Großes Kino mit Maskenpflicht

Das 25. Festival "Cuba im Film" vom 1. bis 11. Oktober 2020 in Frankfurt am Main.

Seit 1996 findet im Frühjahr regelmäßig das inzwischen zum festen Bestandteil der hessischen Festivalszene gehörende Filmfestival "Cuba im Film" im Filmforum Höchst statt – eine Zusammenarbeit des VHS Filmforums mit dem Dritte-Welt-Haus Frankfurt. Es hat sich zu einem Treffpunkt für alle, die neugierig auf kubanische Filme sind und die mehr über Kuba erfahren wollen, entwickelt. Seit 25 Jahren erlebte das Publikum spannende Debatten mit Gästen aus der Filmwelt Kubas und konnte sich durch die Filme über die gesellschaftlichen Entwicklungen Kubas informieren.

Cuba im Film 2020
In diesem Jahr feierte das Festival nun sein 25.Jubiläum und es sollte eine ganz besondere Ausgabe werden. Und dann kam die Covid-19-Pandemie und die Kinos wurden in Deutschland und Kuba geschlossen, es gab keine Flüge mehr und die deutsche Botschaft erteilte keine Visa mehr für Kubanerinnen und Kubaner. Die Festivalgruppe entschloss sich, das Festival in den Oktober zu verlegen, im Glauben, dass sich dann die Situation verbessert haben würde. Das war nur bedingt der Fall: Nur unter strengen Hygienebedingungen konnte "Cuba im Film" stattfinden mit Sitzplatzbeschränkung auf 24 Plätze, Maskenpflicht und so weiter – aber dafür mehr Vorstellungen der aktuellen kubanischen Filme als üblich. Ein Streaming Festival, ohne Kontakt mit dem Publikum war für uns undenkbar, die Präsentation der tollen aktuellen Produktionen auf unbestimmte Zeit zu verschieben auch, also zeigten wir trotz aller Widrigkeiten die zahlreichen aktuellen Produktionen und Highlights der Filmgeschichte direkt im Kino und ernteten dafür die Zustimmung und Anerkennung unseres Publikums.


Der Regisseur des Eröffnungsfilms "Nido de Mantis", Arturo Sotto, der aufgrund der Corona-Einschränkungen nicht nach Frankfurt-Höchst kommen konnte, hatte in einer Videobotschaft darauf hingewiesen, dass das Filmforum im Moment mit Ausnahme von ein paar Haushalten in Kuba und anderswo der einzige Ort sei, in dem kubanische Filme gemeinsam angeschaut werden. Eingebettet in einen Kriminalfall im Osten Kubas lädt sein Film auf spannende und humorvolle Art und Weise zu einer Reise durch die wichtigen Etappen der Geschichte Kubas nach 1959 ein. Dabei steht die Auseinandersetzung zwischen der alten Welt und den revolutionären Schritten im Vordergrund, wie sich die Menschen engagieren, experimentieren und die Widersprüche austragen. Die Erzählungen gewinnen ihren besonderen Ausdruck dadurch, dass die Rahmenhandlung in Farbe, die Vergangenheit in schwarz/weiß erzählt wird. Ähnlich wie bei den anderen aktuellen Produktionen dieses Festivals fließen auch hier übergreifende Themen wie z. B. die Rolle der Frau, Opportunismus, Umgang mit Traditionen oder Migration ein.

Großen Zuspruch fanden die weiteren aktuellen ICAIC Produktionen, die als deutsche Erstaufführungen präsentiert wurden: "Inocencia" von Alejandro Gil und "Club de Jazz" von Esteban Insausti, in denen sich das breite stilistische und inhaltliche Spektrum des kubanischen Filmschaffens abbildet.

Wir freuten uns besonders darüber, dass wir mit "Insumisas" den jüngsten Film von Fernando Pérez, des bekanntesten Regisseurs der Insel, präsentieren konnten. Die Handlung basiert auf einer wahren Geschichte: Eine Schweizer Ärztin begibt sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts – als Mann verkleidet und auf der Suche nach ihrem entführten Kind – nach Kuba, praktiziert dort und erlebt schmerzlich rassistische und sexistische Gewalt. Der Film ist in der Kolonialzeit verortet, wird aber durch die erstklassige Umsetzung zu einer universellen Filmproduktion.

