Revolutionäres Beispiel

Kubas Luftstreitkräfte während der Invasion in der Schweinebucht vor 60 Jahren.

Mit dem Sieg der kubanischen Revolution im Jahre 1959 gegen die Batista-Diktatur verließen viele Angehörige der vormals besitzenden und herrschenden Klasse das Land und gingen in die USA. Sie verbanden damit die Erwartung, dass sich die soziale Revolution zugunsten der Besitzlosen nicht werde halten können und setzten dabei auch auf den Druck der USA. Diese "Exilanten", im Sprachgebrauch der Revolution als "gusanos" ("Würmer") bezeichnet, hofften auf baldige Rückkehr. Ein Teil der im Lande Verbliebenen setzte eine Terror- und Sabotagewelle in Gang. So brannte am 13. Januar 1961 das gröste Kaufhaus Havannas, das "Encanto" aus. Zuckerrohrfelder wurden in Brand gesteckt. Es gab Tote und Verletzte und die Revolution musste reagieren.

Die Feindseligkeit des Yankee-Imperialismus steuerte bald auf einen vorläufigen Höhepunkt zu: Am 17. April 1961 wurden etwa 1.500 exilkubanische Söldner in einer abgelegenen Gegend im Süden Kubas an Land gesetzt. Organisiert wurde die Invasion von der Regierung der USA, welche Geld, moderne Waffen und Logistik zur Verfügung stellte. Das Ziel war die Etablierung eines Brückenkopfes und nachfolgend die Ausrufung einer provisorischen Gegenregierung, welche vor der Weltöffentlichkeit ein militärisches Eingreifen Washingtons rechtfertigen sollte. Doch kubanische Milizen schrieben Geschichte: Zum ersten Mal wurde ein derartiger Übergriff gegen das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes im "Hinterhof" der Weltmacht zur Schlappe für die Aggressoren. Innerhalb von drei Tagen wurden ihre Verbände niedergekämpft und fast vollständig gefangen gesetzt. Nur wenige konnten sich zurück auf die Invasionsschiffe flüchten. Eine besondere Rolle spielten etwa zehn revolutionäre Kampfpiloten, die gegen eine erdrückende übermacht über sich hinauswuchsen.

Oberstufe
Eines der Jagdflugzeuge der kubanischen Luftwaffe, mit denen die Invasion abgwehrt wurde steht heute im Museo Playa Giron.
Foto: Wmpearl / wikimedia / CC0 1.0


Am frühen Morgen des 15. April hatten fremde Kampfflugzeuge, die mit den Hoheitszeichen der revolutionären Luftstreitkräfte bemalt waren, Flugplätze in Havanna, San Antonio de los Baños und Santiago de Cuba angegriffen. Diese Täuschung, die von Kennedy selbst gebilligt worden war, sollte die Lüge untermauern, die bald durch die westlichen Medien verbreitet wurde: es seien kubanische Piloten selbst gewesen, die desertiert seien und dann diese Angriffe durchgeführt hätten - die wahren Planer dieser Aggression sollten vor der Weltöffentlichkeit verborgen bleiben. Doch Kuba bewies Voraussicht: Die wenigen verfügbaren Kampfflugzeuge waren weit verstreut abgestellt worden, so dass nur zwei von ihnen zerstört wurden. Die größere Zahl zerbombter Maschinen waren bereits ausgemusterte Wracks, die man auf den Flugbahnen aufgestellt hatte.

Am 16. April erklärte Fidel Castro vor zehntausenden bewaffneter Milizionäre angesichts der Toten vom Vortag, dass "...wir alle, stolz auf unsere Revolution und stolz darüber, dass wir diese Revolution der einfachen Menschen, von den einfachen Menschen und für die einfachen Menschen verteidigen, nicht zögern werden, sie, gegen wen auch immer, bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen!" Bei dieser Rede unterstrich er zum ersten Mal öffentlich und in aller Klarheit die sozialistische Ausrichtung des eingeschlagenen Weges.

In einem Aufruf von Raúl Castro, der den Oberbefehl im Osten Kubas hatte, hieß es: "Alle auf ihre Posten! Der Feind hat uns angegriffen. Schlagen wir ihn und die einheimische Reaktion!"

