Revolutionärer Realpolitiker und globaler Architekt

Volker Hermsdorfs Biografie über Fidel Castro.

Fidel Castro hat unbestreitbar sein Land und die Welt verändert. Das ist sicherlich nicht der schlechteste Grund, eine Biografie über ihn zu schreiben – und es gibt derer viele inzwischen. Nun hat Volker Hermsdorf, exzellenter Kenner Kubas und Publizist, nach mehreren Kubabüchern und einer Biografie über Raúl Castro, auch eine über Fidel Castro vorgelegt. Hermsdorfs Konzeption, Castros Biographie nicht einfach nachzuzeichnen, sondern Fidels revolutionäre Etappen und die Entwicklung seiner politischen Persönlichkeit aufzuzeigen, unterscheidet sie durchaus von den bisherigen Biografien und gibt diesem lesenswerten Buch einen besonderen Mehrwert.


Als sich der charismatische Jurist Fidel Castro sich für den Guerillakrieg entschied und mit seiner Rebellenarmee 1958/1959 den korrupten Diktator Fulgencio Batista stürzte, entschied er sich damit auch gegen eine bürgerliche Karriere mit vielen Annehmlichkeiten und Wohlstand. Er kommentierte dies später in einem Schreiben an die FEU-Studenten leicht ironisch, er sei "auf wundersame Weise dem Reichtum entkommen". Ihm war es wichtiger, auf der richtigen Seite, auf der der Unterdrückten, zu stehen. Dieser Grundsatz sollte sein ganzes Leben bestimmen.

In einer ersten Phase Castros als revolutionärer Realpolitiker erzählt Hermsdorf kenntnisreich, wie die ersten Schritte nach dem Sieg der Revolution aussahen. Zentrale Punkte sind dabei die Bezwingungen der Invasion in der Schweinebucht, angesichts dessen er die Kubanische Revolution zur sozialistischen erklärte, und die Raketenkrise. Im Oktober 1962 kam es zur Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR, die sich aus der Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter auf einem NATO-Stützpunkt in der Türkei und die daraufhin beschlossene Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba entwickelte. Chruschtschow verhandelte mit den USA, die Raketen wurden nicht stationiert. Was Fidel aber störte war, dass all dies ohne Konsultation der Kubanischen Regierung geschah. Das war eine Lehre, die ihn veranlasste, als eigenständiger Akteur auf der Weltbühne zu erscheinen.

Und tatsächlich gelang es Fidel, ein globaler Architekt zu sein. Kubas Internationalismus war und ist legendär. Und wohl kein anders Land hat größeren Altruismus insbesondere gegenüber Afrika gezeigt, wie schon Nelson Mandela anmerkte. Zu einer der wenigen Persönlichkeiten, die im Sinne Hegels als "welthistorische Individuen" bezeichnet werden können, wurde Fidel durch sein Engagement auf der globalen Ebene. Der marxistische Philosoph Hans Heinz Holz bezeichnete Castro als eine "Leitfigur", die an den "Knotenpunkten der Geschichte" gewirkt und "der Geschichte der ganzen Welt ein neues Zeichen gesetzt" habe man findet wohl kaum ein Land auf der Welt, das so viele humanitäre Missionen durchgeführt hat wie Kuba – viele auf Initiative von Fidel.

Fidel war und blieb ein Unbezwungener. Er war immer ein Advokat des Volkes. Wie groß sein Talent als Medien- und Kampagnenprofi war, zeigt Hermsdorf am Beispiel der erfolgreichen Bewegungen zur Rückholung von Elan und der Cuban Five.

Der Bogen in die Gegenwart wird mit der Frage nach Fidels Vermächtnis geschlagen. Die Person Fidel Castros polarisiert über seinen Tod hinaus. Für die Mächtigen der westlichen Welt bleibt er ein Hassobjekt. In den Hütten der Armen und in den Elendsvierteln des Südens gilt der Comandante Fidel dagegen als einer, der im Kampf für die Freiheit von Ausbeutung und Unterdrückung immer kompromisslos auf Seiten der "Verdammten dieser Erde" stand. Und wenn man für Kuba Bilanz zieht gilt eindeutig: Trotz der umfangreichsten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die je über ein Land verhängt wurde, verhungert in Kuba niemand. Kein Kind muss auf der Straße leben; Kindersterblichkeit und die Analphabetenrate liegen unter den Werten der USA und die durchschnittliche Lebenserwartung der kubanischen Bevölkerung ist die höchste aller lateinamerikanischen Länder. Das alles können nur Ignoranten gering schätzen – für jeden Humanisten sind das Meilensteine.
Fidel Castro - Basis

Das Buch enthält auch für Kubakenner noch viele spannende Fakten und Begebenheiten: Die muss man aber selber nachlesen. Zum eigenen Lesevergnügen – und weil dem Buch viele interessierte Leser zu wünschen sind.

Volker Hermsdorf: Fidel Castro
Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie
143 Seiten, 9,90 Euro
PapyRossa Verlag, Köln 2018




CUBA LIBRE Marion Leonhardt

CUBA LIBRE 4-2018