Wahlen in Venezuela

Wahlkampf der Kommunistischen Partei

Wahlkampf der Kommunistischen Partei
Foto: PCV

Inmitten der Coronavirus-Pandemie und des vor allem von den USA gegen das Land betriebenen Wirtschaftskrieges wurde am 6. Dezember in Venezuela ein neues Parlament gewählt. Das Lager um Präsident Nicolás Maduro hoffte, dass damit die Kontrolle der rechten Opposition über die Nationalversammlung zu Ende geht. Diese hatte 2015 die absolute Mehrheit der Mandate gewinnen können und diese vor allem genutzt, um auf einen schnellen Sturz Maduros hinzuarbeiten. Höhepunkt war Anfang 2019 der Versuch, Parlamentspräsident Juan Guaidó zum "Übergangspräsidenten" des Landes auszurufen, weil Maduro nicht mehr rechtmäßig im Amt sei. Dieses Manöver wurde von den USA – wo der Schritt offenkundig entworfen worden war – sowie den rechtsgerichteten Regierungen Lateinamerikas und den meisten EU-Mitgliedsstaaten unterstützt, die Guaidó als "Staatschef" anerkannten.

Trotzdem scheiterte der parlamentarische Putsch, weil nicht nur die Mehrzahl der Länder der Welt und die Vereinten Nationen an der Anerkennung Maduros festhielten, sondern auch in Venezuela selbst praktisch alle staatlichen Institutionen auf der Seite der bolivarischen Regierung blieben. Entscheidend war dabei, dass die Streitkräfte ihre Treue zu Maduro bekräftigten. Die USA drohten zwar mit einer Militärinvasion, doch angesichts der demonstrativen Unterstützung unter anderem Russlands und der Volksrepublik China für Caracas schreckte die Trump-Administration vor einem solchen Schritt zurück. Eine dilettantisch geplante Söldnerinvasion konnte im Mai 2020 innerhalb von Stunden zerschlagen werden.

Trotzdem ist die Lage für die Regierung nach wie vor kompliziert. Die Coronavirus-Pandemie zwingt auch Venezuela zu drastischen Schutzmaßnahmen. Im wöchentlichen Wechsel werden regionale Ausgangssperren verhängt und gelockert, um so Menschenansammlungen zu vermeiden. So gelang es, die Zahl der Infektionen im Vergleich zu den Nachbarländern einzudämmen – Ende Oktober hatten sich nach Angaben der Johns Hopkins University in Venezuela gut 90.000 Menschen mit dem Virus angesteckt – im benachbarten Kolumbien waren es zum gleichen Zeitpunkt schon über eine Million, in Brasilien sogar mehr als 5,5 Millionen. Die Zahl der Toten wird in Venezuela mit weniger als 800 angegeben – gegenüber mehr als 30.000 in Kolumbien.

Den offiziellen Zahlen ist jedoch nur mit Vorsicht zu trauen, denn in Folge der von den USA in den vergangenen Monaten immer weiter verschärften Blockade stehen viele Krankenhäuser ohne ausreichende Medikamente und Ausrüstung da, Schutzkleidung und Masken für die Pflegekräfte fehlen ebenfalls. Hinzu kommen häufige Stromausfälle – und weil Washingtons Wirtschaftskrieg vor allem die Ölversorgung trifft, können Krankenhäuser im Bedarfsfall die Notstromaggregate nicht anwerfen. Deshalb verzichten auch Erkrankte oft darauf, ins Krankenhaus zu gehen, weil sie sich zu Hause besser versorgt fühlen. Diese Fälle tauchen in der offiziellen Statistik nicht auf.

Venezuelas Regierung versucht, die Folgen des Wirtschaftskrieges durch Anreize für ausländische Investitionen abzumildern. Ein im Herbst verabschiedetes „Antiblockadegesetz“ umgeht bisherige Beschränkungen und erlaubt Unternehmen die Beteiligung auch in Bereichen, für die die Verfassung und andere Gesetze bisher Privatisierungen ausgeschlossen hatten. Eine öffentliche Kontrolle solcher Investitionen ist kaum möglich, da die Abkommen nicht bekanntgemacht werden. Begründet wird das damit, Gegenmaßnahmen der USA verhindern zu wollen. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) wirft der Regierung allerdings vor, den unter Hugo Chávez eingeschlagenen sozialistischen Kurs aufzugeben und sich den Interessen des internationalen Kapitals zu unterwerfen.

So kam es auch bei der Wahl im Dezember erstmals zu einer Konkurrenz im linken Lager. Zusammen mit anderen Organisationen, Gewerkschaften und Bewegungen hat die PCV die "Revolutionäre Alternative des Volkes" (APR) ins Leben gerufen, der sich mehrere linke Parteien wie "Heimatland für alle" (PPT), Tupamaros und andere anschlossen. Dagegen wurde vor dem Obersten Gerichtshof (TSJ) geklagt. Beschwerdeführer waren Parteimitglieder, die an der Allianz mit der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) festhalten wollten, in ihren jeweiligen Parteien aber in der Minderheit geblieben waren. Sie machten nun geltend, dass ihre Rechte verletzt worden seien – und bekamen vor Gericht recht. Die Richter setzten die von den Mitgliedern gewählten Parteivorstände ab und ernannten die Kläger zu neuen Führung. Die so eingesetzten Vorstände entschieden, ihre jeweiligen Parteien entgegen vorheriger Beschlüsse im Bündnis mit der PSUV in die Wahlen zu schicken.

So ist die APR auf den Stimmzetteln nur durch die PCV vertreten, aus deren Reihen es keine Kläger gegeben hatte. Die ihrer eigenen Parteien beraubten Mitglieder von PPT, Tupamaros und anderen rufen deshalb dazu auf, diesmal die Kommunisten zu wählen.

In ähnlicher Weise unterlief Venezuelas Justiz auch einen von den rechten Oppositionsparteien beschlossenen Wahlboykott. Auch in den wichtigsten reaktionären Organisationen wie Demokratische Aktion (AD), Volkswille (VP) oder Zuerst Gerechtigkeit (PJ) fanden sich Mitglieder, die vor Gericht klagten und die Kontrolle über ihre Parteien zugesprochen bekamen. So kandidieren diese rechten Kräfte am 6. Dezember.

Guaidó gerät derweil immer mehr ins Abseits. Seine Amtszeit als gewählter Abgeordneter endet im Januar 2021. Spätestens dann kann die Fiktion eines Parlamentspräsidenten, der zugleich Staatschef des Landes ist, nicht mehr aufrechterhalten werden. Ob das auch die deutsche Bundesregierung merkt, die Guaidó offiziell immer noch die Stange hält, bleibt abzuwarten.

CUBA LIBRE André Scheer

CUBA LIBRE 1-2021