Das neue Leben mit der alten Währung und die "Aufgabe Neuordnung".
Lange wurde davon geredet und darüber spekuliert, wann der CUC das Zeitliche segnen würde. Am 1. Januar 2021 war es dann soweit. Die Gefühle waren gemischt, es herrschte schon Unsicherheit, wie das alles werden soll. Schließlich war der Zeitpunkt mit COVID-19, den weggebrochenen Devisen aus dem Tourismus und den immer wieder verschärften US-Sanktionen, die Kubas Wirtschaft um elf Prozent einbrechen ließen und ihm die schwerste Rezession seit den 90er Jahren bescherte, nicht gerade ideal. Aber jedem war klar, dass der Weg ins Ungewisse einmal begonnen werden musste.
Der Peso convertible (rechts) ist abgeschafft worden. |
Bereits im Dezember 2020 bekamen dann alle einen Gehaltsvorschuss von 1000 CUP, aber manch einer wusste im Januar noch nicht genau über seinen zu erwartenden Monatslohn Bescheid, was zu einiger Verwirrung führte. Die Summen, die man in der Hand hatte, waren zwar höher, aber es wurde ja nun auch alles teurer. Als die Leute die neuen Stromtarife sahen, waren sie teilweise verzweifelt. Zwar sollten auch die niedrigen Verbrauchsmengen weiter subventioniert werden, aber eben nicht mehr so stark. Manche fingen schon an zu rechnen, wann sie im Dunkeln sitzen würden. Aber man musste nicht so lange rechnen, bis die Regierung merkte, dass sich Unmut aufstaute.
Modifizierung der Tarife
"Man wird das überprüfen, was zu überprüfen ist und das korrigieren, was korrigiert werden muss", hatte Präsident Díaz-Canel kurz zuvor vor der Nationalversammlung gesagt und unter dieser Prämisse untersuchte man die Stromtarife noch einmal und modifizierte sie.
Dabei wurde der Bevölkerung aber deutlich gemacht, wie man zu diesen Strompreisen gelangte. "Eins muss klar sein, dass, was man nicht über den, der den Strom verbraucht einnimmt, muss von irgendjemand anderem bezahlt werden.", sagte Marino Murillo. Die Regierung sei auf jede einzelne von der Bevölkerung mit Respekt vorgebrachte Meinung eingegangen. Allerdings gehe es in der Ökonomie in der Praxis darum, wie weit man gehen kann, was die Ökonomie aushält, wobei man dabei immer auch die durch die COVID-19 Pandemie verursachte weltweite Krise und die Verschärfung der US-Blockade im Blick haben müsse. Über nichts davon dürfe man hinwegsehen.
Mit diesen Gegebenheiten und den Kriterien der Bevölkerung im Blick kam es also zu einer Modifizierung der Tarife. Diese wurde von den entsprechenden Ministern und in Fernsehspots ausgiebig erklärt. Die Gemüter beruhigten sich daraufhin wieder. Sicherlich ist ein positiver Nebeneffekt, dass jetzt jeder sorgfältig darauf achtet, bloß kein Licht zu viel leuchten zu lassen. Viele ziehen jetzt sogar vorschriftsmäßig alle Stecker der Geräte heraus, die gerade nicht in Betrieb sind. Der die ganze Zeit propagierte Slogan "Ahorra ahora" (Spare jetzt) findet neuerdings viel mehr Widerhall. In der energetischen Revolution seinerzeit wurden elektrische Geräte gefördert, die damals energiesparend waren, aber es jetzt nicht mehr so sind. Damit kochen die Leute aber jetzt und das lässt sich kurzfristig auch nicht ändern.
Glücklicherweise ist jetzt Winter und man braucht in der Regel keine Klimaanlagen und auch keine Ventilatoren. Bis zum Sommer hat man dann hoffentlich ein Gefühl für die neue Lage entwickelt. Eins ist auf jeden Fall klar geworden: Mehr kann der Staat die Preise nicht drücken und mehr kann man auch von größeren Verbrauchern, die stufenweise immer mehr bezahlen müssen, im Sinne der Umverteilung der Kosten nicht fordern.
