Von der Kolonie zur Republik

Ein wohlwollender Blick auf die sozialistische kubanische Wirtschaft.

Vor der Revolution war Kuba Eigentum der USA


Die wirtschaftliche Abhängigkeit Kubas in Bezug auf die USA verfestigte sich seit dem 18. Jahrhundert eigentlich unter der politischen Form der spanischen Kolonisation. Kurz nach der Unabhängigkeit wurden die USA zum hauptsächlichen Absatzmarkt der Exporte Kubas, das für diese zum wichtigsten Außenmarkt wurde. Die kubanischen Exporte gingen 1850 zu zwei Dritteln in die USA, 1875 zu 85 Prozent, 1895 zu 90 Prozent. Kuba war um 1895 deren zweiter externer Absatzmarkt für ihre Güter. Im Aufstieg zur Weltvorherrschaft traten die USA 1898 in den spanisch-kubanischen Krieg ein, besetzten die Insel bis 1902 und räumten sich dann von 1906 bis 1919 durch den "Platt-Zusatzartikel" das Recht ein, militärisch zu intervenieren. Teile des kubanischen Territoriums wurden ihnen zwecks militärischem Gebrauch überlassen, darunter die Basis Guantanamo – die zurückzugeben sie sich bis heute weigern und deren Gebrauch bekannt ist.

Seeschlacht vor Santiago de Cuba am 3. Juli 1898
Nach der Seeschlacht vor Santiago de Cuba am 3. Juli 1898 zwischen den Flotten der USA und Spaniens fiel Kuba in US-amerikaniche Hände
Foto: Gemeinfrei


Zwischen 1898 und 1958 wurde die Abhängigkeit Kubas monetär und finanziell. 1925 stand die Insel weltweit an dritter Stelle der Kapitalexporte der US-amerikanischen Hochfinanz. Die USA waren Ausstatter und Kunde von Kuba, aber auch dessen Besitzer. Die Protagonisten dieser neuzeitlichen "Conquista" waren J. P. Morgan (von 1914 bis 1929) und die Rockefellers (von 1933 bis 1958), die sich die absolute Kontrolle der Insel sicherstellten: Zucker, Minen, Energie, Bahnen, Banken... Aber zur selben Zeit lebte eine Mehrheit der Bevölkerung in Armut oder sogar in der Misere. 50 Prozent der Ärmsten erhielten 10 Prozent der Einkünfte und 5 Prozent der Reichsten knappe 30 Prozent. Ein großer Teil der Arbeiter war arbeitslos. Kuba konsumierte nicht, was es produzierte, noch produzierte es, was es konsumierte. Die Vernunft rief nach einem Bruch, ebenso wie der Geist von Freiheit und Gerechtigkeit.

Die kubanische sozialistische Wirtschaft von 1959 bis 1989



Berittene Revolutionäre am 1. Januar 1959

Kuba ist frei. Berittene Revolutionäre am 1. Januar 1959
Foto: Raúl Corrales Forno / gemeinfrei


Die Revolution triumphierte am 1. Januar 1959. Mit einer mittleren Produktionssteigerung von jährlich 5 Prozent war die wirtschaftliche Leistung von Kuba zwischen 1959 und 1989 nicht schlecht. In Lateinamerika erreichte einzig Brasilien mehr, Mexiko gleich viel. Dank der Hilfe der UDSSR realisierte die kubanische Wirtschaft in dieser Zeitspanne beachtliche Fortschritte. In der Landwirtschaft wurde der Großgrundbesitz abgeschafft, die Grundstücke und die natürlichen Ressourcen besser genutzt, die Ernten mechanisiert und die Technologien vereinheitlicht. Moderne Zucker-Raffinerien wurden gebaut und Landmaschinen fabriziert. Die Beschaffung landwirtschaftlicher Betriebsmittel wurde teilweise gemeistert, Dünger, tierärztliche Medikamente, Produkte der Ernährung... Die energetische Basis wurde erweitert und es wurde massiv in die Infrastruktur investiert. Die Nickel-Industrie wurde erweitert und modernisiert. Um 1989 waren industrielle Zweige vorbereitet worden, um die Abhängigkeit vom Ausland etwas zu reduzieren. Einer der Erfolge dieser Strategie war der Aufbau eines leistungsfähigen Gesundheitssystems. Sogar in der Elektronik wurden in Zusammenarbeit mit der DDR Fortschritte erzielt.

