Hommage an die kubanische Schauspielerin Mirta Ibarra und den Fotografen Alberto Korda
Alberto Korda zeigt seine Bilder in Augsburg |
Zeiten des Umbruchs sind Perioden, in denen die kreativen Kräfte eines Landes zu neuem Leben erwachen. Auch davon zeugt Kuba. Generationen von Kulturschaffenden aus Film, Literatur, darstellender Kunst und Musik machen Entwürfe für das Leben und die Gesellschaft. Sie wecken unser Interesse, bieten wichtige Ansätze zur Diskussion über Chancen und Perspektiven einer menschenwürdigen Zukunft und lassen uns miterleben und mitgestalten, wie der Neue Mensch entstehen soll.
Im November 1997 präsentierte das Institut für Spanien- und Lateinamerikastudien der Universität Augsburg zusammen mit einer Vielzahl von unterstützenden Organisationen und Einrichtungen wie dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Kulturreferaten der Städte München und Augsburg, dem ICAIC/Kuba, den Mexikanische Generalkonsulat Frankfurt, UNAM/Mexiko, der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. und weiteren Menschen aus Lateinamerika-Initiativen sechs Wochen lang Literatur, Filme, Fotos und Gespräche zu drei bedeutenden Künstlern. Sie waren alle im Jahre 1928 geboren und gehörten einer Generation an, die den revolutionären Umbruch in Kuba als persönliche Herausforderung erlebt und künstlerisch aufgegriffen hatte.
Kuba war der gemeinsame Schnittpunkt ihrer Biographien: der Kolumbianer und Nobelpreisträger der Literatur, Gabriel García Márquez, der Pionier der neuen Fotografie in Kuba, Alberto Díaz Gutiérrez Korda, und der kubanische Erfolgsregisseur Tomás Gutiérrez Alea. Was die Künstler miteinander verband, war weit mehr als ihr Erfolg. Sie teilten die Leidenschaft für Bilder und für ein historisches Ereignis, das ihre künstlerische Ästhetik wie ihr gesellschaftspolitisches Engagement entscheidend beeinflussen sollte: die Kubanische Revolution.
Alberto Korda war vor allem durch einen Schnappschuss von Che Guevara bekannt geworden, der seit 1960 die Kraft seines Mythos überdauerte und auch heute noch auf Plakaten, Stickern, T-Shirts, Demonstrations- und Protestmärschen als weltweites Symbol für den Wunsch nach politischen Veränderungen gilt. Korda hatte wie kein anderer fotografisch den Einzug der siegreichen Revolutionäre im Januar 1959 in die Hauptstadt der befreiten Insel begleitet und anschließend zehn Jahre lang die Reisen Fidel Castros im In- und Ausland dokumentiert.
Nach Augsburg war er sehr gerne gekommen, um in der Universitätsbibliothek die Fotoausstellung "Historia de una revolucíon" zu zeigen, die erstmals in der Bundesrepublik einen Einblick in sein Gesamtwerk gab. Welch bemerkenswerter Mensch er war, zeigte sich bei der Eröffnungsveranstaltung, auf der er gutgelaunt gleich nach den Reden das Mikrofon der anwesenden Musikgruppe eroberte und in verbeulten Jeans, mit schwarzer Lederjacke und breitkrempigem Filzhut bekleidet, zu den Rhythmen von "Don Alvaro y sus Compadres" zu tanzen begann und mit seiner Baßstimme sehnsüchtig "Guantanamera" anstimmte. So änderte er die Perspektive der Vernissagen-Gäste, für die er wenige Minuten zuvor seine Begrüßungsrede mit der Beteuerung "Wir kämpfen weiter" beendet hatte. Da Korda einem Hotelaufenthalt die private Unterbringung bei Mitgliedern der Freundschaftsgesellschaft vorgezogen hatte, wurde das Zusammentreffen mit ihm für uns alle zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Der kubanische Regisseur Tomás Gutiérrez Alea galt als Wegbereiter des Neuen Lateinamerikanischen Kinos. Er war ein Meister des schwarzen Humors und der Komödie und hatte mit "Erdbeer und Schokolade" internationale Kassenrekorde gebrochen. Ihm gelang es, das europäische Publikum für das lateinamerikanische Kino wieder neu zu begeistern. Humanität und Toleranz waren sein filmisches Plädoyer, nicht nur für Kuba.
