Havanna wird 500

Ein Bericht in Erwartung der Feierlichkeiten.

Das Kapitol in Havanna
Das Kapitol in Havanna. Sitz der Asamblea Nacional del Poder Popular – der Nationalversammlung der Volksmacht
Foto: Gemeinfrei


Am 16. November ist es nun so weit: San Cristóbal de La Habana – Havanna wird 500 Jahre alt. Fünf dieser 500 Jahre gehören wir nun schon zu dieser Stadt, streifen durch ihre wunderschöne Altstadt, sitzen gelegentlich auf der Mauer des Malecóns, dem die Wellen dieses Meeres oft übel mitspielen, versuchen auf unseren Gängen über die Bürgersteige Vedados keine Unebenheit zu übersehen und sagen uns jeden Abend, wenn wir von unserem Balkon die Sonne über dem Meer untergehen sehen, das gedämpfte Trommeln aus den Häusern gegenüber und die lebhaften Unterhaltungen unserer Nachbarn hören: Hier – und nirgendwo sonst – möchten wir sein.

Am 16. November 1519 war es, als der spanische Eroberer Diego Velázquez im Namen der spanischen Könige nach Baracoa und Santiago de Cuba, San Cristóbal de La Habana zum dritten und endgültigen Regierungssitz erklärte.

Seitdem hatte Havanna eine lebhafte Geschichte. So wurde es 1555 von dem Piraten Jacques de Sores angegriffen, den das primitive Fort nicht lange davon abhielt, in den Ort einzudringen. Der Gouverneur zog es vor zu fliehen und gefrustet von dem miserablen Lösegeld raubte der Pirat schließlich alles, was er finden konnte, Gründungsurkunden eingeschlossen, und zündete die Stadt an. Deswegen finden sich dort auch erst wieder ab dem Jahr 1556 geschriebene Dokumente.

Aber das war nicht das einzige Mal, dass die Stadt aus Trümmern und Asche auferstehen musste, nachdem sie von französischen Piraten und Freibeutern heimgesucht wurde. 1561 aber beschloss dann die spanische Krone, dass sich alle spanischen Schiffe aus den spanischen Kolonien, bevor sie die Heimreise über den Ozean antraten, in der Bucht von Havanna versammeln sollten. So wurde Havanna zu der am besten verteidigten Stadt der Neuen Welt und die Piratenüberfälle hatten ein Ende.

Aber man musste noch bis zum 20. Dezember 1592 warten, bis Philipp II Havanna die Stadtrechte verlieh.

1649 raffte dann eine Pestepidemie ein Drittel der Stadtbevölkerung dahin. Während des 17. Jahrhunderts wurde die Stadt immer größer und es entstanden eine Reihe bedeutender religiöser und ziviler Bauwerke.

Havanna hatte bereits mehr als 70.000 Einwohner, als am 6. Juni 1762 in der Morgenröte eine beeindruckende britische Armada mit über 50 Schiffen und 14.000 Mann erschien.

Altstadt von Havanna

Altstadt von Havanna
Foto: Guillaume Baviere / Flickr.com / CC BY 2.0


Nach zweimonatiger Belagerung und standhafter Verteidigung von der Festung El Moro aus, mussten sich die Spanier ergeben, die Engländer übernahmen die Stadt und die spanische Flotte mit ihren ganzen Schätzen gleich mit. Elf Monate blieben die Briten dort, bis sie den Spaniern Havanna im Austausch für Florida zurückgaben.

Nach dieser Erfahrung bauten die Spanier die Festung San Carlos de la Cabana. Die Errichtung dieses gigantischen Verteidigungssystems dauerte elf Jahre und verschlang solche Unsummen, dass sie beim spanischen Königs Karl III. Entsetzen hervorriefen. Die im 18. Jahrhundert in Barcelona geschmolzenen Kanonen bewachen noch heute symbolisch die Hafeneinfahrt und die Festung ist jedes Jahr der Ort für die berühmte Buchmesse.

