Der Trugschluss einer sogenannten Mitte
Ein Debattenbeitrag von Enrique Ubieta, veröffentlicht in "Cubadebate" am 18. Juli 2017
Die gesellschaftliche Wahrheit kann einem entgleiten. Es reicht nicht sie für sich zu beanspruchen oder zu fordern, um sie anzutreffen. Im Unterschied zum Newtonschen Apfel, fällt sie nicht einfach von oben nach unten. Sie zu erkennen hängt zu einem großen Teil von unseren Augen ab, noch mehr von unserer Anschauung, um noch genauer zu sein: von unserem Blickwinkel, der Perspektive von unserem Standpunkt aus. Die gesellschaftliche Wahrheit existiert unabhängig von den Individuen; aber der Kampf um ihre Anerkennung drückt unterschiedliche Interessen aus. Die gängigsten, üblichen Vereinfachungen bedienen sich falscher Auffassungen: Eben, dass die Wahrheit unter allen verteilt sei, dass sie die Summe aller Blickwinkel sei; dass die Wahrheit der Ausgebeuteten ohne die Wahrheit der Ausbeuter nur ein Bruchstück sei, eine unvollständige Wahrheit. Es erscheint kurios, aber die gegensätzlichen Standpunkte wähnen sich in der Bequemlichkeit einer sogenannten Mitte.
Enrique Ubieta Gomez, ist Leiter des theoretischen Magazin Cuba Socialista der Kommunistischen Partei Kubas. |
Einige Texte geschätzter Kollegen, die in digitalen Medien veröffentlicht wurden und das Interview, das "Cubadebate" mit mir durchführte – und das auch auf den Seiten der "Granma" erschien –, allesamt über den sogenannten Zentrismus der ideologischen Strömungen, die versuchen, sich in Kuba zu etablieren, erzeugten großes Aufsehen auf diversen Online-Plattformen, von denen einige einen offen konterrevolutionären Charakter haben. Das Paradoxe war, dass zumindest in den ersten Tagen diejenigen, die erwähnt worden waren, und auch diejenigen, auf die nicht angespielt wurde – die sich jedoch angesprochen fühlten – statt die Argumente zu diskutieren einen Rollentausch vollführten: Sie beschuldigten uns Zensoren zu sein, die Opfer forderten. Es kam die Forderung auf, dass wir doch über Probleme wie Landwirtschaft, Bürokratie oder andere Mängel sprechen sollten und nicht über ideologische Tendenzen. Das lähmte die Debatte. Aber diese Ausflucht ist nicht haltbar, denn keines der aktuellen Probleme, mit denen sich das Land konfrontiert sieht, wird gelöst werden können, wenn wir die Revolution verlieren.[1]
Ich beginne diese Überlegungen mit der Absicht, die abebbende Debatte wieder aufzugreifen mit einem Bezug auf einen Artikel von "Cuba Posible", der hauptsächlichen Plattform im Web für unterschwelliges restauratives Gedankengut. Diesen Artikel positionierten sie als erste Antwort auf das Entlarven ihrer Absicht, die revolutionären Kräfte zu demobilisieren. Danach weite ich die Analyse auf andere Themen aus. Der Autor des Textes, Lennier López, nahm sich des Begriffes an und beanspruchte ihn durch den Titel selbst: "Die Mitte des Spielbretts ist radikal, demokratisch, sozialistisch und aufgeklärt." Hierfür appellierte er an zwei oder drei sehr einfache Ideen, die bisher jedoch weder praktiziert wurden, noch jemals in der Praxis durchgeführt werden können: Man solle die "polarisierenden Debatten", und die "Kriegspolitik" aufgeben, denn laut seiner reinen Auffassung sei Politik "die effektive Verwaltung von Macht" und kein [ungleicher, Anm. d. Übers.] "Kampf ohne Loyalität und Regeln". Deswegen schlägt er vor, die Achse "Links-Rechts", durch die "Mitte