Das Schweigen der Blätter

Einige Anmerkungen zur Darstellung der "Tarea Ordenamiento" in den deutschen Medien.

Vereinfacht lassen sich die Worte "Tarea Ordenamiento" mit "Aufgabe Neuordnung" übersetzen. Ein einfacher Begriff für einen komplexen Prozess. Im Kern geht es um die Währungs- und Wechselkursvereinigung. Oder anders formuliert: Es geht darum, die Zirkulation zweier Währungen, der nationalen Währung (kubanischer Peso = CUP) und des konvertiblen Peso (CUC) zu beenden. Parallel dazu soll eine Wechselkursvereinigung erreicht werden. Bisher wurde der konvertible Peso (CUC) mit 1:24 gegen den kubanischen Peso (CUP) getauscht. Am Ende dieses Prozesses wird es in Kuba wieder nur eine Währung, den kubanischen Peso, geben.

Der oben kurz beschriebene Prozess hat Auswirkungen auf viele, wenn nicht gar alle Bereiche der kubanischen Gesellschaft. Es geht unter anderen um das bisherige System der Steuern und Abgaben, das Kreditwesen, die Lohn- und Preisgestaltung. (CUBA LIBRE berichtete).

Die Währungs- und Wechselkursvereinigung ist ganz frisch und wird aufgrund der gemachten Erfahrungen adaptiert. Wie spiegelt sich dies nun in den bundesdeutschen Medien wider? Meine Anmerkungen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit.

Grundsätzlich gilt, dass mögliche negative Auswirkungen gerne überhöht dargestellt werden. Ebenso werden einfach Behauptungen aufgestellt, ohne sie durch Fakten zu belegen:

"Dramatische Abwertung der Währung" (Spiegel, 21.12.2020)
"Die meisten unrentablen Staatsbetriebe, (…) werden bankrottgehen." (Handelsblatt, 20.12.0202)
"(…) durch einen künstlichen Wechselkurs gepäppelte Staatswirtschaft (…)" (Spiegel, 21.12.2020)
"Die Tiefe des Grabens zwischen Kubaner*innen, die Zugang zum Dollar und denen, die von staatlichen Löhnen und Rente abhängen (sic!), wird noch größer." (ebenda)
"(…) Preisschock, Hamsterkäufe, (…), noch größere Nahrungsmittelknappheit." (Handelsblatt, a. a. O.)
"Es drohen Inflation, (…), Preisexplosion und Proteste der Bevölkerung." (ebenda)

Mehr oder weniger flächendeckend wird unterschlagen, dass die Hauptursache, welche eine wirtschaftliche (Weiter-)Entwicklung be- bzw. verhindert, die seit über 60 Jahren bestehende US-amerikanische Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade ist. Diese wird auch nicht als völkerrechtswidrig und das internationale Recht missachtend bezeichnet, sondern falsch und verharmlosend "Embargo" genannt. Ab und an gibt es eine Anmerkung, dass das "Embargo" unter der "Trump-Regierung" verschärft wurde. Wobei es dabei geht – wie z. B. um ein grundsätzliches Reiseverbot für US-amerikanische Staatsbürger nach Kuba oder um Strafmaßnahmen gegenüber Unternehmen, die mit Kuba Handel treiben oder Wirtschaftsbeziehungen unterhalten – bleibt meist ein Geheimnis. Je nach politischer Ausrichtung wird selbstverständlich nicht von der kubanischen Regierung, die in freien, direkten und geheimen Wahlen von der überwiegenden Mehrheit des kubanischen Volkes gewählt wurde, gesprochen. Sondern vom "Regime" oder "autoritärem Regime" oder "den kommunistischen Machthabern".(ebenda)

"Die Nachfolger Fidel Castros brechen mehrere ideologische Tabus" oder "Nahezu alle ideologischen Tabus werden gebrochen." (Spiegel, a. a. O.) Wobei die geneigten Leser*innen hier mehr oder weniger vergebens darauf warten, dass darüber aufgeklärt wird, um welche Tabus es sich denn tatsächlich handelt.

Dass die kubanische Regierung sich gründlich auf diesen Prozess vorbereitet und intensiv mit dem Volk diskutiert hat, findet kaum bis keine Erwähnung. Auch der Umstand, dass der kubanischen Regierung sehr wohl bewusst ist, dass dieser Prozess nicht frei von Widersprüchen ist bzw. sein wird, bleibt unerwähnt. Ebenso wird verschwiegen, dass erforderliche Korrekturen vorgenommen werden.

Der intensive demokratische Diskussionsprozess mit der kubanischen Bevölkerung über die Leitlinien (lineamentos) zur Aktualisierung der kubanischen Sozial- und Wirtschaftspolitik wird ausgeblendet. Dazu gehört dann auch, dass die Beendigung der "Doppelwährung" während des Diskussionsprozesses der Leitlinien einen hohen Stellenwert hatte. Dass die kubanische Bevölkerung, unter Einsatz aller kubanischen Medien, im Vorfeld intensiv informiert und umfassend über anstehenden Veränderungen und auch über mögliche Schwierigkeiten aufgeklärt wurde, ist nur selten in deutschen Medien zu finden.

Den "Vogel abgeschossen" hat meiner Meinung nach ein wohl in der BRD lebender Kubaner, der sinngemäß folgendes empfiehlt: "Deutschland soll lernen: Schlange stehen verhindert Demonstrieren gehen!" (der rechte Blog Achse der Guten, 01.01.2021)

Diese Anmerkungen basieren nicht auf einer umfassenden "Pressschau" aber die ausgewählten Quelle sind hinreichend.

Grundsätzlich wird in der Berichterstattung über Kuba – und dies nicht nur beim Thema "Aufgabe Neuordnung" – verschwiegen, dass eine der wesentlichen Ursachen für den Bestand der kubanischen Revolution die zutiefst breite und demokratische Beteiligung der Bevölkerung an den politischen Entscheidungsprozessen ist.

Genau solche Aspekte, die in der Praxis beweisen, dass eine andere, nicht-kapitalistische Gesellschaft möglich ist, sollen nicht deutlich werden. Deshalb wird auf möglichst allen Kanälen ein "Zerrbild" über Kuba erzeugt, welches mit der Realität in Kuba ziemlich wenig bis gar nichts zu tun hat.

CUBA LIBRE Peter Knappe

CUBA LIBRE 2-2021