Obwohl Tomás Gutiérrez Alea 1996 während der Planung unseres Kulturprojekts verstorben war, nahm seine Witwe, die faszinierende Schauspielerin Mirta Ibarra, unsere Einladung an und kam nach Augsburg. Sie hatte die Aufgabe übernommen, Filme wie "La ultima cena", "Fresa y chocolate" und "La muerte de un burocrata" vorzustellen, die Kuba zum kinematografischen Aushängeschild Lateinamerikas gemacht hatten.
Mirta Ibarra hatte in Havanna und Paris ihre Ausbildung absolviert. Auch in mehreren Spielfilmen ihres Ehemannes bewies sie ihre leidenschaftliche Schauspielkunst und war in Lateinamerika - und nicht nur dort - zum bewunderten und geachteten Star geworden. Immer auf der Seite der Kubanischen Revolution und des Humanismus stehend, erzählte sie dem Augsburger Publikum bei der Einführung zu den Filmen sehr emotional und begeisternd von ihrem Einsatz während der kubanischen Alphabetisierungskampagne. Ihre Schilderung, wie sie - ebenso wie viele andere junge Menschen – mit ein paar Büchern und Schreibutensilien in ihrer Tasche, in die Dörfer hinausgegangen war und dort kubanische Familien und deren Lebensumstände genauer kennengelernt hatte, öffnete die Herzen aller Zuhörenden und wurde im Kinosaal mit großem Applaus begleitet. So frei wie sie als Schauspielerin in "Erdbeer und Schokolade" agierte, so beantwortete sie die vielen Fragen hinsichtlich der Ängste, Hoffnungen und Wünsche der Menschen in Kuba. Am Ende des Pressegesprächs formulierte Mirta Ibarra ihre große politische Hoffnung, dass die Blockade gegen Kuba endlich aufgehoben werde: "Sie ist ungerecht." (1997!)
Alberto Korda (r.) und Franz Egeter |
Zu Mirta Ibarras Ankunft in Augsburg waren die damaligen jungen Angehörigen der Kubanischen Botschaft in Deutschland - Mara Bilbao Diaz und Gerardo Penalver - angereist und hatten der Künstlerin zur freundlichen Begrüßung einen schönen Blumenstrauß überreicht. Da wir die beiden schon von der respektvollen und angenehmen Zusammenarbeit mit den Gruppen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba kannten, hatten meine Frau Martha und ich das große Vergnügen, Mara und Gerardo bei uns zuhause beherbergen zu dürfen. Wir erinnern uns noch gut an eine nette Anekdote, die uns Gerardo in gemütlicher Runde erzählte:
Schon kurz nachdem die beiden an die kubanische Botschaft nach Deutschland gekommen und noch nicht mit allen Sitten hierzulande vertraut waren, erhielten sie eine Einladung zum Kaffee. Ihre Gastgeber hatten sie sehr freundlich empfangen, der Tisch war schön gedeckt. Aber nach kurzer Zeit tauschten Mara und Gerardo besorgte Blicke aus. Denn in der Zuckerdose war brauner Zucker, wo sie doch als Wertschätzung den im reichen Deutschland überall erhältlichen und "besseren" weißen Zucker erwartet hatten. Es hatte dann etwas gedauert, bis geklärt war, dass es sich nicht um eine Provokation gegen "die Kubaner", sondern um eine wohlüberlegte "Aufmerksamkeit" der gastgebenden Deutschen gehandelt hatte die den braunen Zucker wertschätzten.
Mara und Gerardo sind inzwischen bedeutende Mitglieder des internationalen diplomatischen Dienstes der Republik Kuba: Mara vertritt Kubas Interessen als Botschafterin im Ausland, Gerardo war eine zeit lang kubanischer Botschafter in Berlin und ist heute Stellvertretender Außenminister Kubas.
Wir erinnern uns gerne an sie alle und ihren Besuch in Augsburg 1997.
Von links nach rechts: Martha u. Brigitte (FG Augsburg), Mitveranstalterin, Mirta Ibarra, Mara und Gerardo (beide kubanische Botschaft)
Foto: FG BRD-Kuba, Augsburg
Franz Egeter
CUBA LIBRE 1-2021