des Spielbretts (…) eines laufenden Spiels" zu ersetzen. Erkennen wir es als das was es ist und sagen es auf elegante Weise: Es wäre wie von einer Warte aus betrachtet ein Kuba, welches man "Ideenlabor" nennen könnte – so wie sich dieses mögliche Kuba (wie der Name des Blogs Cuba Posible, Anm. Übers.) selbst nennen würde, das nur möglich werden würde, wenn wir das geschaffene, aufgebaute Kuba verlieren würden. So wie es kürzlich in einer Erklärung des Gründers von "Cuba Posible" hieß, um eine "graduelle Evolution des gesellschaftspolitischen Modells Kubas zu ermöglichen." Das alles wird gesagt, während gewisse Andere von Washington und abwechselnd von verschiedenen subkapitalistischen Orten aus, in Caracas die Fäden der "Kriegspolitik" knüpfen, die Fäden der Gewalt, oder diejenigen, welche die Politik des Zuckerbrots und der Peitsche bezüglich Kuba unter sich aufteilen. (Obama dixit)
Lennier besteht auf der Metapher
des Schachspiels – welche zuvor
von dem rechten Politiker Aznar
verwandt wurde, als dieser Premierminister
Spaniens war, und
die von Fidel beantwortet wurde –
um sein Politikverständnis auszudrücken:
"Die Schachfiguren – sagte
der zitierte Autor – sind verteilt
um die verschiedenen senkrechten
und diagonalen Felder in allen Bereichen
des Schachbretts zu besetzen.
Der Zentrismus besteht also
darin, eine transversale Politik der
Mitte zu versuchen." Im Bezug auf
diese Aussage des spanischen Politikers
kam nun die Antwort von Fidel:
"Es kam ein Ritterlein daher,
das mir sagte, dass wenn wie bei
einem Schachspiel Kuba die Figuren
bewege, sie auch Figuren bewegen
würden, und ich sagte ihm, das
Schicksal eines Landes werde nicht
auf einem Schachbrett aufs Spiel gesetzt."
Wie später ersichtlich wird, fordert
Lennier gar keine Debatte des
Volkes, auch wenn er das vorgibt
und Ineffizienzen und Mängel aufzählt.
Diese nicht-strukturellen
Mängel kann auch jeder bestätigen,
sie werden von ihm jedoch benutzt
um die grundlegenden Themen
zu umgehen und nicht, um sie
anzusprechen.
Es gibt Signale einer bestimmten
Tendenz im Text, die wiederum ein
gewisses Publikum anziehen, das
daran Gefallen findet; es handelt
sich um überkorrekte, sehr prestigeträchtige
Haltungen: Lennier
verteidigt natürlich die Vernunft
und übernimmt die Redeweise der
Aufklärung, des im Aufstieg begriffenen
Bürgertums. Im selben
Atemzug, in dem er eine reaktionäre
Utopie übernimmt, erklärt er sie
für modern, postmodern und poststrukturell.
Er gibt vor in der Mitte
zu stehen, antidogmatisch zu sein,
wobei er alle Dogmen der Rechten
übernimmt. Man muss anerkennen,
dass er einen kreativen Moment
hatte, als er den Begriff Zentrismus
verwendete … Was für ein
Fund! Dazu gab mir jemand, der
ihm dieses wunderbare Bild nicht
abkauft, folgenden Kommentar: Er
ist wie ein Kater in der Mitte eines
heißen Blechdachs, der in erbärmlichem
Ton erklärt: "Welcher Verlust,
welche Verschwendung ist es
doch für eine Nation, einige ihrer
eigenen Segmente nicht in der Politik
partizipieren zu lassen!"
Ja!, sage ich, was für eine Verschwendung,
was für ein Verlust
ist es doch, dass es Klassen gibt
und Klassenkampf, unterdrückende
und unterdrückte Nationen, Patrioten
und solche, die ihr Vaterland
verkaufen! Lennier ist so sozialistisch
wie Felipe González.
Denn im Allgemeinen handelt es
sich nicht um Perspektiven oder
unterschiedliche Meinungen, sondern
um entgegengesetzte Interessen.
