten Antikommunisten für die kommunistische Regierung Kubas wenig Sinn macht, sollte dagegen offensichtlich sein.
Die kubanische Regierung ist durchaus um Dialog mit kritischen Künstlerinnen und Künstlern bemüht. Bereits am 27. November 2020 fand ein Gespräch einer Delegation protestierender Kulturschaffender mit Vizekultusminister Fernando Rojas statt, bei dem ein Dialog über Kulturpolitik und weitere Themen vereinbart wurden. Am 27.Januar 2021 – dem Geburtstag José Martís - hatten sich erneut kritische Künstler vor dem Kultusministerium versammelt. Kultusminister Alpidio Alonso bekräftigte seine Bereitschaft zum Dialog, doch dieser wurde durch anwesende regierungsfeindliche Aktivisten unter anderem aus dem MSI mit provokanten Handlungen, die vor allem auf medienwirksame Bilder für das Ausland abzielten, verhindert.
Der LINKE-Vorstandsbeschluss zu Kuba erweist sich angesichts dieser Hintergründe als Trojanisches Pferd des Antikommunismus im Gewand der Solidarität. Denn es ist nicht möglich, gleichzeitig solidarisch zu sein mit dem sozialistischen Kuba und denjenigen, die einer US-Invasion der Insel das Wort reden.
Eine solche Solidarität mit Kuba wäre in der Tat vergiftete Solidarität. Das erkannten auch die CIA-finanzierten kubanischen Kontras in Miami, die dem Beschluss umgehend applaudierten. So titelte der kubafeindliche Sender "Radio Televisión Martí" am 3. Februar: "Die deutsche Linke trifft eine historische Entscheidung: Sie unterstützt Kritiker des kubanischen kommunistischen Regimes".
Nach heftiger Kritik unter anderem von Cuba Si und der Kommunistischen Plattform sowie des Ältestenrates der Partei - aber auch von Gruppierungen der Kuba-Solidarität außerhalb der Partei wie dem Netzwerk Kuba und einem auch in einer Vielzahl von Leserbriefen an das ND deutlich geworden Unmut an der Parteibasis – ruderte der Parteivorstand zwei Wochen später zurück. Der Beschluss bedeute keinesfalls eine "Neuausrichtung der Kuba-Politik" der Linkspartei und es habe auch "keine Unterstützung der sog. San Isidro Bewegung, wie in einigen Medien kolportiert, gegeben". Vielmehr unterstütze die Linke den "mit der Verabschiedung der neuen Verfassung von 2019 ausgelösten breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozess zur weiteren demokratischen Entwicklung Kubas im Rahmen seines sozialistischen Gesellschaftssystems". Die Linke bleibe "solidarisch mit dem sozialistischen Kuba".
Sicherlich ist diese Klarstellung begrüßenswert. Doch sie hinterlässt einen faden Beigeschmack. Denn es handelte sich bei der Rezeption des Beschlusses mitnichten um ein Missverständnis oder eine mediale Fehlinterpretation. Das wird deutlich, wenn man sich den ursprünglichen Antragsentwurf durch die libertär-antikommunistische Parteiströmung Emanzipatorische Linke anschaut, in dem anders als im letztlich verabschiedeten Beschluss die antikommunistischen Kräfte, denen die Solidarität gelten soll, noch namentlich benannt werden. Dass vielen im Vorstand bei der Annahme des Beschlusses die benannten Hintergründe nicht bewusst waren, ist anzunehmen. Doch auch der Verdacht, dass es Einigen vor allem darum ging, gegenüber der olivgrünen Regimechange-Partei und der SPD Regierungsfähigkeit zu demonstrieren, steht weiterhin im Raum.
Es ist beschämend, dass der Parteivorstand seinen Irrtum nicht eingestehen will und stattdessen die Tageszeitung "Nd – Der Tag" zu ihrem Watschenmann macht, wie es die junge Welt treffend kommentierte. Umso wichtiger erscheint es jetzt, dem Beschluss – in seiner Neuinterpretation durch den Parteivorstand – auch Taten folgen zu lassen und mit aller Kraft die Kampagne Unblock Cuba zur Beendigung des jahrzehntelangen Wirtschaftskrieges gegen die sozialistische Insel zu unterstützen.