Enrique Carreras, der als der Vater der revolutionären Luftstreitkräfte gilt, war der Verantwortliche für die Piloten. Neben ihm hatten nur eine Handvoll der Flieger eine längere Erfahrung, die wie er bereits unter dem Batista-Regime in der Luftwaffe gewesen waren und sich dann dem Widerstand und der Revolution angeschlossen hatten. Die Übrigen waren junge Leute am Anfang ihrer Ausbildung. Man hatte nur acht Flugzeuge aus der Zeit Batistas, die nach ihren Einsätzen immer wieder von den Mechanikern, oft ohne Ersatzteile und mit viel Improvisation, flugbereit gemacht wurden. Der Feind verfügte - seine Transportmaschinen nicht mitgerechnet - über die fünffache Anzahl an Flugzeugen, die bestens gewartet und ausgestattet waren. Beim fliegenden Personal betrug das Kräfteverhältnis eins:zwölf zu seinen Gunsten.

Ein Milizionär bewacht ein abgeschossenes Flugzeug der Invasoren

Ein Milizionär bewacht ein abgeschossenes Flugzeug der Invasoren
Foto: Ernesto Fernández



Am ersten Tag der Invasion, dem 17. April, gab Fidel den Befehl an die Flieger, vorrangig die Transportschiffe und die Landungsboote der Invasoren anzugreifen. Zwei Transportschiffe, die "Escondido" und die "Houston", wurden in Brand geschossen und versenkt. Mehrere Landungsboote sanken, worauf andere umkehrten und ihre Fracht nicht mehr absetzten. Drei feindliche Kampfflieger wurden im Luftkampf abgeschossen. Auch Kuba verlor zwei Maschinen und deren fünf Besatzungsmitglieder, doch sie blieben die einzigen Verluste der Luftstreitkräfte.

Álvaro Prendes war einer der "alten" Piloten. Er flog 14 Einsätze, mehr als jeder seiner Kameraden. Später beschrieb er die Intensität jener Tage so: "Wir verloren jedes Zeitgefühl. (...) Ich musste mehrere Tage fast ohne Schlaf auskommen und habe dabei praktisch nur von Saft und Weißbrot gelebt; für anderes war einfach keine Zeit." Und an anderer Stelle vermerkt er, dass er seine Kleidung nicht wechseln konnte: "Sie klebt regelrecht am Körper und man kann sich vorstellen, welchen Geruch ich ausströme. Tagsüber stürzen sich die Fliegen scharenweise auf mich. (…) Ich schlafe miserabel. Ständiges Kommen und Gehen, erregte Debatten steigern meine Nervosität. (...) Müde und mit geschwollenen Lidern stehe ich am frühen Morgen auf. Schlafmittel darf ich nicht nehmen, denn sie setzen das Reaktionsvermögen herab und können üble Folgen haben. Und der Kampf ist noch nicht zu Ende."



Am Nachmittag des 18. April ist Prendes gegen feindliche Flieger in der Luft. Er hängt sich an einen Bomber, schafft es in mehrfachen Anflügen jedoch nicht, ihn entscheidend zu treffen. Der noch verbleibende Treibstoff erreicht bald den kritischen Punkt, um sicher zurückzufliegen, während der Gegner mit geschickten Manövern ausweicht und offensichtlich versucht, zu seiner Basis außerhalb Kubas zu entkommen. Prendes macht einen letzten verzweifelten Versuch: "Diesmal habe ich ihn mitten im Visier. Der gegnerische Pilot ist offenbar ebenso erschöpft wie ich. Mein Finger drückt den Kampfknopf. Wieder Pulvergeruch. Von der B-26 reißen sich Blechstücke los, an der Unterseite der Kanzel zersplittert Plexiglas, und aus dem linken Motor quillt schwarzer Rauch. Rasch leite ich die Kurve aus; der letzte Schuss ist abgefeuert, und der Kraftstoff reicht gerade noch bis San Antonio. Plötzlich verwandelt sich der Rauch bei der B-26 in dicken schwarzen Qualm. Gleich darauf schlägt aus ihrem Motor und unter ihrer linken Tragfläche eine riesige rötlichgelbe Stichflamme hervor. (...) Als der Bomber dem Meer entgegenrast, sehe ich, wie aus dem Notausstieg unter dem Rumpf ein Besatzungsmitglied abspringt. Ich fliege wenige Meter an dem Fallschirm, der wie ein großer rotweißer Pilz aussieht, vorbei. Die Neigung des brennenden Bombers wird steiler, bis ihn eine Explosion praktisch verschwinden lässt. (...) Später erfuhr ich, dass der Pilot dieser Maschine, der so erbittert gekämpft hatte, Leutnant der Batista- Luftwaffe Vianello war, einst mein Kamerad in ein und derselben Eskadron. Er hatte den Weg des Volkes nicht gewählt und musste nun teuer bezahlen." Die am Strand angelandeten Söldner sowie feindliche Luftlandetruppen, die anfangs versuchten, die wenigen Straßen im sumpfigen Hinterland der Bucht zu sichern und zu blockieren, wurden Stunde um Stunde von allen Seiten durch revolutionäre Verbände, Milizen und Polizeikräfte zurückgedrängt. Fidel Castro war ständig an den Fronten und koordinierte die Aktionen.