Zugegebenermaßen dauerten am Ende der 80er-Jahre viele Schwächen an wie nicht gedeckte landwirtschaftliche Nachfrage, ungenügende Industrialisierung, wenig diversifizierte Exporte. Aber die Beziehungen zur UDSSR waren alles andere als die imperialistische Periode. Die Sowjets hielten weder Produktionsmittel noch Land auf der Insel. Eine Entwicklung begann erst 1959, auch wenn sie sich in Kuba nie ganz in den eigenen Mittelpunkt stellen konnte. Der Sozialismus wurde nicht importiert oder aufgezwungen; er war das Produkt der übereinstimmenden Interessen der revolutionären Kräfte bezüglich der Forderung nach nationaler und sozialer Entwicklung. Die Insel blieb 1989 auf Zucker spezialisiert, aber die sozialen Fortschritte erlaubten es, die Lebensbedingungen zu verbessern und die Gesellschaft zu vereinheitlichen. Die soziale Sicherheit wurde aufgebaut und die Umverteilung der Einkünfte reduzierte die Ungleichheiten. Die sozialen Fortschritte Kubas sind international anerkannt, und die Basis dieses Erfolgs wurde seit den 1960er-Jahren errichtet.

Die "Spezialperiode"

Der Zusammenbruch des Sowjetblocks stürzte die kubanische Wirtschaft in eine schwerwiegende Krise. Der Wegfall des Außenhandels zog denjenigen von Investitionen und Konsum nach sich, verstärkt durch eine Verschärfung der US-Blockade und der erhöhten Außenschuld. Die Produktion brach zwischen 1990 und 1993, dem Tiefpunkt der Krise, um 35 Prozent ein. Das Land musste von neuem einen Wechsel seiner Technologien, seiner Au฿enmärkte, der Versorgung vornehmen ...Nach dem relativen Überfluss der 80er-Jahre begann auf der Insel der materielle Notstand. Das Budgetdefizit vertiefte sich wegen schlechterer Erträge staatlicher Unternehmen und des politischen Willens, den sozialen Zusammenhalt aufrecht zu erhalten und einen Verfall der Beschäftigung, der Löhne und der sozialen Dienstleistungen zu vermeiden. Die Inflation war hoch, der kubanische Peso geschwächt. In diesem extrem schwierigen Kontext der 1990er-Jahre wurden die Reformen der "Spezialperiode" in die Wege geleitet. Die Antwort auf die Krise bestand darin, dem Schlag zu widerstehen, indem die Kosten der Anpassung verteilt (1990–1993), die Produktivkräfte reaktiviert wurden, um sich wieder in den Weltmarkt einzubringen (1993–1996) und die Effizienz, um den Druck von außen zu mildern, verbessert wurde (1996 bis 2000). Neue Wachstumsantriebe – Tourismus, fremde Investitionen und Devisentransfers – lösten den Zucker ab, maximierten den Eingang von Devisen und garantierten die Bedürfnisse der Bevölkerung. Der Zufluss von Kapital, den sie nach sich zogen, erlaubte ein neues Wachstum. Die Erholung war Ende 1994 geschafft.

Die Wahl, sozialistisch zu bleiben, trägt Früchte

Die internen Ungleichheiten wurden nach und nach aufgehoben, zuerst die öffentlichen Defizite. Die Inflation wurde gebändigt, der Peso stieg. Mit den fremden Geldgebern wurden Übereinkommen getroffen, um die Auslandschuld neu zu verhandeln. Es ist die Zeit der Suche nach Produktivität und Effizienz immer unter Wahrung der sozialen Rechte und ohne die Vollbeschäftigung in Frage zu stellen. Im Gegensatz zum ehemaligen Sowjetblock wurden die kubanischen Reformen ohne eine Rückkehr zum Kapitalismus umgesetzt: kein Finanzmarkt, keine Anhäufung privaten Kapitals, keine Privatisierungen, keine Schließung von Schulen oder Krankenhäusern. Es ist der Wille Kubas, sein sozialistisches Projekt zu retten, welches die Unterschiede in der Entwicklung seiner sozialen Indikatoren im Vergleich zu Russland erklärt: Zwischen 1990 und 1994 fiel die Lebenserwartung in Russland von 64 auf 57 Jahre, während sie in Kuba von 73 auf 74 Jahre stieg; die Kindersterblichkeit verschlechterte sich in Russland von 1,7 auf 2 Prozent, fiel hingegen in Kuba von 1,1 auf 0,9 Prozent. 1995 wurde der Anteil der Bevölkerung unter der Schwelle der Armut in Russland auf 35 Prozent geschätzt, gegenüber 14 Prozent in Kuba.

