Zur Anerkennung ausländischer Staatsoberhäupter
1. Die Anerkennung ausländischer Staatsoberhäupter aus völkerrechtlicher Sicht
Der Auftraggeber wirft die Frage auf, ob es für einen Staat völkerrechtlich zulässig ist, ein ausländisches Staatsoberhaupt als solches anzuerkennen, wenn dieses Staatsoberhaupt seine Position möglicherweise nicht im Rahmen der anwendbaren ausländischen Verfassung erlangt hat oder die Verfassungskonformität des Regierungswechsels nach anwendbarem ausländischen Recht von anderen Verfassungsorganen des betroffenen Landes bezweifelt wird.
Für die Anerkennung von Regierungen gelten im Völkerrecht im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie für die Anerkennung von Staaten. Nach ganz überwiegender Auffassung in der Völkerrechtswissenschaft hat die Anerkennung grundsätzlich nur deklaratorische, keinen konstitutive Wirkung. Dies führt dazu, dass die Anerkennung durch einen anderen Staat nichts an der Verfassungskonformität oder Verfassungswidrigkeit eines Regierungswechsels ändert, die allein nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen bleiben. D. h. die bloße Anerkennung verleiht der neuen Regierung keine Legitimität.
…
Die Einmischung in innere Angelegenheiten ist jedenfalls dann als völkerrechtlich unzulässige Intervention zu bewerten, wenn diese Einmischung mit Zwangsmitteln oder Gewalt (forcible or dictatorial means) verbunden wird. Bei der bloßen Erklärung der Anerkennung einer Regierung ist eine solche Verknüpfung mit völkerrechtlich unzulässigen Mitteln nicht ersichtlich.
…
Auch wenn die Anerkennung eines ausländischen, in seinem Heimatstaat umstrittenen Interimspräsidenten im vorliegenden Einzelfall nicht die Schwelle zur unzulässigen und damit völkerrechtswidrigen Einmischung in innere Angelegenheiten überschritten haben sollte, käme es in Betracht, sie völkerrechtlich als unfreundlichen Akt zu qualifizieren. … Ein unfreundlicher Akt ist kein Völkerrechtsdelikt (international wrongful act), hat allerdings zur Folge, dass der Zielstaat eines unfreundlichen Aktes seinerseits zur Retorsion, d. h. zu unfreundlichen, jedoch rechtmäßigen Gegenmaßnahmen, berechtigt ist.
Aus Sicht der bisherigen, noch amtierenden Regierung dürfte die Anerkennung eines Staatsoberhauptes ad interim wohl stets als unfreundlich zu bewerten sein.
…
2. Drohung mit Anerkennung
…
Für die Drohung mit der Anerkennung des Interimspräsidenten gelten letztlich die gleichen Leitvorstellungen wie für die Anerkennung selbst. So hängt auch die Zulässigkeit der Drohung davon ab, wer zum Zeitpunkt der mit der Drohung in Aussicht gestellten Anerkennung die effektive Staatsgewalt in dem betroffenen Staat ausübt.
…
3. Drohung mit Militärintervention und Inhaftierung
… Die Drohung mit einer militärischen Intervention ist eine Drohung mit Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates. Da die VN gem. Art. 2 (1) ihrer Charta auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Mitgliedstaaten beruhen und eine Militärintervention dem Grundsatz der souveränen Gleichheit widerspricht, ist die Drohung auch mit den Zielen der VN unvereinbar.
…
Die an das Staatsoberhaupt adressierte Drohung richtet sich gegen die politische Unabhängigkeit eines Staates und verletzt ebenfalls den Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten.
…
Das Verbot der Drohung mit Gewalt wurde von der internationalen Gemeinschaft nach Annahme der VN-Charta wiederholt bestätigt, prominent auch in der sogenannten Friendly Relations Declaration der VN-Generalversammlung. 25 Diese führt hierzu aus: "Jeder Staat hat die Pflicht, in seinen internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen. Eine solche Androhung oder Anwendung von Gewalt stellt eine Verletzung des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen dar und darf niemals als Mittel zur Regelung internationaler Fragen angewandt werden".
Fraglich bleibt, inwiefern angebliche Äußerungen eines Sicherheitsberaters der Regierung dem Staat als Völkerrechtssubjekt zurechenbar wären. Dies ist eine Frage der Staatenverantwortung. Das in diesem Rechtsgebiet einschlägige Völkergewohnheitsrecht fand Niederschlag in den Artikelentwürfen der VN-Völkerrechtskommission über die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln. Gem. Art. 4 und 5 der Artikelentwürfe kommt es darauf an, ob die handelnde Person aufgrund innerstaatlichen Rechts befugt ist, Regierungsaufgaben wahrzunehmen. Hiervon dürfte beim Sicherheitsberater der US-Regierung auszugehen sein. Daher wären seine Äußerungen dem Staat zuzurechnen.
|