Ich wiederhole und präzisiere:
Interessen der verschiedenen
Klassen. Der historische Konflikt
zwischen den Vereinigten Staaten
und Kuba hat nichts mit einem unterschiedlichen
Verständnis der
Menschenrechte zu tun. Batista,
Trujillo, Somoza, Pinochet waren
Freunde – des Imperialismus (ich
spreche nicht nur von den Regierenden
der Vereinigten Staaten).
Donald Trump der gerade aus Saudi-
Arabien zurückgekehrt ist, verehrt
die saudischen Scheichs – der
Name des Landes leitet sich von
der königlichen Familie ab –, und
wird ihnen Waffensysteme mit
israelischen Komponenten verkaufen.
Man darf sich nicht vom
Schein trügen lassen: Es ist nicht
die finale Umarmung von Arabern
und Juden, es ist die Umarmung
reicher Arabern, reicher Juden
und reicher Amerikanern, die
Front macht gegen ihre jeweiligen
Völker. In den 70ern des vergangenen
Jahrhunderts stellten sich die
Hippies dem System mit Kühnheit
und Arglosigkeit gegenüber:
"Macht Liebe, nicht Krieg", sagten
sie und erhielten eine Tracht Prügel
nach der anderen als Antwort,
während B52-Bomber, mit chemischen
Waffen beladen – heute sind
es Drohnen oder "intelligente" Raketen
und der Tod wird per Computer
verwaltet –, taub vor Wut,
Richtung Vietnam aufbrachen.
Der imperialistische Krieg in Indochina
wurde beendet, weil das
vietnamesische Volk die Invasoren
und ihre einheimischen Söldner
mit der Waffe in der Hand aus
ihrem Land heraustrieb. Ist das
etwa ein Thema, das der Vergangenheit
angehört?
Revolution ist nicht zu lügen, niemals
Foto: Krokodyl / wikimedia / CC BY 3.0
Sind breite Bündnisse der Linken zentristisch?
Alles in der Welt scheint zum Zentrismus
zu führen: Die revolutionären
Bewegungen bilden breite
Volksfronten, die nicht-traditionelle
Mitglieder integrieren, die
in der Vergangenheit nicht mobilisiert
und nicht überzeugt von der
Sache waren, welche die strikte
Einhaltung einer bürgerlichen Demokratie
fordern. Das ist im Allgemeinen
möglich, es kann ein Fortschritt
sein oder aber auch ein tödlicher
Stoß für die Bewegung. Denn
wie wir wissen ist es so, dass das
System in Krisenzeiten manche Regeln,
die zur Reproduktion der bürgerlichen
Herrschaft gemacht wurden
– und nicht zu seiner Untergrabung
– weder einhalten kann noch
will. Dennoch kann solch ein Weg
dazu dienen die Massen zu bilden und vor allem die Führungspersönlichkeiten
heranzubilden; die bürgerliche
Demokratie wird sie allerdings
nur in die Regierung bringen,
wenn sie nicht "richtig" funktioniert,
wenn einer ihrer Sauerstoffkanäle
durch die Krise verstopft ist.
Und auch wenn sie es an die Regierung
schaffen, kommen sie doch nie
wirklich an die Macht; Denn in der
Regierung angekommen haben sie
zwei Alternativen: Entweder sie behalten
ein nichtssagendes Profil bei,
ein politisches Profil voller Unterlassungen
auf der einen und Zugeständnissen
und Kompromissen auf
der anderen Seite, mit dem Rücken
zum Volk. Dieses Verhalten desillusioniert
die Wähler bei der nächsten
Runde (und vermeidet trotzdem
keine blutige mediale Dämonisierung).
Oder aber sie versuchen die
Macht wirklich zu übernehmen, das
heißt sich zu radikalisieren.
Wenn sie ankündigen, dass sie
mehr wollen, dass sie wirklich an die
Macht wollen, springt der Tiger (der
nicht aus Papier ist) ihnen an den
Hals, um in ihre Schlagader zu beißen.
Wenn sie es also ankündigen
und sich nicht schnell bewegen, verlieren
sie die Chance wieder. Wenn
sie sich im Gegenteil hierzu immer
in den Grenzen der bürgerlichen
Demokratie bewegen und trotzdem
Projekte zur Bereicherung der
transnationalen Konzerne behindern
– von denen die antinationale
Vize-Bourgeoisie immer einen Teil
des Gewinns abbekommt – wird das
Justizsystem, dessen Aufgabe es
ist, die Reichen zu schützen, sie auf
drastische Art und Weise bestrafen.