Medikamente
Neben den Strompreisen waren es die neuen Preise für Medikamente, die Unsicherheit in der Bevölkerung hervorriefen. Diese wurde heftig angeheizt durch Horrormeldungen, die über die sozialen Netze verbreitet wurden. Aber gerade was dieses sensible Thema angeht, hatte man sich bei der Aufgabe Neuordnung große Gedanken gemacht. Man ging dabei von 757 Medikamenten aus, von denen 265 importiert und 492 im Land produziert werden. Insgesamt werden 353 in den Apotheken verkauft.
Dies würde bei idealer Versorgung Kosten von über 400 Millionen Dollar verursachen. Durch die COVID-19 Situation und die Verschärfung der Blockade war die Versorgung jedoch stark eingeschränkt.
In der Aufgabe Neuordnung wurde nun festgelegt, dass die Medikamente für die Behandlung chronischer Krankheiten und für neurologische und psychiatrische Krankheiten weiterhin subventioniert werden und den alten Preis beibehalten.
Das gleiche gilt für Medikamente für die kurzzeitige Behandlung akuter Krankheiten wie Antibiotika, Antiparasitika und Analgetika.
So wird z. B. eine Insulinampulle (ein Medikament, für das 200.000 Personen eingeschrieben sind) für 1,25 CUP verkauft, sie kostet aber 3.84 Dollar. Das Pencilamin zur Behandlung der 600 Personen in Kuba, die an der Wilson-Krankheit leiden, kostet 14 Dollar für 30 Tabletten. Der Preis in der Apotheke beträgt 9.70 CUP.
25.818 HIV-Patienten erhalten antiretrovirale Medikamente. Der Staat gibt 3,6 Millionen Dollar für den Kauf von 17 dieser Medikamente aus. 60 Tabletten kosten z. B. 53,50 Dollar, aber die Patienten müssen dafür keinen Centavo zahlen.
Naturheilmittel werden ebenfalls subventioniert und halten ihren Preis bei.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass 46 Prozent (162) der in den Apotheken zum Verkauf stehenden Medikamente (353) vom Staatshaushalt subventioniert werden und ihren aktuellen Preis beibehalten.
Das Thema Preise war von Anfang an Anlass für die größte Besorgnis, da man sehr wohl wusste, dass die Abwertung des kubanischen Peso und die Beseitigung von Subventionen zu Inflation führen würden. Diese durfte aber ein bestimmtes Ausmaß keinesfalls überschreiten, weil sonst die neuen Löhne betroffen würden und die Kaufkraft verloren ginge.
Damit die Auswirkungen dieser Entwertung und die Kostensteigerung nicht von Anfang an durchschlagen würden, hat man antiinflationäre Maßnahmen wie z. B. die Vereinheitlichung der Preise für Produkte und Dienstleistungen mit großer Auswirkung auf die Bevölkerung sowie ein Limit bei den dezentralisierten Großhandelspreisen durchgesetzt. Die Preisentwicklung wird, weil dies ein besonders sensibler Bereich ist, kontinuierlich überwacht. Überall sind Inspektoren unterwegs und auch die Bevölkerung ist aktiv daran beteiligt, Entwicklungen aufzuzeigen, die den Rahmen sprengen.
Auf den Bauernmärkten sah es Anfang Januar zunächst ziemlich trostlos aus. Bei dem Vorzeigemarkt an der 19. Straße in Vedado, den früher oft auch die Besucher aus dem Ausland frequentierten, herrschte an einem Samstag Morgen gähnende Leere. Die Lage entspannte sich dann etwas, aber das Angebot kam immer noch nicht an frühere Zeiten heran. Obst war dort immer noch kaum zu bekommen, weder Ananas noch Papaya, die es sonst eigentlich das ganze Jahr über gab. Am ersten Februarwochenende jedoch kostete auf besagtem Markt der Salat nur 5 CUP, es gab Ananas, Kohl und Mangold etc. Das Angebot war sehr vielfältig und die Preise stabil. Zudem sind jetzt Mandarinen zu haben, die früher Mangelware waren. Im Augenblick herrscht ein großes Angebot an Tomaten, die lange verschwunden waren. Insgesamt kann man feststellen, dass die befürchteten Preissteigerungen bis jetzt ausgeblieben sind, das Pfund Tomaten kostet z. B. 8 Pesos.
CUC, CUP, Devisen
Um den Ansturm auf die Banken von Leuten, die ihre CUC in CUP umtauschen wollten, zu vermeiden, hatte man angekündigt, dass man in der dem CUC noch gewährten Sechs-Monats-Frist weiterhin in den Läden diese Währung akzeptiere. Aber die Zahl der Läden, denen dies zugestanden wurde, war zunächst äußerst gering bemessen. Das führte zu Unmut bei der Bevölkerung und als Folge wurde die Liste dieser Läden erweitert. Inzwischen wurden bereits über 50% aller im Umlauf befindlichen CUC dem Markt entzogen.
