CUBA LIBRE will in dieser Rubrik aufzeigen, was die Konzernmedien verschweigen, Falschmeldungen enthüllen und Manipulationen aufdecken.
Rotation. Foto: Wiljo Heinen |
Am 6. und 7. November 2019 stand auf der Tagesordnung der UN-Vollversammlung in New York erneut der Antrag Kubas zur Debatte, die seit fast 60 Jahren gegen das Land verhängte US-Blockade zu verurteilen. Die Abstimmung ergab zum 28. Mal in Folge, dass nicht Kuba, sondern die USA international isoliert sind. Sicher nur zufällig, doch zeitlich gut zu diesem Termin passend, wurden die in der Gewerkschaft ver.di organisierten Medienmitarbeiter kurz vor der UN-Debatte in der Oktober-Ausgabe ihres Mitgliedermagazins "M – Menschen machen Medien" aufgefordert, an den kubanischen Präsidenten zu schreiben und "die sofortige und bedingungslose Freilassung des Journalisten Roberto de Jesús Quiñones Haces" zu fordern. Ähnliche Aufrufe hatten zuvor unter anderem schon der staatliche US-Propagandasender "Radio und TV Martí", sowie die von exilkubanischen Contras in Madrid herausgegebene Online-Zeitung "Diario de Cuba" und das ebenfalls von ultrarechten Exilanten in Miami publizierte Online-Portal "Cubanet" veröffentlicht. Die beiden Internet-Publikationen werden vor allem von der dem US-Außenministerium unterstehenden Stiftung "National Endowment for Democracy" (NED) finanziert.
Meinung statt Fakten
Der Beitrag im Gewerkschaftsmagazin "M" (3/2019, Seite 28) entspricht, obwohl namentlich gezeichnet, fast wörtlich einem Aufruf, den "Amnesty International" bereits am 13. September verbreitet hatte. Dort wird Quiñones als "unabhängiger kubanischer Journalist" bezeichnet, der – so erfahren die Leser in der ver.di-Mitgliederzeitung – "nicht für die staatlichen Medien, sondern für das Internetportal Cubanet, das sich selbst als unabhängig bezeichnet", arbeite. Dazu später mehr. Der Artikel berichtet zutreffend, dass Quiñones am 11. September von der Polizei festgenommen wurde. Nicht berichtet wird, dass er die Verhaftung nur wenige Stunden zuvor gegenüber dem BRD-Auslandsrundfunk "Deutsche Welle" angekündigt hatte.
Nachdem er sich im April eine handgreiflichen Auseinandersetzung mit Polizeibeamten geliefert hatte, war Quiñones im August von einem Gericht in Guantánamo zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Da er ein Angebot zur Umwandlung der Haft- in eine Geldstrafe ablehnte, sollte er den Freiheitsentzug am 11. September antreten. Ohne die Details der Vorfälle und der Gerichtsverfahren zu prüfen, behauptet das ver.di-Magazin: "Er wurde des Widerstands und Ungehorsams schuldig befunden – das sind strafrechtliche Bestimmungen, die in Kuba häufiger eingesetzt werden, um Regierungskritiker einzuschüchtern und freie Meinungsäußerungen zu verhindern." Strafrechtliche Bestimmungen, so der Autor, würden "in Kuba dazu genutzt, um ein Klima der Einschüchterung und Angst zu schaffen". Die Mitarbeiter "staatsunabhängiger Medien", heißt es weiter, "sind dem Risiko von Schikane und willkürlicher Inhaftierung ausgesetzt.". – So argumentierten fast wörtlich auch die Vertreter der US-Regierung, als sie in der UN-Vollversammlung versuchten, die völkerrechtswidrige Blockade gegen Kuba zu rechtfertigen: Statt Fakten – Unterstellungen, statt Information - Manipulation.
Wes Brot ich ess …
Neben der ungeprüften Übernahme unbewiesener Behauptungen enthält der Artikel den Lesern zudem wichtige Hintergrundinformationen vor, die leicht zu recherchieren gewesen wären. So wird offenbar bewusst ein falscher Eindruck erweckt, wenn im Zusammenhang mit Quiñones von einem Mitarbeiter "staatsunabhängiger Medien" die Rede ist oder er als "unabhängiger kubanischer Journalist" bezeichnet wird. Dazu passt nicht, dass er regelmäßig für "Radio und TV Martí" arbeitet. Der staatliche Propagandasender wird jährlich mit rund 30 Millionen Dollar aus dem US-Haushalt finanziert und von dem regierungseigenen "Office of Cuba Broadcasting" (OCB) in Miami kontrolliert, das wiederum der Bundesbehörde "United States Agency for Global Media" (USAGM) untersteht.
Auch das Internetportal "Cubanet", für das der "unabhängige Journalist" Quiñones ebenfalls regelmäßig Beiträge verfasst, ist kein "staatsunabhängiges Medium".
Die exilkubanischen Herausgeber des in Miami produzierten Portals geben zu, dass "Cubanet" vom NED finanziert wird. Allein in den Jahren von 2016 bis 2018 zahlte das US-Außenministerium über das NED jeweils über 225.000 Dollar an "Cubanet". Dessen "Mitarbeiter" sind zwar "unabhängig" vom kubanischen Staat, dafür aber abhängig von Medien, die von der US-Regierung finanziert und kontrolliert werden. Für Quiñones hat sich das bisher nur finanziell gelohnt. Nach eigenen Angaben bittet er seit 1994 regelmäßig in der US-Botschaft um politisches Asyl, das Washington ihm bis zum jetzigen Zeitpunkt aber verweigert habe. Als Leser der Mitgliederzeitung "M" fragt man sich, warum ein Magazin für Journalisten solche Informationen verschweigt.
Volker Hermsdorf
CUBA LIBRE 1-2020