Der Canonazo um neun Uhr abends, ein Kanonenschuss von dieser Festung aus, war damals das Zeichen für die Bewohner Havanans, sich schleunigst in die Stadt zu begeben, bevor die Tore geschlossen wurden. Heute gibt es ihn zwar immer noch, aber nur noch wegen der Tradition und als Attraktion für Touristen. Sie können für kurze Zeit die Stimmung des 18. Jahrhunderts nachempfinden, wenn historisch gekleidete Soldaten in einer feierlichen Zeremonie die Kanone zünden.

Bei der ersten offiziellen Volkszählung in Kuba im Jahr 1774 hatte Havanna 171.670 Einwohner, von denen 44.333 Sklaven waren.

In dieser Zeit war Spanien nicht mehr im Besitz des Handelsmonopols und der Luxus hielt dort Einzug: Die neueste Mode, die besten Schauspieler der damaligen Welt in den Theatern der Stadt und ein reiches Bürgertum, das prächtige Herrschaftshäuser mit Säulenhallen baute. Man sprach vom Paris der Antillen.

In Deutschland fuhr die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth im Dezember 1835 und bereits 1837 gab es in Kuba die erste Eisenbahn, die 51 km von Havanna nach Güines fuhr; sie wurde allerdings für den Transport von Zucker verwendet wurde.

Ende des 19. Jahrhunderts, nach zwei von kubanischen Patrioten geführten Unabhängigkeitskriegen, erlebte die Stadt die letzten Momente der spanischen Kolonisierung, die definitiv zu Ende ging, als das US-Kriegsschiff Maine im Hafen von Havanna versank und der USA den Grund dafür lieferte, in der Insel einzumarschieren und Kubas Unabhängigkeit zu verhindern. Der Jahrhundertwechsel fand in Havanna und in ganz Kuba unter US-Besatzung statt.

Unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten wuchs die Stadt und es entstanden zahlreiche Gebäude, prunkvolle Hotels, Kasinos und prächtige Nachtclubs.

Mafia-Boss Santos Traficante dirigierte das Roulette im Nachtclub Sans Souci, der Gangster Meyer Lansky herrschte im Hotel Riviera und Lucky Luciano im Hotel Nacional. Dort hielt auch die US-Mafia ihre Gipfeltreffen ab, während um die Stadt herum die Elendsviertel weiter anwuchsen. Havanna hatte sich in die Hauptstadt des Glückspiels und der Korruption verwandelt.

Am 8. Januar 1959 hielt dann Fidel in Havanna Einzug und machte diesem Elend ein Ende.

Für den Historiker der Stadt Havanna, Eusebio Leal Spengler, ist es "die Stadt der Zeitungen, die Stadt, die die erste Universität Kubas beherbergte, in der der historische Führer der Kubanischen Revolution Fidel Castro Ruz zum Revolutionär wurde ; es ist die Stadt der Lehrer, derer, die auszogen, um zu alphabetisieren, die Stadt der ruhmreichen Miliz, die das Land bei mehr als einer Gelegenheit verteidigt hat, die Stadt der Musik, der Poesie, der Literatur, der Zirkel des Denkens und der eklektischen Architektur, die Stadt, die die sozialen Bewegungen entstehen sah, die ersten kommunistischen Gruppierungen; sie ist das Epizentrum eines intensiven Lebens, die Stadt des Platzes der Revolution."

Und am 7. Dezember 2014 wurde sie auch noch zu einer der sieben Weltwunderstädte der Moderne erklärt.

Vorbereitung auf das große Fest

Bereits im letzten Jahr wurde deutlich, mit welchem Schwung man dieses große Ereignis angehen wollte. Vielleicht war es auch kein Zufall, dass Havanna mit Luis Antonio Torres Ibara einen neuen Parteisekretär bekam, der beim Tornado, der einige Bezirke Havannas im Februar heimgesucht hatte, seine erste Bewährungsprobe bestand. Fast alle, die vor den Trümmern ihres Hauses standen, haben inzwischen ein neues, schöneres Heim erhalten.

