Gruß an Che

Ernesto Rafael Guevara de la Serna, genannt Che Guevara, wäre am 14. Juni 90 Jahre alt geworden.

Alters- und Weggefährte


Che - Revolutionäres Vorbild

Es war der "Weltbund der demokratischen Jugend", der zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten rief. Beide haben wir sie erlebt und in unterschiedlichen Sprachen den gleichen Text gesungen: "Jugend aller Nationen, uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut. Wo auch immer wir wohnen unser Glück auf dem Frieden beruht." Aktueller denn je ist dieser Appell. Er möge die Jugend auf Kuba wieder so erreichen, wie die Generation Ches und er sollte Mahnung für alle Zeit bei uns in Europa sein.

Es war schon ein schwerer, schicksalhafter Weg, der aus dem 2. Weltkrieg führte als in Prag, Budapest, Berlin und Warschau – in Städten, in denen noch die Trümmer des Krieges lagen – sich die demokratische Jugend der Welt mit dem Vermächtnis "Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus" traf. Dieser Ruf geht von Che über sein Grab hinaus, auch heute als Aufforderung an die Völker der Welt. Für mich ist er bis heute Inhalt meines Lebens. Aktuell wie damals sind die mahnenden Worte geblieben, die sich und uns in den 1960-er Jahren der russische Dichters Jewgeni Jewtuschenko stellte. "Meinst du die Russen wollen Krieg?". Eine solche Frage steht nun wieder im politischen Raum und vor den Völkern.

Die neue Führungsgeneration auf Kuba hat ihre Antwort auf diese Frage gerade erst gegeben: "Was wir brauchen sind Vertrauensbildung und nicht Konflikte und Gefahren!" Salute Che – sagt dir Hans Modrow

Hans Modrow, Vors. d. Ältestenrates der Partei Die Linke


Revolutionäres Vorbild mit Ecken und Kanten


In meiner Jugend (ich bin so was, wie ein Nach-Achtundsechziger) war Che mehr eine Ikone. Das Plakat an der Wand "Hasta la victoria siempre" gehörte zwar zum guten Ton – viel wussten wir aber nicht über den "Che". Wir sangen: "Uns bleibt, was gut war und klar war: Daß man bei dir immer durchsah und Liebe, Haß, doch nie Furcht sah – Comandante Ché Guevara". Leider ist ja die deutsche Übersetzung von diesem Kriegstreiber Biermann, ich habe die Hoffnung, dass der heute darunter mehr leidet als wir, wenn wir das Lied singen. Als junger Kommunist dann die Informationen über seine Teilnahme an der Revolution und dem Beginn des Aufbaus des Sozialismus in Kuba. Dann die Nachrichten über den Weggang aus Kuba, dem Kampf in Afrika, den Tod in Bolivien. Ein Revolutionär mit Widersprüchen.
Das erweckte damals bei mir Widersprüche – aus heutiger Sicht manche richtig, manche falsch. Später las ich seine Aufzeichnungen über den Kampf im Kongo, dort dokumentierte Che selbst die Widersprüche, auf die er stieß. Vor einigen Jahren war ich in St. Clara, Kuba – spürbar die Verehrung, die die Menschen für Che empfinden. Auch diese Verehrung, die in vielen Familien Kubas lebt, macht deutlich: Dieser Che, er war ein Revolutionär durch und durch, er war ein Mensch, mit großer Menschlichkeit. Er war und ist ein Vorbild für alle Revolutionäre – auch mit seinen Ecken und Kanten, seinen Widersprüchen. Wer ihn zur Ikone macht und vergisst, dass er Revolutionär war, der verleugnet ihn. Wer ihn zur Ikone macht, ohne seine Ecken und Kanten zu studieren, der wird ihm nicht gerecht. Wer wegen seiner Ecken und Kanten seine Größe als Revolutionär schmälert, hat von den Problemen des revolutionären Kampfes keine Vorstellungskraft.

Hasta la victoria siempre!

