Trotz Blockade konnte in Kuba der Impfstoff "Soberana 2" gegen SARS-COV-2 entwickelt werden |
Die Regierungen von Kuba und Venezuela werden bei der Herstellung kubanischer Impfstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zusammenarbeiten, so die letzte Meldung aus Kuba.
Kuba hat derzeit vier verschiedene Covid-19-Impfstoffe in klinischen Prüfungen: Soberana 01 und 02, entwickelt vom Finlay-Institut, der Universität von Havanna und dem CIM, dem Zentrum für molekulare Immunologie, wo u. a. auch Antikörper zur Krebstherapie entwickelt werden, sowie Mambisa (nasale Applikation) und Abdala, beide entwickelt vom Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie. Mit den letzten beiden Impfkandidaten hatte Kuba im Dezember 2020 vier von weltweit 52 Impfanwärtern in den von der WHO zugelassenen klinischen Prüfungen: Eine unglaubliche Leistung für das kleine von den USA massiv blockierte Land. Kuba ist damit das einzige Land Lateinamerikas und das einzige Entwicklungsland überhaupt, das bisher nicht nur einen, sondern gleich vier Impfstoffe entwickelt und produziert hat.
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Der konjugierte Impfstoff Soberana 02 gilt derzeit als aussichtsreichster Kandidat. (Anmerkung der Redaktion: Ein konjugierter Impfstoff ist einer, bei dem das Antigen an ein Eiweiß (Protein) gebunden vorliegt. Konjugierte Impfstoffe erzeugen eine stärkere und länger anhaltende Immunantwort als unkonjugierte Antigene.) Er hat zwar die gleiche Grundlage wie Soberana 01, aber eine länger dauernde Immunität durch die chemische Verbindung des Rezeptorantigens mit dem Tetanustoxoid, ähnlich wie man es beim Hämophilusimpfstoff B bereits 2004 erfolgreich umgesetzt hat und wie man es mit einem neuen Pneumokokkenvakzin plant. Die bekannten konjugierten Impfstoffe induzieren nicht nur ein langdauernde Immunität, sondern verhindern auch, dass sich die Erreger im Nasenrachenraum ansiedeln.
Soberana 02 soll in Kürze auch im Iran erprobt werden, wo das Coronavirus wesentlich stärker grassiert. Aktuell hat für Soberana 02 die zweite Testphase mit 900 Personen zwischen 19 und 80 Jahren in Kuba begonnen. In dieser Phase wird die Verträglichkeit und Effizienz der gewählten Dosis überprüft. Danach soll die dritte Studienphase mit 150.000 Risikopatienten gestartet werden, in der der Impfstoff gegen ein Placebo getestet wird. Alle kubanischen Impfstoffe enthalten nicht das lebende Virus, sondern nur Teile davon, das Spike Protein. Da es sich bei den kubanischen Impfsera nicht um mRNA-Vakzine handelt, ist auch keine besondere Kühlung notwendig – ideal für Kuba und andere tropische Nationen sowie für Entwicklungsländer generell. Auch für Deutschland wäre das eine erhebliche Erleichterung: Könnten doch dann auch die Hausärzte ihre Patienten vor Ort impfen und man bräuchte dann nicht diese teuren und bürokratischen Hilfskonstrukte wie die Impfzentren mit all ihren Problemen.
Wegen der zunehmenden Coronafälle diskutiert man in Kuba derzeit auch eine Notzulassung und einen vorzeitigen Impfbeginn, aber nur für den Fall, dass der mögliche Nutzen deutlich höher ist als die Risiken. Denn Kuba hatte am 31. Januar 2021 erstmalig mehr als 1.000 positiv getestete Patienten und damit etwa 50 Fälle auf 100.000 Einwohner in der letzten 7-Tagesbilanz, also eine heftige dritte Welle. Jetzt hat man mit einer deutlichen Reduktion des Flugverkehrs und der Isolierung von Einreisenden reagiert. Insgesamt hat Kuba bisher 27.592 Fälle zu verzeichnen und 216 Tote zu beklagen. Der Inselstaat liegt mit einer Sterblichkeit von unter 0,8% der positiv getesteten Fälle deutlich besser als die meisten Staaten dieser Welt. Die USA haben eine Quote von 1,6 Prozent, Großbritannien vom 2,7 Prozent, Deutschland von 2,6 Prozent. Das gute Abschneiden Kubas mag auch an den angewandten über 20 innovativen Medikamenten liegen, die das Land selbst entwickelt hat und einsetzt. Besonders hervorheben möchte ich das Heberon (Interferon alfa 2b), das Peptid CIGB-258 und Itulizumab, beide wirksam gegen eine fatale Überreaktion des Immunsystem ("Zytokininsturm"). Das Itulizumab wird derzeit - man höre und staune - auch in den USA und Brasilien klinisch getestet.
Der Impfstoff "Soberana 02" ist seit Anfang März in der klinischen Phase 3. |
Vicente Vérez, der Direktor des Finlay Impfinstituts, erklärte neulich, dass Kuba bis zum Jahresende 100 Millionen Impfdosen herstellen wolle und dass man damit rechne, bis dahin als eines der ersten Länder der Welt trotz der Blockade alle Kubaner*innen impfen zu können. Darüber hinaus plant man den Aufbau einer Impfstoffbank für die Alba-Mitgliedsstaaten.
Natürlich will und muss Kuba seine Impfstoffe auch kommerzialisieren, denn das Land braucht Devisen und eine Refinanzierung der Ausgaben für die Entwicklung und Produktion der Impfsera. Aber die Rendite, geschweige denn die Interessen von Shareholdern, stehen nicht auf Kubas Agenda.
Dr. Klaus Piel (Vorstand HCH und mediCuba-Europa)
CUBA LIBRE 2-2021