59 Jahre Invasion in der Schweinebucht

Konterrevolution, Gegenwehr und Klassenfrage.

Die Methoden des Imperialismus, sich die Welt untertan zu machen, können variieren. Auch wenn sie neuerdings oft als "law-fare", als Infragestellung regulärer Wahlergebnisse oder als massive Beeinflussung der Bevölkerung durch Manipulationen im Internet daherkommen: immer handelt es sich in ihren Folgen um brutale Gewaltanwendung. Diese richtet sich gegen die Mehrheit der einfachen Menschen in den betroffenen Regionen beziehungsweise gegen deren Recht, ihre Gesellschaften nach ihren Vorstellungen zu organisieren. Wollen sie einen eigenen Entwicklungsweg einschlagen, kann dies zu einer Frage von Leben und Tod werden. Unterliegen die Angegriffenen in diesen Auseinandersetzungen, geraten sie in ein System von Ausplünderung, Raub ihrer natürlichen Ressourcen und einer fortgesetzten Abhängigkeit und Unterentwicklung; in der Zerstörung ihrer natürlichen Lebensbedingungen und einer kulturellen Verelendung durch ideologische Fremdbeeinflussung, die diesen Zustand rechtfertigen und dauerhaft festigen soll. Eine zentrale Rolle in den Planungen des Imperialismus spielen dabei oft die herrschenden Klassen dieser Völker: Oligarchien, Besitzende und ihr Umfeld. Diese sehen die Absicherung ihrer schon traditionellen Privilegien in einer Zusammenarbeit mit dem Imperialismus. Sie sind von diesem leicht einzukaufen und werden für ihre Komplizenschaft an dem Raubzug beteiligt.

Die Schweinebucht-Invasion verlief anders. Die Kubanische Revolution von 1959 hatte die Unterstützung breitester Sektoren der Bevölkerung und traf die herrschende Klasse mit voller Wucht. Die Nähe der USA veranlasste die entmachteten Blutsauger, sich dorthin zu flüchten – in der Hoffnung, bald mit Unterstützung ihrer machtvollen Gönner zurückzukehren, um aufs Neue ihrer parasitären Existenz frönen zu können. 1.300 exilkubanische Invasoren, die im April 1961 nach militärischer Ausbildung durch die CIA und mit logistischer Unterstützung der US-Streitkräfte im Süden Kubas einfielen, wurden in weniger als drei Tagen von revolutionären Verbänden, Volksmilizen und neuformierten Polizeikräften niedergekämpft. Sie hatten sich gründlich verkalkuliert: Statt in einer entlegenen Gegend einen Brückenkopf zu etablieren, der vor der Weltöffentlichkeit die Ausrufung einer Gegenregierung und die Invasion regulärer US-Truppen hätte rechtfertigen sollen, trafen sie auf zu allem entschlossene Volkskräfte unter einer ehrlichen revolutionären Führung. Die bourgeoisen Lebemänner streckten die Waffen und gingen in Gefangenschaft. Die fehlgeschlagene Invasion setzte ein machtvolles Zeichen: sie wurde zur ersten Schlappe des US-Imperialismus in Lateinamerika.

Hans-Magnus Enzensberger beziffert in "Das Verhör von Havanna" den Anteil der Invasoren, die der Bourgeoisie angehörten, auf 69 Prozent. Fidel Castro begab sich unter die Gefangenen und befragte sie. Sein Fazit: "Was waren das für Leute, die gegen die Arbeiter und Bauern zu kämpfen hierhergekommen sind? Das werden wir klarstellen. Unter den ersten tausend Gefangenen, die wir gemacht haben - ich muss hinzufügen, dass sich bis zur Stunde in der Hand der Revolutionären Streitkräfte etwa elfhundert gefangene Söldner befinden, nicht gerechnet die Schiffsbesatzungen -; wir haben die soziale Zusammensetzung dieser ersten tausend analysiert und festgestellt, dass sich unter ihnen etwa achthundert Söhne aus reichen Familien befinden. Diese achthundert Personen besaßen, zusammengenommen, 372.000 Hektar Land, das die Revolution enteignet hat, 9.666 Mietshäuser, 70 Industriebetriebe, zehn Zuckerwerke, zwei Banken, fünf Bergwerke und zwei Zeitungen. Mehr als zweihundert derselben achthundert Personen gehörten den exklusivsten und teuersten Clubs von Habana an. Vom Rest der tausend Gefangenen waren 135 Berufssoldaten aus der Batista-Armee; die übrigen 65 kamen aus dem deklassierten Kleinbürgertum und aus dem Lumpenproletariat. Sie werden sich vielleicht an das Gespräch erinnern, das ich mit den Gefangenen geführt habe. Dabei fragte ich sie, ob es professionelle Zuckerrohrschläger unter ihnen gebe. Es hat sich kein einziger unter ihnen gemeldet, bis am Ende ein Mann die Hand hob und sagte, er habe früher hie und da einmal Zuckerrohr geschnitten." Der Klassencharakter der Invasion wird mehr als deutlich.