Das Freihandelsabkommen ALCA
sei hier als Beispiel genannt. Hierfür
existiert die Teilung der Gewalten,
die alle in der Hand der gesellschaftlichen
Klasse einer Minderheit
sind. Sie können sich die effizienteste
Variante aussuchen: Staatsstreiche
juristischer Art (Honduras,
Paraguay, Brasilien), Prozesse und
Verurteilungen "undisziplinierter"
Expräsidenten, die sich die Unterstützung
der Massen erhalten konnten
und wieder die Regierung übernehmen
konnten – und doch niemals
die Macht hatten. (Dilma und
Lula in Brasilien, Cristina Fernández
in Argentinien).
Wenn ein breites Volksbündnis
die Macht übernimmt, wird es als
totalitär, antidemokratisch und populistisch
diffamiert. (Wobei "populistisch"
ein Wort ist, das sie seiner
historischen und konkreten Bedeutung
beraubt haben, um es auf
seine gröbste Bedeutung, die der
Demagogie, zu reduzieren.) Und paradoxerweise
müssen andere linke
Bündnisse, die sich gerade im Wahlkampf
befinden, ihre Worte mit
noch mehr Bedacht wählen und vermeiden
von denen zu sprechen, die
an die Macht gelangt sind. Sie sehen
sich sogar gezwungen sich von ihnen
distanzieren. Doch sei es drum,
das System wird ihnen gleichermaßen
vorwerfen ihre Komplizen oder,
schlimmer noch, ihre Nachahmer
zu sein: Derzeit ist es zum Beispiel
in Mode, die kolonisierte Wählerschaft
– und die "korrekten Politiker"
– mit der Drohung zu verschrecken,
die neue Linke wolle das Land
zu einem zweiten Venezuela oder einem
zweiten Kuba verändern.
Soweit die Dinge, während das
System weiterhin zerstörerische
Wellen schlägt, versuchen seine
Ideologen es wieder neu aufzubereiten,
indem sie Revolutionen ersticken
und die fortschrittlichen Kräfte
wieder einpferchen. Wenn sie von
einer Revolution an der Macht fordern,
die bürgerliche Demokratie
wiederherzustellen (Gewaltenteilung,
Mehrparteiensystem, privatisierte
Medien und Kommunikationsmittel),
ist das so, weil diese
Demokratie ihnen wichtig ist (damit
sie das Verlorene im Nachhinein
wieder zurückgewinnen können).
Sind es dann Linke, die in den
Ländern bürgerlicher Herrschaft versuchen mittels breiter Bündnisse
die Macht zu erlangen, beschuldigen
sie sie, wie wir KubanerInnen
zu sein. Und uns beschuldigen sie,
nicht so (politisch korrekt im Sinne
der Bourgeoisie, Anm. Übers.)
wie die Linken zu sein –, wir wissen
schon was sie damit bezwecken.
Um es verständlich zu machen:
Die einzige Möglichkeit dem kapitalistischen
System zu beweisen, dass
wir ihre Instrumente und Methoden
richtig eingeführt haben, wäre,
dass wir die Wahlen, die Regierung
und die Macht verlieren würden. Venezuela
ist hierzu das klassische Beispiel:
Der strenge Respekt gegenüber
allen Gesetzbüchern und Kodizes
der bürgerlichen Demokratie wurde
vom Imperialismus niemals anerkannt
oder abgesegnet. Denn dessen
"Demokratie" existiert ja eigentlich
um zu verhindern, dass der Wille
des Volkes das herrschende System
stürzt. Dann wird also da, wo
das System gestürzt wurde und es in
den nächsten fünf oder zehn Jahren
nicht schafft, sich wieder zu installieren,
konstatiert werden, hier funktioniere
die Demokratie schlecht. (Das
kann man auf wissenschaftliche Art
und Weise so sagen.)
