"Verurteilt mich, es hat keine Bedeutung. Die Geschichte wird mich freisprechen."
Der spätere Comandante en Jefe beendete am 16. Oktober 1953 sein Verteidigungsplädoyer vor dem Militärgericht in Santiago de Cuba mit diesen Worten. Es war der vorletzte Verhandlungstag gegen die Aktivisten des Angriffs auf die Moncada-Kaserne. Das Plädoyer wurde zur Anklageschrift gegen die Batista-Regierung, zur rechtlichen, moralischen, philosophischen und politischen Verteidigungsschrift des Sturms auf die Moncada. Cuba Libre sprach mit Rolf Becker über sein neues Programm.
CL: Rolf, du bist seit langem solidarisch mit Kuba – auch in deinen künstlerischen Aktivitäten. Was war für dich der konkrete Anlass, die Verteidigungsrede von Fidel Castro als Grundlage für eine Rezitation zu nehmen?
Rolf Becker: Wie bei den meisten meiner Veranstaltungen: Anfragen, die erste vor zwei Jahren vom "Zielona Gora", einem Treffpunkt politisch Interessierter am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain. Als mir die Rede von Fidel Castro als Beitrag für eine Kuba-Veranstaltung vorgeschlagen wurde, habe ich sofort zugesagt. Seine Verteidigungsrede, als er wegen der versuchten Erstürmung der Moncada-Kaserne zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde, ist nicht nur ein einzigartiges Dokument zum Verständnis der Kubanischen Revolution, sondern auch zum wiederholt niedergeschlagenen Freiheitskampf in den Ländern Südamerikas durch die USA. Sie enthält zudem Anregungen, die wir angesichts der heutigen Entwicklung hierzulande und in der EU aufgreifen sollten.
CL: Gibt es eine Passage, die dich bei der Durcharbeitung der Rede überrascht hat?
Rolf Becker: Ja, seine Auseinandersetzung als damals junger Anwalt mit der kubanischen Justiz und der damaligen Batista-Diktatur in Kuba – ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die sich daraus für ihn ergaben, sein selbstloser Einsatz zudem für seine ermordeten oder bereits verurteilten Genossinnen und Genossen.
CL: Worin siehst du die Aktualität dieser Rede Fidel Castros? Was macht sie aus deiner Sicht zu mehr als zu einem historischen Dokument?
Rolf Becker: Aktuell bleibt seine Rede für alle Länder weltweit, die in heutigen Formen des Kolonialismus ausgebeutet werden und leiden. Die Flüchtlingsströme, gegen die sich die imperialistischen Staaten auf unmenschliche Weise zu schützen versuchen, die Toten, ob im Mittelmeer und auf den Wegen dorthin, ob in Palästina oder an der Südgrenze der USA, geben eine erschütternde Auskunft. Die Befreiung Kubas markiert den Beginn des Bruchs mit der Vorherrschaft der USA – nicht nur in ihrem Hinterhof.
CL: Die Rede gilt als Grundsatzdokument der Kubanischen Revolution. Für die drängendsten sechs Probleme von Gesundheit über Bildung und der fehlenden Volkssouveränität usw. schlug Castro fünf Lösungen vor, unter anderem eine Arbeiterbeteiligung an großen Unternehmen. Wie beurteilst du diese Maßnahmen?
Rolf Becker: Die von Fidel Castro geforderten Revolutionsgesetze gelten nach wie vor, ihre Verwirklichung wird erschwert durch die jahrzehntelangen Boykottmaßnahmen der USA und ihrer Verbündeten. Hinzu kommen die Versuche der USA Kuba zu isolieren, ob 1973 mit dem Sturz der Allende-Regierung oder mit ihrem derzeitigen Vorgehen gegen Venezuela. Wenn wir den Befreiungskampf in Lateinamerika unterstützen wollen, gilt es vor allem, die Kubanische Revolution zu verteidigen. Deshalb: "Cuba si"!
CL: Deine großartige Lesung des Textes in der Ladengalerie hat das Publikum sehr berührt. Es gibt einen Mitschnitt. Wird es davon eine DVD geben?
Rolf Becker: Ja, soweit ich weiß, eine CD, mit der kenntnisreichen Einführung von Volker Hermsdorf in Vorgeschichte und Geschichte der Revolution. Er besucht Kuba ja regelmäßig und hat den "Comandante" noch persönlich erlebt. Die Aufnahme soll in Kürze erscheinen.
Das Gespräch führte Marion Leonhardt
CUBA LIBRE 3-2019