Als die Preise für die Waren der Grundversorgung, die es über die "Libreta" gibt, noch subventioniert waren, hat sich praktisch jeder die ganze Ration abgeholt. Jetzt, bei den kostendeckenden Preisen, denkt man schon zwei Mal drüber nach, ob man ein Produkt wirklich braucht. Die über besagte Libreta verkauften Brötchen, deren Qualität und die des Brotes im allgemeinen sind bei jedem CDR-Treffen ein Dauerthema, das offensichtlich nie einer endgültigen Lösung zugeführt wurde. Jetzt nach dem Preisanstieg, kam es offensichtlich zu einem Boykott. Für einen höheren Preis erwarteten die Kunden auch eine bessere Qualität und so blieben viele Brötchen liegen. Auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, bei denen sich die Beförderungskosten von 0,25 Cent auf 2 Pesos erhöht haben, erwartet man jetzt bessere Bedingungen. Allerdings hat sich dieses Problem zunächst verschoben, da sie wegen COVID-19 nicht voll ausgelastet sind.
Das Thema Devisenläden wird ja überall kontrovers diskutiert – etwa, dass es dort Dinge gibt, die anderswo noch seltener zu finden sind. Aber das Paradies für Privilegierte ist das auch nicht. Wir haben – wirklich nicht übertrieben – sechs Stunden in der Schlange gestanden, wobei wir die ersten drei Stunden noch nicht einmal sicher sein konnten, ob wir überhaupt hinein durften. Durch COVID-19 dürfen nur wenige Leute gleichzeitig den Laden betreten und es werden jeweils 50 registriert. Wenn einem das gelingt, hat man schon halb gewonnen. Allerdings kann es immer noch sein, dass die Internetverbindung für die Magnetkarten unterbrochen wird und bis die wieder zustande kommt, steht man dann weiter da und wartet und hofft. Als wir dann endlich rein durften, war zwar das Toilettenpapier alle, aber es gab noch Küchenkrepp, Käse, Olivenöl, Saft und Nudeln. Kaffee ist leider überall verschollen.
Angeblich soll es ja in Havanna wegen Mangels an Touristen ein Überangebot an abgefülltem Wasser in den Läden geben. Leider haben wir von dieser Fülle in unserem Bezirk noch nichts festgestellt und das erste Mal in den sieben Jahren, die wir hier leben, unser Trinkwasser abgekocht.
Der Währungsumtausch ging bei der Bevölkerung ziemlich reibungslos vonstatten. Die Bankautomaten waren rechtzeitig umgestellt und sie spuckten jetzt nur noch größere Scheine aus. Man muss sich noch daran gewöhnen, dass man es mit mehr Nullen zu tun hat, rechnet manchmal noch in CUC um, aber da die Inflation bis jetzt im Griff ist, war das kein Problem.
Unternehmen und Aufgabe Neuordnung
Für die Unternehmen jedoch stellte sich die Sache anders dar. Der Ersatz von Importen und die Steigerung der Exporte wurden zu einem Credo der Politik und für jeden einsichtig als die Maßnahmen zur Behebung des chronischen Devisenmangels jeden Tag aufs Neue beschworen. Vor dem 1. Januar 2021 war es für die Unternehmen in der Regel günstiger zu importieren als sich auf dem heimischen Markt umzusehen. Jetzt kommt es darauf an, die nationale Ware günstiger herzustellen, als es die Importware wäre. Wenn das gelingt, dann ist viel gewonnen. Aber zunächst stehen die damit konfrontierten staatlichen Betriebe vor einer schwierigen Aufgabe. Man geht davon aus, dass etwa jeder vierte Staatsbetrieb bei diesem Übergang Probleme bekommt. Allein schon, wenn man die Lohnkosten bedenkt, die mit der neuen Gehaltstabelle erheblich steigen. Da man unter keinen Umständen zulassen kann, dass alle diese Unternehmen schließen müssen und die Angestellten auf der Straße stehen, können sie Kredite beantragen, müssen dann aber einen Plan vorlegen, wie sie gedenken, ihren Betrieb in Zukunft zu strukturieren, Wenn der überzeugend ausfällt, können weitere Kredite gewährt werden. Eine große Hilfe für alle Unternehmen dürfte sein, dass sie die Stunde Null ohne Schulden beginnen konnten – sie wurden alle von der Bank übernommen. Eine weitere Erleichterung für die Betriebe dürfte sein, dass noch 42 Großhandelspreise festgelegt wurden. So haben sie noch etwas Zeit, sich einzufinden. Aber eines steht fest, die Zeiten, in denen der Staat für alle verschuldeten und unverschuldeten roten Zahlen aufkam, sind vorbei. Die Unternehmen haben jetzt die Möglichkeit, sich über den Export neue Einnahmequellen zu verschaffen. Wie sie letztendlich strukturiert werden, wird sich herausstellen. Es bleibt zu hoffen, dass fähige und kompetente Mitarbeiter, die wegen der niedrigen Gehälter oder der einengenden Bürokratie die staatlichen Betriebe verlassen haben, wieder dorthin zurückkehren und junge gut ausgebildete Fachleute sie bereichern werden. Die große Fluktuation von Fachleuten, die einmal gut ausgebildet, den Betrieb bald wieder verließen, behinderte oft deren positive Entwicklung.