In Wahrheit wollen wir Demokratie,
ja, denn das sind ja die Revolutionen,
große Fortschritte der
Demokratie. Und es geht eben darum,
diese neue Vorstellung, die wir
von ihr haben, zum Laufen zu bringen,
nicht darum, ihre alten Postulate
zu restaurieren. Wir sind mit
dem Niveau der Ausübung in dieser
neuen Demokratie nicht zufrieden,
aber nicht, weil wir die andere
Demokratie wollen, von der wir
schon wissen, dass sie unbrauchbar
ist: Der Anspruch wird durch
unsere eigenen Ideale gesetzt und
an ihnen messen wir uns. Denn um
daran zu erinnern: In Kuba beanspruchen
wir nicht die Macht zu
erobern. Wir haben sie schon.
Es ist sicher, dass Fidel, wie Martí
im 19. Jahrhundert, der Urheber der
Einheit aller revolutionären Strömungen
war. Fidel rettete für die Revolution
aufrichtige Menschen, die
revolutionär waren oder mit den Ereignissen
zu Revolutionären wurden
oder die niemals konterrevolutionär
waren. Aber er integrierte nicht auf
beliebige eklektische Art und Weise
verschiedene ideologische Strömungen
und genauso wenig auch nur
eine Person die von den Vereinigten
Staaten oder Europa bezahlt worden
wäre. Blas Roca und Raúl Roa,
jeweils als Präsident und Vizepräsident
der Nationalversammlung, bildeten
ein symbolisches Duo: Beide
setzten ihr Talent und ihre kreativen
Fähigkeiten im Sinne der radikalsten
Haltungen ein, der Fidels
und der der Partei. Unter ihrer Leitung
trugen alle zum Aufbau bei.
Fidel machte keine Pakte, er schuf
neuen Konsens, der von der sozialen
Gerechtigkeit ausging, die das Volk
so sehr ersehnte und die so lange auf
sich hatte warten lassen. Er lehnte
den Pakt von Miami ab in einem Augenblick,
wo dieser so notwendig wie
nie zuvor schien. Er schrieb dazu die
klärenden Worte: "Das Wichtige für
die Revolution ist nicht die Einheit
als Selbstzweck, sondern die Form,
in der sie umsetzbar wird, und die
patriotischen Absichten, die ihr Leben
geben." Er nahm nicht den sozialistischen
Weg, weil die Regierung
der Vereinigten Staaten feindlich gewesen
wäre. Das wäre eine verkürzte
Darstellung, auch wenn das ohne
Zweifel ein katalysierender Faktor
gewesen war. Im September 1961
schrieb er:
"Die Revolution wurde nicht an
diesem Tag, dem 16. April, sozialistisch.
Sie war schon sozialistisch
von ihrem definierten Streben
und ihren Beweggründen her,
als das Volk die Erklärung von Havanna
formulierte. Sie wurde während
der ersten Veränderungen definitiv
sozialistisch, durch die ökonomisch-
gesellschaftlichen Tatsachen
die geschaffen wurden. Also
als die Zuckerkraftwerke, die großen
Fabriken, die großen Geschäfte,
die Minen, die Transportsysteme,
die Banken etc. zu kollektivem
Eigentum, zu Volkseigentum wurden."
Der sozialistische Keim befand
sich schon in der Moncada-Bewegung,
deren klar dargelegte Ziele
dazu inspirierten, die ersten Gesetze
der Revolution zu machen.
Am 16. April wurde vor allem das
wieder bestätigt und bei seinem
Namen genannt, was schon vor der
Hintertüre der militärischen Festung
von Santiago de Cuba, in den
Folter- und Tötungszellen der Diktatur
oder im Angesicht krimineller
Militärs, auf das sozialistische
Ideal, die Befreiung von diesen Zuständen,
hindrängte. Im Kampf
mit diesen überfällig gewordenen
Kräften gaben über hundert junge
Menschen ihr Leben, die sich vorgenommen
hatten, eine tiefgreifende
Veränderung für das Land herbeizuführen.
Innerhalb des halbkolonialen,
kapitalistischen Regimes
konnte es keine andere revolutionäre
Veränderung geben als den
Sozialismus, sobald die Etappe der
nationalen Befreiung erreicht war.