Kuba hat seither allen Versuchen, sein Gesellschaftssystem zu unterminieren, erfolgreich Widerstand geleistet. Sieht man sich die weiteren Entwicklungen in Lateinamerika an, so wird deutlich, dass Lernprozesse viel Zeit brauchen. Im Zentrum dieser Thematik steht die Tragödie von Chile, wo eine gewählte Linksregierung 1973 aufgrund ihrer historischen Prägung bis zuletzt auf die Einhaltung der Spielregeln bürgerlicher Ordnung durch ihre Feinde hoffend, einen friedlichen Weg weiterging und durch eine blutige Militärdiktatur zerschlagen wurde.

Museum in der Schweinebucht
Museum in der Schweinebucht
Foto: James Emery / flickr.com / CC BY 2.0


In jüngster Zeit liefert die Linksentwicklung in Lateinamerika wertvollen Anschauungsunterricht. In Bolivien musste kürzlich die regierende MAS (Bewegung zum Sozialismus) nach einer – allen vorliegenden Informationen nach – regulär gewonnenen Wahl das Feld räumen. Dutzende ihrer Aktivisten starben bei Straßenprotesten. Trotz einer erfolgreichen Sozial- und Wirtschaftspolitik, die das einstige Armenhaus Südamerikas auf bis dahin unerreichte Höhen führte, deutet diese Entwicklung auf zentrale Versäumnisse der Regierung des ersten indigenen Präsidenten Morales hin.

Die Spaltung des Landes entlang der Hautfarbe weist große Schnittmengen auf mit der sozialen Spaltung in Arm und Reich. Die wirtschaftlich herrschende weiße Klasse, eine verkommene und kulturlose Kompradoren-Bourgeoisie, suhlt sich von jeher in einem abgrundtiefen Rassismus. Die indigene Bevölkerung wird gewöhnlich auf eine Stufe mit Affen gestellt und in einer Weise verhöhnt, die einem Julius Streicher unter seinesgleichen zur Ehre gereicht hätte. Angriffe abseits aller Legalität waren somit zu erwarten, doch verfügte Morales nach 13 Regierungsjahren über keinerlei Machtmittel, um seinen berechtigten Anspruch auf weitere Regierungsarbeit behaupten zu können. Der MAS wird sich von diesem Desaster kurz- und mittelfristig kaum erholen.

Anders die Lage in dem umkämpften Venezuela: Dort steht nicht nur die Armee weiterhin zur Verfassung. Bereits unter Hugo Chávez wurden bewaffnete Volksmilizen gegründet. Männer und Frauen, deren soziale Lage durch die Umverteilungsprogramme der Regierung verbessert wurde, werden in die Verteidigung dieser Errungenschaften einbezogen. Ihre Kampfverbände wurden in jüngster Zeit auf Millionenstärke ausgebaut. Mit diesem zusätzlichen Faustpfand hat Präsident Maduro den Drohungen aus den USA mit einer Invasion eine hohe Hürde gesetzt. Darüber hinaus kann er die verlogenen und teilweise grotesken Manöver der einheimischen US-Marionetten mit aller Ruhe ins Leere laufen lassen.

Seine Politik der "zivil-militärischen Einheit" zeigt die Nähe zum verbündeten Kuba, wo bereits seit den 1980er Jahren eine Verteidigungsstrategie einsetzte, die vorrangig auf Volksbewaffnung basiert. Die Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba wird u. a. Damit begründet, dass Kuba die Regierung in Caracas unterstütze. Eine der jüngsten Maßnahmen Trumps, dem kubanischen Verteidigungsminister und Angola-Veteran Leopoldo Cintra Frías zukünftig eine Einreise in die USA zu verweigern, deutet an, wo es den imperialistischen Kreisen weh tut. Das wird "Polo", wie er in Kuba genannt wird, allerdings nicht um seinen Schlaf bringen.

CUBA LIBRE Wolfgang Mix

CUBA LIBRE 2-2020