Was tat der Kubaner im All?

40 Jahre Cuba Libre, Zeitschrift der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Mit Recht ist das kubanische Volk stolz auf seinen Astronauten Tamayo, der für einige Tage in der Weltraumstation "Saljut 6" weilte. Es wurde damit erneut bewiesen, daß Kuba zu Spitzenleistungen fähig ist. Bewiesen war jedoch auch, daß diese Leistung nur von dem sozialistischen Kuba errungen werden konnte.

Bei der gebührenden Berücksichtigung der politischen Bedeutung dieses Weltraumfluges sollte jedoch auch daran gedacht werden, daß Tamayo nicht aus Prestigegründen in das Weltall "geschossen" wurde. Tamayo war auch kein "Gehilfe" für Experimente, die allein von der UdSSR geplant und ausgewertet wurden. Im Gegenteil: Tamayo leistete eine intensive wissenschaftliche Arbeit, die grundlegend in jahrelanger Arbeit von teilweise nur kubanischen Wissenschaftlern vorbereitet wurde, teilweise in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus anderen sozialistischen Ländern gestaltet wurden.

Die sowjetisch-kubanischen wissenschaftlichen Untersuchungen teilen sich in vier große Gruppe ein:

- Medizinisch-biologische Forschung
- Physikalisch-technische Forschung
- Psychometrische Experimente
- Erkundung der Erde.

Bei den medizinisch-biologischen Untersuchungen wurden einmal das Verhalten der Kosmonauten untersucht mit dem Ziel, eine schnellere Anpassung der Kosmonauten an die neue Umgebung und die neuen Bedingungen zu erreichen. Es geht also um die Erhöhung der Produktivität der zukünftigen Kosmonauten. Darunter fällt auch die Untersuchung des Streß, ein zwar weitbekanntes, aber noch wenig untersuchtes Phänomen. Weiterhin wurde die Zellteilung sowie speziell die Wachstumsdynamik von Fermenten analysiert.

Die physikalisch-technische Forschung war weitgehend Untersuchungen des Zuckers gewidmet. Besonders wurde das Wachstum von Zuckerkristallen unter der Bedingung der Schwerelosigkeit untersucht. Darüber hinaus wurde ein besonderer Wachstumsprozeß untersucht, die zonale Fusion mit Temperaturgradienten. Mit diesen Untersuchungen haben die kubanischen Wissenschaftler absolutes wissenschaftliches Neuland betreten, wurden im Weltraum doch bisher lediglich Kristalle aus anorganischen Substanzen untersucht, nun wurden zum ersten Mal Kristalle aus einer organischen Substanz untersucht.

CUBA LIBRE, 3-1980

Die psychometrischen Untersuchungen beziehen sich auf Wahrnehmungsveränderungen während des Weltraumfluges. Es geht insbesondere um die psychologische Anpassung des Menschen an die neue Umgebung bis hin zur Untersuchung einer musikalischen Show, die, von kubanischen Psychologen mit vorbereitet wurde, und die auf Videokassette aufgezeichnet, der Unterhaltung der Kosmonauten dient.


Der Erkundung der Karibik und speziell Kubas dienen weitere zahlreiche Experimente. Besonders mit Hilfe der in der DDR entwickelten multispektralen Kamera "Zeiss MKF-6" wurden geologische, meteorologische und ozeanographische Beobachtungen durchgeführt. Insbesondere ging es um die Erforschung der Bodenschätze, der Bestimmung von Anbauflächen und der Feststellung der Umweltverschmutzung. Auch erhofft man sich Aufschlüsse über spezifische meteorologische Erscheinungen wie die Taifune und Zyklone.



Seit 1977 bereitet die kubanische Akademie der Wissenschaften die Forschungsarbeiten vor, die von Tamayo und Tamarenko durchgeführt wurden. An der Vorbereitung waren über fünfzig kubanische wissenschaftliche Institutionen und Unternehmen beteiligt, an der Entwicklung und Konstruktion der Geräte waren über 500 kubanische Wissenschaftler, Techniker und Arbeiter direkt beteiligt. Die Auswertung der Aufzeichnungen und Erfahrungen von Tamayo werden noch viel Zeit in Anspruch nehmen,aber schon heute steht fest, daß die kubanische Wissenschaft bedeutende Impulse durch diesen Raumflug erhalten hat. Ein deutliches Zeichen der engen und gleichberechtigten Kooperation zwischen zwei sozialistischen Staaten.

Horst-Eckart Gross, Cuba Libre 3-1980
CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 4-2020