Der Transport innerhalb der Stadt hat sich verbessert, es gibt wieder eine Eisenbahn mit in China speziell für Kuba entworfenen Waggons, die von Havanna aus in den Osten des Landes fährt. Der Fuhrpark bei der Müllabfuhr wurde durch eine großzügige Spende aus Japan vergrößert. Allerdings wird auch damit das Müllproblem in der Hauptstadt zwar verringert, aber noch nicht gelöst.

Wenn man durch Centro Habana und die Altstadt geht, trifft man überall auf rege Bautätigkeit. Den Boulevard, eine Fußgängerzone, die vom Hotel Inglaterra bis zur Calle Galeano geht, erkennt man kaum mehr wieder. Dort sind die Arbeiten fast abgeschlossen und es wird bald ein Vergnügen sein, hier zu flanieren, in die Geschäfte zu gehen, die alle in neuem Glanz erstrahlen oder sich irgendwo hinzusetzen und dem Treiben zuzusehen. Der Kinderspielplatz wurde völlig umgekrempelt und sieht richtig spektakulär aus.

Die Baumaßnahmen am Kapitol in der Nähe sind fast vollendet, es fehlt nur noch die äußere Kuppel. Die Statue der Republik, mit fast 18 Metern Höhe einer der größten, die im Innern eines Gebäudes steht, wurde am 25. Juli feierlich im Beisein des russischen Außenministers Lawrow wiedereingeweiht. Für Ihre Wiederherstellung hatte Russland großzügig Geld zur Verfügung gestellt und ein russisches Unternehmen arbeitete fast ein Jahr daran, die Statue mit Blattgold zu überziehen.

In der Altstadt findet sich der Tourist zurzeit vor vielen Bauzäunen wieder, die ihm verkünden, welches Gebäude es ist, das dort restauriert wird und dass man es im November zur 500 Jahrfeier bewundern kann.

Aber nicht nur das Zentrum der Stadt soll sich über dieses Ereignis freuen dürfen. So wird z. B. Die Gegend im Hauptstadtbezirk Cerro um das Estadio Latinomericano, dem Stadion von Havannas Baseballmannschaft Industriales, in einen Raum verwandelt, der die Geschichte des Vereins erzählt. Dieser liegt in einem neuen kommerziellen Zentrum und soll nicht nur die Leidenschaft für den Verein neu beleben, sondern auch einheimische und ausländische Touristen anziehen.

So wie dort werden in allen Bezirken der Hauptstadt Freizeiteinrichtungen, Schwimmbäder, Kulturzentren, Eisdielen, Restaurants etc. wiederbelebt, in denen mit nationaler Währung zu moderaten Preisen bezahlt werden kann. Damit soll ein Gefühl erweckt werden, dass, egal ob la Víbora, San Miguel del Padrón, Alamar oder Vedado, alle zu dieser lebendigen Stadt gehören, die jetzt 500 Jahre wird.

Kampagne 500 Jahre Havanna

Altstadt von Havanna

Altstadt von Havanna
Foto: Pedro Szekely / flickr.com / CC BY-SA 2.0


"Lasst uns für Havanna kämpfen, die Herausforderung annehmen, für unsere Stadt zu kämpfen. (...) Wenn Havanna die Hauptstadt Kubas ist, eines Landes, das bis heute Widerstand geleistet hat und nichts fürchtet und alles erhofft, dann muss ganz einfach seine Hauptstadt sein Gesicht sein und es darf nicht sein, dass es ein Gesicht ist, das man nicht pflegt, das man schändet, indem man z. B. eine Dose aus dem Fenster seines Autos wirft. Wir müssen die Würde der Stadt zurückerobern", betonte der Historiker der Stadt Eusebio Leal Spengler anlässlich der offizielle Eröffnung der Kampagne und er fügte hinzu, dass sein Herz in jedem Winkel Kubas schlage, "für jedes Dorf, für jeden Weiler, wie klein er auch ist, aber ich habe die moralische Pflicht, an Sie alle zu appellieren, für unser Havanna zu kämpfen".