Nur noch die strategisch wichtigen Unternehmen werden weiterhin direkt von den entsprechenden Ministerien aus gesteuert.
Ein erfreuliches Ergebnis der Neuordnung ist die Tatsache, dass sich allein im Monat Januar 38.493 Menschen in den Arbeitsprozess eingegliedert haben, davon 30% junge Leute. Allein in der Provinz Matanzas wurden 1.756 Personen eingestellt, davon 1.723 im unternehmerischen Bereich, eine positive Tendenz, die der produktiven Aktivität zugute kommt.
Nur noch wenige Bereiche der kubanischen Wirtschaft sollen zentral gesteuert werden
Foto: minrex
In diesem Jahr wird das Ministerium für Arbeit und Soziale Sicherheit 32.000 neue Arbeitsplätze schaffen, hauptsächlich im Produktionsbereich, um größere Reichtümer zu erzeugen. Davon sollen 20.000 im staatlichen und 10.000 im privaten Sektor angesiedelt sein. Wie der Präsident sagte, müsse die Arbeit die Hauptquelle zur Finanzierung des Lebensunterhalts sein. Eigentlich eine Binsenweisheit, die hier aber nicht immer bei allen präsent war. Dazu trugen natürlich auch die niedrigen Löhne bei, von denen selbst die politische Führung sagte, dass man davon allein in der Regel nicht leben könne. Das hat sich nun aus mehreren Gründen geändert. Der bis jetzt ökonomisch inaktive Teil der Bevölkerung, wie er so schön genannt wird, muss auf die Auswirkungen der Aufgabe Neuordnung reagieren und die werden zum einen durch den Wegfall der Subventionen geprägt. Die Stromrechnung wird höher, die Kosten für die Grundnahrungsmittel über die Libreta für die nicht Schutzbedürftigen auch und die Preise im allgemeinen steigen ebenfalls an. Zudem ist die Lohnreform ein Teil der Neuordnung und sie verspricht Leuten mit Qualifikationen attraktive Löhne. Außerdem werden z. B. akademische Grade honoriert, selbst wenn sie nicht unbedingt etwas mit dem aktuellen Aufgabenbereich zu tun haben.
Aber um eine tiefgehendere Einschätzung vornehmen zu können, muss man den Monat Februar auswerten. Das ist der erste Monat, in dem die Leute ihren vollen Lohn erhalten haben, bereits Anpassungen vorgenommen wurden, die Preise mehr oder weniger so bleiben werden und jeder sehen kann, wo er steht. Wie Präsident Díaz-Canel richtig feststellte, haben die Menschen bisher Preise, Kosten und Löhne als etwas voneinander Getrenntes wahrgenommen. Das beginne sich aber bereits zu ändern. Es werde schon anders über Wirtschaft diskutiert, die Menschen suchten Beschäftigung und die Institutionen gestalteten ihre Prozesse gewinnbringend um. Das alles lässt hoffen, aber wir befinden uns erst am Anfang eines schwierigen Prozesses, der – nicht zuletzt durch die internationale Lage und COVID-19 bedingt – jeden Tag neue Herausforderungen bringt...
Renate Fausten
CUBA LIBRE 2-2021