Obwohl die Ungleichheiten während der Spezialperiode viel zu stark gestiegen sind, hat die Strategie der "recuperación" ihr Ziel erreicht. Die Pfeiler des Systems stehen: Erziehung und Gesundheit sind gratis; Beschäftigung, Rente und Unterkunft garantiert; Elektrizität, Wasser, Telefon und Transport kosten wenig, so wie auch die Grundernährung mit der libreta; Forschung und Internationalismus sind dynamisch. Gemäß internationalen Angaben sind die Erfolge Kubas auf vielen Gebieten der menschlichen Entwicklung bemerkenswert: Gesundheit (Medizin, Krankenhäuser), Erziehung (Schulen, Erfolg bei internationalen Tests), Schutz der Kinder (pränatale Pflege, Impfungen, Krippen, Fehlen von Kinderarbeit), Bedingungen der Frauen (wirtschaftliche und politische Beteiligung, Schutz der Mutterschaft), Arbeit (schwache Lohnungleichheit, geringe Arbeitslosigkeit), Sicherheit (wenig Kriminalität), wenig Ungleichheit Stadt-Land (begrenzte städtische Demographie, ländliche Infrastruktur), Umwelt (Aufforstung, Bio-Landwirtschaft), Kultur (Bibliotheken, Filme)...

Den relativen aber reellen Erfolg der Erholung verdankt Kuba vor allem der Planung seiner Entwicklungsstrategie und der Rolle des sozialistischen Staates als Garant des sozialen Konsens und der Volkskonsultation. Die Marktöffnung, deren Platz toleriert wird, hat bis anhin nicht zu einer Rückkehr zum Kapitalismus geführt. Der Tourismus hat eine Verzerrung gebracht im Zugang der KubanerInnen zu Devisen, aber der Staat organisiert den Ausgleich der Geldmittel, um die öffentlichen Dienste aufrecht zu erhalten. Fremde Investitionen und Joint Ventures wurden gefördert, während man die Rechte der Arbeiter schützte. Die Sendungen von Devisen haben die Ungleichheiten vergrößert, aber der Staat kontrolliert die nationale Anhäufung privaten Kapitals.

Einige aktuelle Herausforderungen

Es wird am Staat liegen, die Mittel zu finden, um die Abhängigkeit vom Tourismus zu reduzieren, der am Ende mehr Ressourcen verschlingen kann, als er generiert. 2005 wurde das Niveau des BIP von 1989 endlich übertroffen. Aber die Exporte tragen zu wenig zum Wachstum bei (außer der von Nickel) und die Auslandschuld ist bei weitem nicht getilgt. Der Kampf gegen die Korruption muss verdoppelt werden, auch wenn die fremden Unternehmer wissen, dass die Führungskräfte der Revolution nicht korrumpierbar sind. Die US-Blockade und die Re-Dollarisierung sind gigantische Aufgaben für die Revolution. Eine Herausforderung des 21. Jahrhunderts für das sozialistische Projekt wird also die Modernisierung der Ziele, Werkzeuge und Institutionen der Planung sein, um die Belebung zu konsolidieren. Der Staat wird die Entwicklungsstrategie neu definieren müssen, um die Unannehmlichkeiten zu begrenzen, die mit dem Tourismus, den ausländischen Investitionen und dem Transfer von Devisen verbunden sind, und um sich hin zu einer produktiven, modernen, exportintensiven, effizienten und wissensstarken Basis zu entwickeln. Dem Sozialismus treu bleiben, das Prinzip von Gerechtigkeit und Gleichheit erneut bekräftigen, die Entwicklung des sozialen Fortschritts und der nationalen Souveränität voran treiben, die Mitsprache des Volkes ständig ausweiten – all dies wird die Bedingung sein für den kommenden Erfolg der kubanischen Revolution.

CUBA LIBRE Rémy Herrera, Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), Paris

CUBA LIBRE 1-2021