Kubas Gesundheitssystem ist weltweit spitze – in deutschen Redaktionsstuben will man das nicht wahrhaben.
Italiens Außenminister Luigi Di Maio ist nicht als Linker bekannt. Doch am 14. April schrieb er auf Facebook: "Grazie, Cuba!" – Danke, Kuba! Daneben veröffentlichte der Politiker von der "Fünf-Sterne-Bewegung" ein Foto, das die Ankunft von 21 Ärztinnen und Ärzten sowie 16 Krankenschwestern und -pflegern in Turin zeigt, die ihre italienischen Kolleginnen und Kollegen im Piemont bei der Bekämpfung des Coronavirus unterstützen sollten. Schon zuvor war ein Kontingent der "Brigade Henry Reeve" in der besonders schwer betroffenen Lombardei im Einsatz gewesen. Mitte März hatte die dortige Regionalregierung die Insel sowie China und Venezuela um Hilfe gebeten, nachdem die EU und ihre Mitgliedsstaaten Italien die kalte Schulter gezeigt hatten.
Auch im kleinen Andorra arbeiten Medizinerinnen und Mediziner aus Kuba. Als sie Ende März am Flughafen der spanischen Hauptstadt Madrid ankamen, wurden sie von den dort wartenden Taxifahrern und anderen Passagieren spontan mit Applaus begrüßt. Dann ging es in Autobussen weiter in den zwischen Spanien und Frankreich gelegenen Zwergstaat – sehr zum Unwillen der mächtigen USA, die prompt Druck auf Andorra ausübten, die Kontakte mit Havanna abzubrechen. "Ich kenne die Haltung der Vereinigten Staaten", antwortete die andorranische Außenministerin María Ubach, "aber wir sind ein souveränes Land und können selbst die Partner wählen, mit denen wir zusammenarbeiten."
In deutschen Medien war davon nur wenig zu lesen oder zu hören – und wenn doch, dann nicht selten verbunden mit Häme und dem Versuch, die Solidarität Kubas kleinzureden. "Kubanische Ärzte sollen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Italien helfen", schrieb zum Beispiel am 22. März die "Stuttgarter Zeitung". Und weiter: "Dahinter steckt ein Geschäftsmodell, das auf der Karibikinsel schon lange praktiziert wird." Ganz mitfühlend machte man sich Gedanken darüber, dass die Ärzte "bald in Kuba fehlen" könnten. Auch der "Mannheimer Morgen" verkündete am 23. März nahezu wortgleich: "Die kubanische Opposition kritisiert, dass das Land die Versorgung der eigenen Bevölkerung opfere, um mit den verliehenen Ärzten an ausländische Devisen zu kommen."
Damit zeigen die Redaktionen vor allem ihre Unkenntnis des kubanischen Gesundheitssystems. Im Sommer 2019 konnte Kuba offiziell melden, dass das Land inzwischen über mehr als 100.000 aktive Ärztinnen und Ärzte verfügt – neun pro 1.000 Einwohner. Nach den zwei Jahre älteren offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind es zumindest mehr als acht. So oder so steht Kuba damit an der Weltspitze der medizinischen Versorgungsdichte. Deutschland etwa verfügt der WHO zufolge über 4,3 Ärzte auf 1.000 Einwohner, in den USA sind es 2,59.
Es gäbe für den offiziellen bundesrepublikanischen Auslandssender "Deutsche Welle" also gute Gründe, die Personalknappheit im eigenen Land zu diskutieren und zu fragen, was wir von Kuba lernen können – wie es etwa die "New York Times" schon im Januar 2019 getan hat. Doch in Köln räumt man lieber Yoani Sŕnchez Platz ein. Die vom Ausland mittels Honoraren und Preisgeldern ausgehaltene "Bloggerin" darf auf der Homepage der DW eine regelmäßige Kolumne veröffentlichen und über ihr Land herziehen. Am 1. April nutzte sie diesen Platz einmal mehr für den Versuch, das medizinische Personal ihres Landes gegen das sozialistische Gesellschaftssystem auszuspielen. "Obwohl das Gehalt der medizinischen Fachkräfte zu den höchsten in ganz Kuba zählt, entspricht es doch nur dem Gegenwert von 70 Dollar im Monat", heißt es da etwa. "Die Ärzte in Kuba leben praktisch im Elend." Und nutzten die Einsätze im Ausland dann um "aus dem Inselgefängnis herauszukommen". Kein Wort findet sich in dem Beitrag von Frau Sánchez über die anhaltende und unter Donald Trump wieder verschärfte US-Blockade gegen Kuba.
Unterstellt Frau Sánchez demnächst auch ihren deutschen Brötchengebern Unterstützung für das "Regime" in Havanna? Am 14. April notierte "Spiegel online" am Rande eines ansonsten von Untergangsprognosen durchsetzten Artikels, dass es seit einem Jahr Kontakte zwischen Berlin und Havanna zur Entsendung von Pflegekräften gebe: "Die ersten Interessenten büffeln bereits Deutsch." Die Corona-Notsituation habe nun sogar dazu geführt, dass auch über die Entsendung von Ärzten nachgedacht werde, zitiert das Nachrichtenportal den Vertreter der deutschen Handelskammer in Havanna, Gunther Neubert.
André Scheer
CUBA LIBRE 3-2020