Am folgenden Tag sind Carreras und Prendes mit ihren Maschinen früh über dem Meer, um anfliegende Feinde zu überraschen. Sie stoßen sofort auf zwei Bomber, die voll beladen in den kubanischen Luftraum eingedrungen sind, um ihre Last über dem Kampfgebiet abzuwerfen. Gleich nach dem ersten Angriff fallen beide ins Meer. Später wird durch Informationen aus Miami bekannt, dass dabei vier erfahrene US-Piloten ums Leben kamen, die teilweise schon im 2. Weltkrieg und in Korea im Einsatz waren. Zu diesem Zeitpunkt weigerten sich nach den Erfahrungen der letzten Tage die aus der herrschenden Klasse ihres Landes stammenden exilkubanischen Piloten bereits, weitere Einsätze zu fliegen. Ihre gesamte Kalkulation beruhte auf dem Glauben an ihre absolute Überlegenheit. Ihre Träume zerplatzten an der Entschlossenheit und der Kampfmoral derjenigen, die bereit waren, für eine gerechtere Gesellschaft notfalls ihr Leben zu lassen.

An diesem 19. April zeichnet sich das Ende ab. Die kubanischen Piloten fliegen Luftangriffe gegen die Invasoren am Boden, die auf immer kleiner werdendem Raum zusammengedrängt werden und versuchen, mit Booten auf das Meer zu entkommen. Nochmal Prendes: "Im Tiefflug gewahre ich, dass an mehreren Stellen in Girón Brände lodern. Die Zerstörung ist nahezu vollständig. Auch unsere Artillerie leistet gute Arbeit. Wir sehen ihr Feuer genau die richtigen Abschnitte treffen: Hunderte Granaten schweren Kalibers detonieren vor, auf und hinter der Anlegestelle; im Meer reißen sie große Wasserfontänen empor. Ein eindrucksvolles Schauspiel, allerdings nur, wenn man nicht wie die Gusanos mittendrin steckt." Etwa 1200 der Invasoren geraten in Gefangenschaft und werden später im Austausch gegen Landmaschinen und Medikamente in die USA zurückgeschickt.

Che Guevara wies während der Krisentage darauf hin, dass der Krieg bis zur Vernichtung des Imperialismus ein langer und harter sein werde. Einige der kubanischen Piloten, unter ihnen auch Álvaro Prendes, kehrten nach Jahren oder Jahrzehnten der Revolution den Rücken und gingen ins Exil. In der Schweinebucht aber leisteten sie einen entscheidenden Beitrag.

Der Konflikt Kubas mit den USA geht bis heute weiter. Der Annäherung Kubas an die UdSSR folgte im Sommer 1962 die Raketenkrise, welche die Welt an den Rand eines Atomkrieges brachte. Noch bis 1965 kämpften in den Escambray-Bergen von den USA unterstützte Konterrevolutionäre. Später gab es unter anderem biologische Angriffe durch Abwurf von Krankheitserregern und Pflanzenschädlingen aus der Luft, Anschläge auf diplomatische Vertretungen Kubas im Ausland sowie Mordversuche gegen führende Repräsentanten der Revolution. Ein gewaltiger Propagandaapparat wurde aufgebaut sowie ständig versucht, eine interne Opposition mit Geld aufzupäppeln. In jüngster Zeit spielen die sogenannten "sozialen" Netzwerke eine subversive Rolle: durch Verbreitung von Falschmeldungen, Gerüchten und des ganzen übrigen Desinformationsmülls der westlichen "Zivilisation" soll die kubanische Bevölkerung verunsichert und Unruhe erzeugt werden. Unabhängig davon, wer in Washington gerade den Hut auf hat und was gesagt wird: Die völlige Vernichtung und Zerstörung des Beispiels, das Kuba der Welt gegeben hat, bleibt das Ziel. Indem wir dem entgegentreten, kämpfen wir hier auch für unsere eigene Freiheit.

CUBA LIBRE Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 2-2021