Venezuela im Fadenkreuz

Interview mit Dr. Carolus Wimmer, Internationaler Sekretär der PCV. Cuba Libre: Nach einer unruhigen, von Gewalt der sogenannten Opposition geprägten Zeit, kam die zuletzt von ihr boykottierte Constituyente zustande. War ihre Einrichtung ein Erfolg für Maduro?

Carolus Wimmer

Carolus Wimmer Foto: Thomas Brenner

Carolus Wimmer: Den ganzen politischen Prozess darf man nicht personalisieren. Die Arbeiterklasse, das Volk hält diesen Kampf jetzt schon 18 Jahre lang durch. Bislang wurden alle Versuche – insbesondere die des US-Imperialismus und seiner Verbündeten, auch aus Europa – diesen Prozess der nationalen Befreiung in Venezuela zu besiegen, niedergeschlagen. Natürlich ist es ein großer Erfolg auch der revolutionären Kräfte und der venezolanischen Regierung, die konterrevolutionären Unruhen des Jahres 2016 besiegt zu haben und wieder in einen politischen Prozess innerhalb der Verfassung übergegangen zu sein. Die Verfassungsgebende Versammlung, die demokratisch gewählt wurde, bedeutet eine große Möglichkeit, durch eine offene, demokratische und partizipative Teilnahme der breiten Bevölkerung die aktuelle Lage des politischen Prozesses zu diskutieren, Lösungen zu finden, wobei bisherige Fehler überwunden werden können und die Verfassung verbessert werden kann – speziell in Punkten der Rechte für die Arbeiterklasse, der Frauenbewegung und generell für mehr partizipative Demokratie.

Cuba Libre: Die Constituyente hat noch keine neue Verfassung erlassen, also ihre eigentliche Arbeit noch nicht aufgenommen, trotzdem scheint sich die Situation zu entspannen. Wie ist deine Einschätzung dazu?

Carolus Wimmer: Es wird ein offener Klassenkampf von seiten der USA geführt. Deswegen hat die Constituyente keine Zeit, Verfassungsentwürfe zu diskutieren, es mussten zwei Wahlen durchgeführt werden. Also wird dieser Prozess, der insgesamt auf zwei Jahre angelegt ist, noch Zeit brauchen.

Cuba Libre: Bei den letzten Wahlen hat die PSUV zugelegt, aber ihre linken Bündnispartner teilweise auch brüskiert. So wurde etwa der Antritt eines von der PCV gestützten Kandidaten behindert, ein Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes wurde kurzzeitig inhaftiert. Wie bewertest du das?

Carolus Wimmer: Die PSUV ist eine politische Bewegung mit verschiedenen Gruppierungen und Meinungen und bei den letzten Wahlen für die Gouverneure und die Bürgermeister hat sich die Tendenz durchgesetzt, auf ein Bündnis mit den anderen revolutionären Kräften des patriotischen Pols zu verzichten, was zweifellos Schwierigkeiten bringen könnte im Wahlprozess zu der Präsidentschaft in diesem Jahr. Diese selbstherrliche Aktionsweise bedeutet auch, dass plötzlich auch die Verbündeten zum Hauptfeind erklärt werden und jegliche Alternative und Widerspruch aggressiv beantwortet wird, z. B. mit der undemokratischen Nicht-Vereidigung von gewählten Bürgermeistern und willkürlichen Verhaftungen von Genossen. Wir nehmen das also ernst, aber lässig. Es ist Teil des Klassenkampfes.

Cuba Libre: Wie ist im Moment die wirtschaftliche Situation? Trifft die Blockade und ist die Zurückhaltung von Lebensmitteln zum Beispiel durch Unternehmer weiter ein Problem?

Carolus Wimmer: In Venezuela werden die ganze Wirtschaft und die Finanzen vom Kapitalismus kontrolliert. Es ist ein Beweis, dass wir in Venezuela noch nicht von Sozialismus sprechen können, sondern nach Meinung der PCV sind wir in einem sehr wichtigen und nötigen Kampf der nationalen Befreiung, der in Richtung Sozialismus gehen muss. Durch die Uneinigkeit der Opposition konnten die USA ihr Ziel eines Regimewandels nicht erreichen und deshalb werden die Sanktionen von außen und die Sabotageakte von innen laufend verschärft.

Cuba Libre: Wie wirkt sich die aktuelle Situation in Venezuela auf die weitere Zusammenarbeit zwischen Venezuela und Kuba aus?

Carolus Wimmer: Die Beziehungen sind im Moment staatliche Beziehungen, in denen vieles durch Verträge geregelt wird. Einige Programme konnten auf beiden Seiten nicht erfüllt werden. Der in Kuba erwartete größere wirtschaftliche Spielraum durch die neuen diplomatischen Beziehungen mit den USA trat nicht und in Venezuela kam es zu schärferen Sanktionen durch die USA. Beide Präsidenten, sowohl Castro als auch Maduro, erklärten aber, dass die solidarische Zusammenarbeit beider Länder aber nichtsdestotrotz weiter geführt werde. Der ganze Prozess muss auch im Zusammenhang mit ALBA gesehen werden.


CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 2-2018