Eine Revolte wird nicht stattfinden!


Raúl Capotes Leben als Doppelagent

Am 27. Februar 2020 stellten in der gut besuchten Ladengalerie der jungen Welt deren ehemaliger Chefredakteur Arnold Schölzel und jW-Autor Volker Hermsdorf das Buch "Der andere Mann in Havanna – Abenteuer eines kubanischen Undercover-Agenten in der CIA" von Raúl Capote vor. "Enemigo" (Feind) heißt es im Original und wurde am 18.2.2012 vom damaligen kubanischen Kulturminister Abel Prieto, der auch eines der Vorworte lieferte, auf der Buchmesse in Havanna präsentiert.

Raúl Capote hat hier seine Autobiografie vorgelegt – und die hat es in sich: Thema ist der psychologische Krieg der USA gegen Kuba und die Abwehr in den sozialistischen Ländern. Der kubanische Schriftsteller und Professor für Geschichte enthüllt sein Leben als Doppelagent: als "Pablo" für die CIA und als "Daniel" für die kubanische Sicherheit. Dies ist kein Agenten-Thriller oder eine sonstige Form von Fiktion, sondern der sehr reale Bericht über die ebenso realen Pläne der CIA und ihrer Verbündeten, die Kubanische Revolution zu zerstören.

Mit 18 Jahren erfuhr der 1961 geborene damalige Vizevorsitzende von "Hermanos Saiz" – einer Vereinigung kritischer junger Schriftsteller – in der Provinz Cienfuegos, von der kubanischen Regierung, dass die CIA an ihm Interesse hätten. US-Offizielle kontaktierten ihn und boten ihm viel Geld für das Publizieren "kritischer" Literatur.

Capote arbeitete dann an der Universidad Enrique José Barona in Havanna , was ihm Einfluss auf Studenten sicherte. Das Ansinnen der USA, die Jugend aufzuwiegeln, fand Capote besonders verwerflich.

Buchvorstellung R&aucute;ul Capote

Volker Hermsdorf (l.) und Arnold Schölzel stellen das Buch von Rúul Capote vor
Foto: Marion Leonhardt


In den 1990ern besuchten Offizielle der USIS (Interessenvertretung der USA in Kuba) Capote mit steigender Häufigkeit. Ausschlaggebend waren wohl seine relativ hohe Position in der Gewerkschaft und seine zahlreiche Verwandtschaft in den USA. Capote berichtet von den vielen politischen Tests, denen er von US-Seite unterzogen wurde (er redet ihnen aber nie nach dem Mund), die Technik, die sie ihm lieferten und den Verhaltensinstruktionen, die sie ihm mit auf den Weg gaben wie etwa die, sich von Dissidenten fern zu halten.

Capote notiert auch das Problem "Feind". Der Kontakt zum Feind verändert einen für immer. Und es gibt noch einen Aspekt, den Schölzel auch in der DDR ausmachte: Unter Berufung auf den Feind werden manchmal auch Kritik und Aktivitäten unterbunden.

2005 schloß die CIA ihre Studie über und Tests für Capote ab. Er wurde offiziell von Rene Greenwald angeworben. Greenwald ist CIA-Veteran, der schon in den 1960ern an Undercover-Aktionen gegen Kuba teilgenommen hatte und in Bolivien, Ecuador und Peru in dreckige Kriegsoperationen involviert gewesen war.

Die CIA halluzinierte 2006 – nach Fidels Rücktritt von allen Ämtern – den Zusammenbruch Kubas herbei: Und nichts passierte. Drew Blackeney, Sprecher USIS, zitiert Raúl ins SINA. Der Plan ist, dass zur Besetzung des Landes aufgerufen werden soll. Die Regierung der USA soll um Hilfe – sprich um Invasion – gebeten werden. Das ist der Job für jemanden, der Kubaner ist und nichts mit den tumben Dissidentengruppen zu tun hat. Die CIA entscheidet, dass Pablo genau der richtige dafür ist, die Proklamation zu redigieren und die Ansprache im Fernsehen zu halten. Hier kommt Capote an Grenzen. Er überlegt, als aufrechter Revolutionär, sich dem zu verweigern, stattdessen eine revolutionäre Parole ("Patria o muerte") zu rufen. Aber es bleibt ihm erspart. Der Konterrevolutionär Darsi Ferrer sollte den Aufstand in Havanna Vieja anzetteln als Ausgangspunkt für den Ruf nach einer Intervention von Seiten der USA per Fernsehansprache. Dazu suchte der sich eine verlassene Ecke der Altstadt und warf einige Flugblätter in die Höhe. Vorbeikommende ältere Damen dachten, er sei verrückt. Die Revolte fand nicht statt!

Kuba macht – auch aus humanitären Gründen – seine Kundschafter nach einigen Jahren öffentlich und stellt sie damit außer Dienst. Denn für die Betroffenen ist die Situation extrem belastend. So war es auch für den überzeugten Revolutionär Raúl Capote das Schlimmste, dass sich Teile seiner Familie , seiner Bekannten von ihm abwandten, da er – so erforderte es sein Auftrag – sich mit US-Amerikanern umgeben musste und dem American Way of Life nachhing, dem consumismo fröhnte. Dies musste er stillschweigend erdulden, ohne sich erklären zu können. Das hielt er nur durch, weil ihn sein Wille zur Verteidigung der Kubanischen Revolution antrieb. 2010 bat ihn der kubanische Staat, seine Arbeit und die Methoden des dreckigen Krieges der USA gegen Kuba öffentlich zu machen.

Der US-Imperialismus macht mit seinen Aktionen gegen Kuba weiter.

Doch Kuba wird sich auch weiterhin verteidigen und die meisten Pläne der USA werden scheitern, Dank der Arbeit, Hingabe und Opfer von Menschen wie Raúl Capote.

Es ist das Verdienst des Buches, uns dieses Thema nahe gebracht zu haben. Leider ist die Übersetzung (aus dem Italienischen, nicht aus dem Spanischen Original) etwas holprig, das Lektorat hätte aufmerksamer erfolgen können und ein Register mit Namen und Orten wäre hilfreich gewesen. Vielleicht ja dann in der nächsten Auflage! Denn die ist dem Buch zu wünschen, da der Leser durchaus mit einer spannenden Lektüre über ein Thema, das uns alle berührt, belohnt wird.

Raúl Capote
Der andere Mann in Havanna.
Abenteuer eines kubanischen Undercover-Agenten in der CIA
Zambon-Verlag

CUBA LIBRE Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 2-2020