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

Che Guevara


So sein wie Che


"Das Besondere an ihm ist (…) seine Gesinnung, die Identität von Wort und Tat und die Menschlichkeit bei aller Härte und bei aller Kampfesbereitschaft, wenn es keinen anderen Ausweg als Kampf und Härte gab." So antwortete der Schriftsteller Eberhard Panitz in einem Interview der "Deutschen Welle" am 8. Oktober 2007. Panitz hatte den Che 1961 kennengelernt. Gerade war seine biografische Skizze "Comandante Che" neu erschienen und der staatliche Auslandsrundfunk der BRD wollte wissen, ob solcherart "Heldengedenken" in postsozialistischen Zeiten noch angebracht sei. Als "Kontrapunkt" wählte die Redaktion damals Aussagen des Bänkelbarden Biermann …Wenn ich in einem kleinen "konservativen" Ort in Schleswig-Holstein am Fenster des gemeindefinanzierten Jugendzentrums das Korda-Bild von Che Guevara sehe, frage ich mich, ob sie wissen, wen sie da hängen haben. Ist das Ausdruck der Sinnentleerung von Symbolen? Ausdruck vom kollektiven Gedächtnis? Oder nur Ergebnis eines Sonderangebots an Aufklebefolien? Manchmal stelle ich mir vor, einer dieser Pfarrer der "Befreiungstheologie" hat den Che vor Jahrzehnten oder Jahren dort angebracht, und er blieb kleben, weil er "schick aussah". Jedenfalls freue ich mich daran, wenn ich vorbeifahre, denn irgendwann wird irgendjemand auf die Idee kommen, doch mal nachzufragen oder nachzulesen, wer denn dieser coole Typ ist.

Sein wie Che

Brauchen wir Helden, Ikonen, Vorbilder? Eberhard Panitz fasste es damals so zusammen: "Es geht doch darum, letzten Endes: Um soziale Befreiung, um Emanzipation (…), um Lernen für alle, das ist ja alles in dem "Wie Che sein" mit drin. Klar – da wird alles subsumiert auf einen Namen, aber ich glaube, das ist ein guter Name und ein gutes Beispiel."

So sein wie der Che – für uns muss das auch heißen, das Unmögliche zu versuchen und dabei Realist zu bleiben. Ernesto Guevara war kein wüster Haudrauf oder Haukaputt, ihn zeichnete auch aus, dass er Denken, Bildung, Vernunft als wesentlich für die Umgestaltung der Gesellschaft sah. Manchmal scheint es, als würde von besonders Wütenden, die doch nur "das Gute" zu wollen glauben, die Realität hingebogen, um das Unmögliche zu versuchen. Das ist sicher nicht "so sein wie Che" - denn der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.

Hasta siempre, Comandante!

Wiljo Heinen, Verleger

Che Guevara


Che – Vorbild an Standhaftigkeit


Guevara – für mich ein unvergleichliches Beispiel, für die Erreichung hehrer Ziele zum Wohle der Menschheit und der einfachen Menschen sein Leben einzusetzen, es zu riskieren, es ungünstigenfalls zu verlieren – wie auch viele antifaschistische Kämpfer in Deutschland, Spanien und vielen anderen Ländern. Besonders nach Besuchen solcher Stätten wie der ehemaligen Kommandantur in der Sierra Maestra und der Aktion gegen den Batista-Panzerzug in Santa Clara fällt es mir schwer, die Politiker hierzulande zu ertragen, denen es oftmals nur um Pfründe und einen Platz am Futtertrog geht, aber jegliches persönliches Risiko scheuen, wenn es um gesellschaftliche Verbesserungen, um den Kampf gegen internationale Konzerne und ihnen genehme Verträge und "Recht"sprechung geht. Che Guevara ist ein leuchtendes Vorbild für Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und Standhaftigkeit. Gerade in einer Zeit, in der moralische Werte immer geringschätziger behandelt werden und Konsumrausch sowie Streben nach materiellen Werten gefördert werden, ist so ein Beispiel wie Che Guevara für uns und die kommenden Generationen sehr wichtig. Sorgen wir dafür, dass sein Andenken lebendig gehalten wird.

Gerhard Mertschenk, Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft Berlin


Che vive – Che lebt!