Von Arturo Infante hatten wir schon mehrere Kurzfilme bei uns vorgestellt und zeigten in diesem Jahr nun seinen ersten mit Science-Fiction-Elementen angereicherten Langfilm "El Extraordinario Viaje de Celeste Mendoza", der einen deutschen Verleih gefunden hat. Und mit "Agosto" präsentierten wir schließlich ein beim letztjährigen Filmfestival in Havanna als besten Erstlingsfilm ausgezeichnetes Werk von Armando Capó Ramos als weitere deutsche Erstaufführung. Ein Wiedersehen mit Klassikern der Filmgeschichte durfte natürlich nicht fehlen, zumal die Auseinandersetzung mit der cineastischen Tradition auf der Insel von unserem Publikum immer schon wertgeschätzt wurde. Neben den international bekannten Werken wie "Memorias del Subdesrrollo" – "Erinnerungen an die Unterentwicklung" von T. G. Alea, "Lucia" von Humberto Solás und "Las Aventuras de Juan Quinquin" von Julio García Espinosa, der sich hier mehrerer Filmgenres bedient und diese in sehr amüsanter Weise kreuzt, stand die Wiederentdeckung des in Vergessenheit geratenen Dokumentarfilmers Nicolas Guillén Landrián auf dem Programm, der stilistisch neue Wege ging.

In einer Zeit, in der Kuba durch die nochmals verschärfte US-Blockade und durch Covid19 doppelt gebeutelt ist, konnte die Informationsveranstaltung zum kubanischen Gesundheitssystem mit Klaus Piel von der Humanitären Cuba Hilfe e.V. Zuversicht für die kommenden schwierigen Zeiten verbreiten. Der faktenreiche Vortrag hat über die Errungenschaften der vielschichtigen und einzigartigen Gesundheitsversorgung im Land selbst (beispielsweise Familienärztinnen und -ärzte, niedrige Kindersterblichkeit, Ausbau der Pharmaforschung) und über die internationalistischen medizinischen Hilfen informiert. Durch zielgerichtete und kompetente Maßnahmen konnte effektiv gegen Covid19 in Kuba selbst vorgegangen und in den vergangenen Monaten mit den Ärzteteams in fast 30 verschiedenen Ländern der Welt die dortige Bevölkerung unterstützt werden. Während kubanische Medikamente zur Behandlung von Covid19 schon erfolgreich eingesetzt werden, hat die Impfstoff-Forschung in kubanischen Laboren einen wichtigen Entwicklungsstand erreicht.

Auch wenn das diesjährige Jubiläumsfestival nicht als rauschendes Fest mit Musik, Tanz und Gästen aus Kuba gefeiert werden konnte, so war es auch diesmal ein "Fenster zu Kuba". Es spiegelte das Leben der Menschen in Kuba wider mit all ihren Wünschen und Träumen, mit ihrer Nachdenklichkeit, ihrer Kritik, ihrem Mut, die anstehenden Probleme zu meistern. Der Blick auf die letzten elf Tage im Filmforum Höchst, aber auch der auf die vielen Debatten und Begegnungen der mittlerweile 25 Festivals, zeigen die Stärken des kubanischen Films. Bereits kurz nach dem Triumph der Revolution 1959 war in Kuba ein Kulturgesetz erlassen worden, in dem es lapidar hieß: "Film ist Kunst". Der Film hat die Geschichte des revolutionären Kubas kritisch und solidarisch begleitet. Mit Engagement der Filmemacher*innen, auch über die harten Jahre der "Periodo Especial" hinweg und auch beim Umgang mit der rasanten digitalen Weiterentwicklung, wurden in den vergangenen beiden Dekaden neue künstlerische Formen gefunden und oftmals gewagte und tabubrechende Themen angegangen. Das aktuelle Filmgesetz, das den rechtlichen Rahmen und gleichzeitigen Zugang zur Filmförderung für unabhängige Produktionen schafft, lässt hier eine weitere Dynamik erwarten. Das hohe künstlerische Niveau im Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilm sowie die in den aktuell gezeigten Produktionen aufgegriffenen universellen Themen geben dem kubanischen Kino weiterhin einen festen Platz in der lateinamerikanischen und internationalen Filmwelt.

CUBA LIBRE Kurt Bovensiepen, Festival Cuba im Film

CUBA LIBRE 1-2021