Bei dieser Eröffnung wurde bekannt, dass man im letzten Jahr 16.000 Maßnahmen durchgeführt hat, von denen 7000 auf Forderung der Bevölkerung Havannas unternommen wurden. Die Vizepräsidentin der Provinzversammlung von Havanna, Tatiana Viera Hernández, betonte aber, dass sie alle dazu dienten, einige Probleme der Stadt zu lösen und deshalb auch nach der 500-Jahrfeier fortgeführt würden.

Die Fakultät für Kommunikation der Universität und das Hochschulinstitut für Industriedesign haben für die Kampagne, die in drei Etappen gegliedert ist, die Logos ausgearbeitet.

Die erste Etappe dauerte vom 1. Juni bis zum 16. November 2018, dem 499. Jahrestag und stand unter dem Motto: "La Habana – real y maravillosa" (real oder königlich und wunderbar).

Die zweite vom 16. November 2018 bis zum 16. November 2019 "La Habana lo más grande" (Havanna – das Größte)

Und ab 16. November 2019 wird diese Kampagne unter dem Motte "La Habana- continuidad" (Havanna-Kontinuität oder Beständigkeit) weiter geführt.

Überall in der Stadt kann man nun dieses Logo sehen, auf T-shirts und auf Tassen und allem, was sich sonst noch dafür eignet. Der Slogan funktioniert auch und wir haben ihn schon auf der Demonstration zum 1. Mai ausprobiert. Einer ruft: " La Habana" und der Chor antwortet. "Lo más grande".

Der große Tag

Je näher der Tag heranrückte, umso mehr häuften sich die kulturellen Ereignisse.



Havanna, am Malecon

Havanna, am Malecon
Foto: neiljs / flickr.com / CC BY 2.0



Das genaue Programm für das Ereignis ist zumindest offiziell noch nicht bekannt, aber ein Höhepunkt steht auf jeden Fall bereits fest und das ist der dreimalige Gang um den Ceiba Baum am Templete. An dem Ort, an dem der Templete (ein kleines tempelartiges Bauwerk) steht, gab es ursprünglich einen Ceiba Baum, der Zeuge der Gründung der Stadt war. Irgendwann aber wurde der Baum krank und starb und man ging dazu über, drei dieser Bäume anzupflanzen, um zu sehen, welcher anwächst. Die Ceiba, die dort zur Zeit steht, ist alles andere als majestätisch, aber das tut der Tradition keinen Abbruch. An jedem 15. November kommen die Leute schon ganz früh morgens und setzen sich hin und warten. Der Park in der Nähe ist voller Menschen, die kilometerlange Schlangen bilden. Es ist der perfekte Ort für den religiösen Synchretismus. Dort finden afrokubanische Rituale statt, man lässt Früchte, Tiere, Blumen und andere Gegenstände dort zurück. Am Fuß der Ceiba findet man immer einige Münzen und Scheine aus allen Währungen. Einige davon landen im numismatischen Museum oder sie kommen in den Fond des Historischen Zentrum und werden zur Finanzierung verschiedener Projekte verwendet.

Um Mitternacht brechen dann alle zum Templete auf, umkreisen dreimal den Baum, berühren ihn dabei und wünschen sich etwas. Der im neoklassizistischen Stil erbaute Templete, eines der wichtigsten Gebäude des Historischen Zentrums, entstand 1828, um den Geburtstag er damaligen spanischen Königin zu feiern und wurde zu dem Ort, an dem jedes Jahr am 16. November 1519 die Gründung Havannas begangen wurde.

Auch in diesem Jahr wird dies so sein und dort werden um Mitternacht zum 16. Oktober die großen Feierlichkeiten zu diesem Ereignis beginnen. An einem mystischen Ort, der irgendwie die Seele Kubas, die Seele Havannas beherbergt und mit dem sich alle unabhängig ob ihre Vorfahren aus Spanien, Afrika, China, Indien oder irgendeinem anderen Ort stammen, als Einwohner Havannas und als Kubaner verbunden fühlen.

CUBA LIBRE Renate Fausten

CUBA LIBRE 4-2019