Vor 90 Jahren wurde er geboren. Er hat intensiv gelebt und gekämpft. Und er hat alles gegeben. Früh auch sein Leben. Aber sein Name und die von ihm vorgelebten Ideale sind unauslöschlich in der Weltgeschichte verankert und erscheinen an verschiedenartigsten und entferntesten Orten dieser Welt, sei es in Nepal auf einem Kalender, in vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas auf dem Logo ärztlicher Missionen. In der Stadt Guantánamo trägt eine Schule für Schwerstbehinderte sein Geburtsdatum: "14 de Junio". Und hierzulande? Es liegt an uns, sein Vermächtnis in die Gehirnwindungen des kapitalistischen Monsters zu injizieren. Unsere eindrückliche Kampagne mit Dr. Aleida Guevara hat über Erwarten viele junge Leute erreicht - und hoffentlich auch die von ihr weitergelebte Botschaft ihres Vaters, des Che: "Seid vor allem immer fähig, jede Ungerechtigkeit gegen jeden Menschen an jedem Ort der Welt im Innersten zu fühlen. Das ist die schönste Eigenschaft eines Revolutionärs".

Samuel Wanitsch, Vereinigung Schweiz-Cuba


Che Guevara – Inspiration und Vorbild


"Die Gesellschaft muss sich in ihrer Gesamtheit in eine riesige Schule verwandeln."
Che Guevara, Der neue Mensch


Schon in meiner frühestens Jugendzeit war Che eines der Vorbilder, das mein Leben entscheidend beeinflusst hat. Seine unzerstörbare Hoffnung auf die Durchsetzung einer gerechten Gesellschaft, sein Mut und sein Vorbild für Millionen Menschen in nahezu allen Staaten der Welt, haben auch mich intensiv berührt. Und trotzdem blieb mir "mein Genosse und Bruder" Che Guevara auch fremd.

Ich erinnere mich noch genau an eine Situation auf Kuba, als ich gemeinsam mit anderen GenossInnen Kuba besuchte. Die letzten beiden Tage auf Kuba wurden wir in einem Hotel am Strand von Varadero untergebracht. Es war die Zeit von "all inclusive" im Tourismus, in dem die TouristInnen aus den Staaten des globalen Nordens nach Kuba kamen, um dort eine "schöne Zeit" zu verbringen. Als ich im Hotel war und sah einen Teil der TouristInnen, wie sie mit Che-Guevara Shirt an den Bars herumlungerten und die schwer arbeitenden Menschen von oben herab behandelten und sie zum Teil beleidigten, schämte ich mich für diese Arroganz. Und gleichzeitig entfremdete es mir das Tragen von Che-Shirts. Che wird heute nahezu überall als Marke verkauft: Auf Tassen, T-Shirts, Schlüsselanhänger und vielem mehr. Mit dem Leben und dem Werk dieses großartigen Revolutionärs hat dies wenig zu tun.

In diesem Jahr wäre Che 90 Jahre alt geworden. In seinem viel zu kurzen Leben ist er für viele zum Symbol für Aufrichtigkeit, Mut und Veränderungswillen geworden. Che war Revolutionär, Humanist und Intellektueller. Besonders sein "Bolivianisches Tagebuch", aber auch seine Aufsätze über den "neuen Menschen", zeugen von seiner tiefen Humanität und Überzeugung. In seinem Werk „Der Sozialismus und der Mensch in Kuba“ stellte er die Möglichkeiten des Menschen für die Schaffung einer neuen Gesellschaft in den Mittelpunkt. Nicht der Marxsche Imperativ, dass die Produktivkraftverhältnisse den ideologischen Überbau schaffen, sondern die Überzeugung, dass der Mensch sich im hier und heute bilden und verändern müsse, war seine Überzeugung. Für Kuba, das als Land des globalen Südens keine größere ArbeiterInnenklasse hatte, sah er die Erziehung des Menschen als zentrale Triebfelder für eine neue Gesellschaft. Er war der Überzeugung, dass in Kuba die Bildung und Erziehung zum sozialistischen Menschen eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für die kubanische Entwicklung darstellte. Die Menschen auf Kuba, die durch die Ideologie der Unterdrückung und Erniedrigung in Jahrhunderten durch die kolonialen Ausbeuter geprägt wurden, sollten zu selbstbestimmten, stolzen RevolutionärInnen werden. Che hatte ein zutiefst humanistisches Menschenbild: Er sah die Würde des Menschen als Voraussetzung, eine neue, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, in der der "Mensch als Mensch" und nicht mehr als Knecht leben würde.

