Die Ausbreitung der Corona-Pandemie machte auch vor Kuba nicht halt. Ende Februar wurde erstmalig eine COVID-19-Erkrankung auf dem kubanischen Festland nachgewiesen. Dies ging nicht spurlos am Proyecto Tamara Bunke vorbei und brachte Konsequenzen wie das vorzeitige Ende des Schuljahres und Universitätssemesters am 25. März mit sich. Die sonst üblichen Kurse an der CUJAE konnten nicht wie gewohnt für die Teilnehmer des Proyectos stattfinden. Bis auf eine Person entschied sich deshalb die neue Gruppe des Proyecto Tamara Bunke, die erst Mitte Februar angereist war, Anfang April nach Deutschland zurückzukehren. Ein Teil der aus der vorherigen Gruppe verbleibenden Bunkistas musste die Insel vorzeitig verlassen, da der reguläre Flugverkehr eingestellt wurde. Übrig blieben 3 Bunkistas. Uns bot sich die Möglichkeit mitzuerleben, wie Kuba versucht, einer Pandemie Herr zu werden und wie die Präventionsarbeit funktioniert.
Kuba hat einen Katastrophen- und Seuchenschutzplan (KSP) erstellt, lange bevor COVID-19 auf der Welt zirkulierte, und konnte durch diese Präventionsmaßnahme – welche einst eine Aufforderung der UNO an alle Mitgliedsstaaten war – sofort nach Ausbruch der Krankheit reagieren. Wir und alle anderen ausländischen Studenten mussten ganze drei Monate im Lockdown auf dem Universitätsgelände der CUJAE verbringen, wo uns die Mensa mit Frühstück und zwei weiteren warmen Mahlzeiten täglich versorgte. In erster Linie war dies eine Schutzmaßnahme, damit wir uns nicht mit COVID-19 infizierten.
Unser selbst hergerichtetes Gebäude, die "Casa Tamara Bunke", mussten wir verlassen und in ein Ausweichgebäude umziehen, da es im Corona-Schutzplan als Quarantänegebäude für Reiserückkehrer und Verdachtsfälle vorgesehen war. Bei den Bau- und Säuberungsarbeiten unterstützten wir Reinigungskräfte gemeinsam mit dem kommunistischen Jugendverband UJC. Direkt nach Beendigung der Arbeiten bezogen die ersten Patienten und das medizinische Personal das Gebäude. Mit einer größeren Gruppe gingen wir jeden Abend vor das Gebäude, klatschten für die Mediziner und Reinigungskräfte und dankten ihnen. Dies blieb nicht der einzige Rahmen der Wertschätzung, an dem wir uns beteiligten. Die Ärztebrigaden "Henry Reeve", die aus Italien und Andorra wiederkehrten, fuhren bei der Rückkehr mit Bussen durch Havanna und wurden auf den Straßen von uns und vielen anderen Menschen bejubelt.
Trotz der Quarantäne wurden wir regelmäßig von Ärzten aufgesucht, die sich nach unserem Gesundheitszustand erkundigten. Die Betreuung durch die Ärzte der CUJAE fanden wir sehr beeindruckend und wir bekamen auf Nachfrage auch für jeden einen Nasen-Mund-Schutz. Der Nasen-Mund-Schutz ist seit März Normalität in Kuba, im Fernsehen sahen wir Anleitungen, um ihn zuhause selber herzustellen. Die Masken werden vom Gesundheitsministerium verteilt und ebenso von Kubanern produziert und für wenige Peso Cubano verkauft. In der Öffentlichkeit und im Nahverkehr dürfen wir uns nicht ohne ihn bewegen. Wir konnten in Havanna eine sehr breite Akzeptanz für das Tragen feststellen, auch wenn es immer wieder – meist junge – Menschen gibt, die undiszipliniert sind und den Nasen-Mund-Schutz nicht richtig oder gar nicht tragen. Durch das Abstandsgebot, die Nachverfolgung der Infektionsketten und die Aufklärung über die Übertragungswege des Virus konnte die Infektion in Kuba eingedämmt werden und befindet sich hier unter Kontrolle. Ohne eine umfassende Aufklärung und die Bereitschaft der Bevölkerung, an den getroffenen Maßnahmen mitzuwirken, hätte das nicht funktioniert.
COVID-19 ist jedoch nicht die einzige Krankheit, mit der sich Kuba auseinanderzusetzen hat. Durch die üblichen Regenfälle kam es im Mai 2020 zu einer größeren Population der Stechmücke Aedis Aegyptis, welche u. a. das Dengue-Virus überträgt. Seitdem wurden wir täglich von Ärzten und Krankenschwestern aufgesucht um die Körpertemperatur zu messen. Sie hatten uns schon im März darum gebeten, bei jeder Art zu körperlicher Beschwerden sofort vorbei zu schauen, um abzuklären, was der Ursprung der Beschwerde ist. Dies führte zu einer erstaunlichen Entwicklung: Denn wir gingen von nun an bereits zum Arzt, wenn wir Beschwerden hatten, und nicht erst ab den Moment, indem wir bereits spürbar erkrankt waren, wie es für uns in Deutschland sonst üblich ist. Egal, mit welcher Beschwerde wir kamen, die Ärzte und Krankenschwestern nahmen sich Zeit und wir wurden direkt behandelt. Es kam dadurch zu mehreren Krankenhausaufenthalten für einige von uns, unter anderem zu einem Ultraschall-Termin und einer vorsorglichen ärztlichen Quarantäne zur Dengue-/Corona-Beobachtung. Nach der ärztlichen Anordnung dauerte es nur wenige Minuten, um einen Termin für Untersuchungen und einen Transport zum Krankenhaus zu organisieren. Durch den regelmäßigen Kontakt mit den Ärzten vor Ort und die genaue Erklärung der Behandlung fühlten wir uns in guten Händen. Die Ärzte meldeten sich sogar telefonisch im Krankenhaus, um nachzufragen, ob man sich wohl fühle, und kümmerten sich um den Rest der Gruppe. Wir gewannen schnell Vertrauen ins kubanische Gesundheitssystem und hätten uns einen Krankenhausaufenthalt nicht schöner vorstellen können.
Auch so etwas erlebt man im Proyecto Tamara Bunke.
Raven und Daniel, Havanna
CUBA LIBRE 4-2020