Cuba revisited

Zwischen 1939 und 1945, war – gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Ernest Hemingway – Kuba ihre homebase. Anfang April erschien in der Berliner Edition Tiamat der zweite Band der Reportagen – darunter eine 1987 verfasste Reportage über Kuba ("Wiedersehen mit Kuba"). Dieser gilt natürlich innerhalb dieses insgesamt lesenswerten Bandes das Hauptinteresse der Kubafreunde. Nach 41 Jahren kehrt Gellhorn als Zwischenstation für einen Urlaub nach Kuba, an das sie sich kaum erinnert, zurück.

Martha Gellhorn und Ernest Hemingway im Hafen von Havanna (1939)

Martha Gellhorn und Ernest Hemingway im Hafen von Havanna (1939)
Foto: John F. Kennedy Presidential Library, Boston


Und dieser Blick von ihr Kuba bei ihrer Wiederkehr ist spannend und irritierend zugleich, gleich in mehrfacher Hinsicht. Gellhorns Wertekanon ist humanistisch geprägt und so ist sie nie unfair oder blind gegenüber den riesigen Fortschritten, die die sozialistische Revolution den Menschen in Kuba gebracht hat. Sie registriert die außergewöhnliche Freundlichkeit der Kubaner, dass sie nun besser gekleidet und ernährt sind, die Vielzahl der Museen, die Selbstständigkeit der Frauen, usw. usf. Also all jenes, was einen für die Kubanische Revolution einnimmt inklusive ihrer Absage an den Puritanismus. Und sie thematisiert durchaus die Unzulänglichkeiten der kapitalistischen Gesellschaften gegenüber ihren kubanischen Gesprächspartnern.


Das Gesicht des Friedens. Reportagen aus sechs Jahrzehnten

Martha Gellhorn
Das Gesicht des Friedens. Reportagen aus sechs Jahrzehnten
Bd. 2 (1960–1987).
Edition Tiamat,
Berlin 2020, 32 Euro



Zwischendurch hat man das Gefühl, Gellhorn kann nicht aus ihrer Haut: So sieht sie zwar genau, wie wichtig der Tourismus für Kuba ist und wie schwierig die wirtschaftliche Situation Kubas durch die Blockade ist, empfiehlt aber dringend, sich kulinarisch zu verbessern, wenn man mehr Touristen möchte.


Was eher irritiert, ist Gellhorns geäußertes scheinbares Desinteresse – sei es gegenüber dem feudal-autoritären Kuba ("Das Dorf unterhalb unserer Finca war eine Ansammlung von Häusern wie diese; auch über das Dorf wußte ich nichts, außer dass es ein Postamt hatte. Die Kinder winkten wenn ich vorbeifuhr, ich winkte zurück, viel Lächeln. Sie liefen in Lumpen herum, ohne Schuhe, und alle waren unnatürlich dünn.") und das gegenüber den Entwicklungen des sozialistischen Kubas ("Ich war nicht nach Kuba gekommen, um den Kommunismus zu studieren, sondern um zu schnorcheln.").


Hier sei dem Leser empfohlen, das Nachwort von Kaus Bittermann zuerst zu lesen – es trägt viel um Verständnis von Gellhorns Haltung bei. Eine lohnenswerte Lektüre ist das Buch auf jedem Fall.



CUBA LIBRE Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 3-2020