Seine Überzeugung war, dass der Mensch sich in einer Übergangsphase von den rein materiellen Bedürfnissen lösen müsse, um sich in Kuba auf den Weg zu einer neuen Gesellschaft zu machen. Er wusste, dass der kubanische Staat aufgrund seiner fehlenden Produktivkraft, die vielen Anstrengungen der KubanerInnen nicht alleine durch materielle Vergütung und die Befriedigung aufwendiger Bedürfnisse, ausgleichen konnte. Vielmehr müsse es darum gehen, mit seiner Arbeit etwas Neues zu schaffen und die bestehende Gesellschaft stetig zu verbessern.

Che war – ähnlich wie Rosa Luxemburg – der festen Überzeugung, dass es die einfachen Menschen sind, die gesellschaftlich tragbare Veränderungen in Gang setzen und dann vor allem in Gang halten können. Der Wille und das Bewusstsein der Massen sind die Grundlage für eine bessere, eine sozialistische Gesellschaft. Er war in seiner Selbstdisziplin Vorbild. Die Avantgarde war für ihn nicht eine abgehobene FunktionärInnenschicht, sondern die politische Vorhut, die mit gutem Beispiel und besonders hoher Begeisterung für die gerechte Sache vorangehen müsse. Eine so verstandene Avantgarde muss Beispiel für die Massen sein. Er wusste aber auch, dass dieser Prozess viele Jahre, wahrscheinlich sogar Jahrzehnte, dauern wird.

Che Guevara sah als Ziel einen neuen Menschen in einer neuen Gesellschaft. Er führte in seiner Philosophie Elemente des Humanismus von José Martí mit marxistischem Gedankengut zusammen. Der Mensch müsse sich und die anderen erziehen. Stetiges Lernen, Erziehung aber vor allem auch Selbsterziehung war für ihn wichtig. Durch dieses stetige Streben nach dem "neuen Menschen" werde der Einzelne immer weiter zu einer sozialistischen Persönlichkeit reifen. Die Ökonomie müsse dabei so gestaltet werden, dass der Mensch in "befreiter Arbeit", ohne feudale oder kapitalistische Herrschaft, arbeiten könne.

Diese Überzeugung war auch eine der Grundlagen für die unvorstellbare Alphabetisierungskampagne auf Kuba, die innerhalb kürzester Zeit mehr als 700.000 Erwachsene erreichte. Für MarxistInnen ist die Vorstellung eines solchen "erziehenden Sozialismus" theoretisch indifferent. Deshalb ist seine Philosophie auch immer auf skeptische Begleitung der traditionellen marxistischen Parteien und Bewegungen gestoßen. Wer aber die real existierenden Bedingungen in vielen Ländern des globalen Südens, und vor allem auch Kubas näher analysiert, kann zumindest nachvollziehen, dass diese Hoffnung auf das Wirken des Menschen zwar nicht originär marxistisch, aber auf jeden Fall sozialistisch und realistisch war.

Che war überzeugt, dass der Mensch auf Kuba auch unter persönlichen Entbehrungen die Revolution hin zum Sozialismus vorantreiben wird. Dieses Vorantreiben der Revolution ließ ihn persönlich nicht ruhen. Ob im Kongo oder in Bolivien, Che lebte diesen aufopferungsvollen Humanismus der Revolution auch immer selbst.

Heute ist das Bildnis Che Guevaras zu einer kapitalistischen Ware geworden. Nobelmarken verwerten sein Bild genauso wie RamschverkäuferInnen. Auf den Bildern ist Che Kult und Heroe. Er hätte diese Form der "Heroisierung" und diesen "Personenkult" zutiefst verabscheut. Heute geht es darum, die Überzeugungen und Hoffnungen Che Guevaras wach zu halten. Gemeinsam können wir dafür arbeiten, dass sein Traum Wirklichkeit wird: Durch unsere Solidarität zur kubanischen Revolution und den Kampf für eine Welt, in der die kapitalistische Barbarei überwunden wird.

Uwe Hiksch, Naturfreunde

CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 3-2018