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Kurz nach dem 60. Jahrestag der Kubanischen Revolution, mit der der argentinische Arzt Ernesto "Che" Guevara untrennbar verbunden ist, hat nun André Scheer, langjähriger Ressortleiter für Außenpolitik bei der Tageszeitung junge Welt, eine Che-Biografie in der Reihe "Basiswissen" im PapyRossa-Verlag vorgelegt.
Was unterscheidet diese Biografie von anderen? Optimistisch stimmt schon mal, dass André Scheer ein exzellenter Kenner Kubas und Lateinamerikas ist. Dies spricht für eine kenntnisreichen Blick auf Person und Ereignisse. Und da wird man nicht enttäuscht: Statt Anekdoten, Abenteuergeschichten oder Che als heroische Kultfigur gibt es eine vielfältige Verarbeitung von Literatur von und über Che, wobei das Literaturverzeichnis und der Anhang dem Leser gute Dienste leisten. So entfalten sich die Ches politische Auffassungen eingebettet in das jeweilige zeithistorische Umfeld Da entdecken sogar alte Kuba-Kenner noch Neues. Wer weiß z. B., dass Che nach der Niederlage im Kongo und einem Aufenthalt in Daressalam in Prag weilte, bevor er nach Bolivien aufbrach? Che versuchte, seine Aufenthalt geheim zu halten und nicht aufzufallen. Das galt für seine Wochenend-Aufenthalte im Landhaus: "Das "Landhaus" befand sich in Ládví, einem Viertel im Bezirk Kamenice, südöstlich von Prag. Es war nahezu ideal, um nicht aufzufallen, denn es war umgeben von einem Obstgarten, Hügeln und Wald, zufällige Passanten konnten wenig im Inneren erkennen. Die Abschottung gelang so gut, dass die örtlichen Behörden erst 1970, nach dem Tod Che Guevaras, von dessen Aufenthalt in ihrem Land erfuhren." In Prag beschäftigte er sich intensiv mit Politischer Ökonomie, aber seine Pläne, nach Bolivien zu gehen hatte er nicht aufgegeben.
André Scheer
Che Guevara
PapyRossa-Verlag Köln, 134 Seiten
ISBN 978–3-89438–687-0
9,90 Euro
Foto: Marion Leonhardt |
So hält das Buch noch viele spannende Einblicke bereit, die den politischen Menschen Che und nicht den oft zur Ikone stilisierten und seiner Inhalte entleerten zeigen. Zudem bereitet es Lesevergnügen. Dafür sei André Scheer Dank.
Das Publikum wurde Zeuge einer kenntnisreichen Vorstellung der Che-Biografie von Autor André Scheer (links im Bild) und Kuba-Experte Volker Hermsdorf, die es schafften, auch kompliziertere Sachverhalte aufgelockert näher zu bringen. Anschließend blieb Raum für viele Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum. Die dabei angesprochenen Thema waren vielfältig: So etwa der Unterschied von Raul und Fidel auf der einen Seite, die schon sehr jung politisch aktiv waren, und Che, der sich selbst in seiner Jugend als unpolitisch betrachtete. Er wollte ein herausragender Mediziner werden, erst eine Lateinamerikareise machte ihm deutlich, dass man für eine gute Gesundheitsversorgung eine andere Gesellschaftsordnung braucht. Auch das angebliche Zerwürfnis zwischen Fidel und Che vor dessen Reise nach Bolivien, von bürgerlichen Medien so immer wieder bemüht, konnte Scheer anhand von Aussagen von Aleida Guevara, der Tochter Ches, widerlegen. Ebenso spielten Che Ausführungen zur Wirtschaftspolitik, die zum Teil erst viel später veröffentlicht wurden und in vielen früheren Biografien daher noch nicht verarbeitet werden konnten, eine Rolle in der Diskussion. Che hatte etwa die historische Notwendigkeit der Neuen Ökonomischen Politik Lenins mit marktwirtschaftlichen Elementen anerkannt, aber kritisiert, dass diese später nicht wieder zurückgeführt wurde.
Gesprächsstoff bot auch die zunehmende Entpolitisierung Che durch T-Shirts u. ä. sowie seine Vereinnahmung durch Rechte. Hier kommt der Biografie von André Scheer , das zeigte die Buchvorstellung das Verdienst zu, sich auf den politischen Che ohne die zahlreich kursierenden Anekdoten konzentriert zu haben.
Marion Leonhardt
CUBA LIBRE 2-2019