In seiner letzten öffentlichen
Ansprache, die im Nachhinein betrachtet
seine Abschied war, bekräftigte
Fidel vor den Delegierten
des Kongresses der Partei seine
kommunistische Überzeugung:
"Uns allen wird einmal unsere
letzte Stunde schlagen, aber die
Ideen der kubanischen Kommunisten
werden bleiben."
Es überrascht mich nicht, dass
Arturo López Levy, einer der eifrigsten
Ideologen von "Cuba Posible",
in einem seiner durchsichtigsten
Artikel der letzten Woche schreibt:
"Die zentrale Frage der Debatte
über ideologische Möglichkeiten
sollte man nicht mit historischen
Begriffen formulieren, sondern mit
politischen. (Ebenso hatte Obama
gebeten, dass wir die Geschichte
vergessen mögen) Es geht nicht darum,
was Fidel Castro heute machen
würde (…) Kuba gehört den heutigen
Generationen von Kubanern." Dieser
Autor, der sich Sozialdemokrat
und Zionist nennt, befestigt mehrere Köder an seinem Angelhaken,
aber in einem Kommentar zur offenen
Debatte auf einem Blog zeigt
er schließlich seinen wahren Charakter:
"Am Tag, an dem die Blockade
endet, ergreife ich Partei dafür,
dass ein Prozess beginnen möge, der
in eine Mehrparteiendemokratie in
Kuba mündet. Mit inbegriffen wären
Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit
und alle anderen Freiheiten,
die in der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte abgefasst
sind, ebenso wie es die für die Auslegung
verantwortlichen Komitees
verstehen." Der Titel des Artikels –
wenn er auch einen Satz von Martí,
dem Radikalsten der Kubaner, missbraucht,
– enthüllt seinen Sinn: Die
bewährte Mäßigung des kubanischen
Geistes. Wir werden darauf zurückkommen.
Kämpfe gegen das Unmögliche und gewinne
Foto: jim / wikimedia / CC BY 2.0
Das Beste des einen und das Beste des anderen Systems?
Warum hat meine Aussage, dass es
unmöglich ist, das Beste des einen
und des anderen Systems zu vereinen,
für so viel Furore gesorgt? Auf
eine solche Art und Weise von einer
Koexistenz (die gesellschaftlich gesehen
ganz und gar nicht friedlich
ist) von Elementen aus dem einen
und aus dem anderen System auszugehen,
was unvermeidlich ist,
scheint hier als Ziel und nicht als
Ausgangspunkt gesehen zu werden.
Ich spreche aus der Perspektive
eines Revolutionärs (der die
Interessen der Enteigneten verteidigt),
was einen Unterschied
macht zu einem Reformisten (der
die Massen fürchtet, obwohl er sie
anruft und versucht ihre Interessen
zu verteidigen). Die transnationale
hegemoniale Presse benutzt
das Wort "Transit oder Transformation",
wenn sie von den Veränderungen
spricht, die das kubanische
Volk beschlossen hat einzuführen
– was von Veiga, einem der
Gründer von "Cuba Posible" wiederholt
wird –, als ob es der Anfang
eines kapitalistischen Restaurationsprozesses
sei.
Das Werben für Veränderungen
ist nicht per se revolutionär; die Absicht
etwas zu erhalten ist ebenso
nicht gleich reaktionär oder konservativ.
Alles hängt davon ab, was man
verändern will und was man zu erhalten
fordert. In beiden Fällen liegt
das entscheidende Moment in den
Bedürfnissen der Ärmsten und Bescheidensten
("Mit den Armen dieser
Welt will ich mein Glück bestreiten"
schrieb Martí), nur in Verbindung
mit diesen ist man revolutionär
– oder auch nicht revolutionär.
Die Bedingung, ob jemand revolutionär
ist, misst sich nicht an den
Methoden, die genutzt werden, und
auch nicht an der Absicht bestimmter
Veränderungen; sie kann sich
in zwei Qualitäten darstellen: Geht
sie an die Wurzel der Probleme heran
(ist sie radikal) und empfindet
sie die Ungerechtigkeit als eine persönliche
Beleidigung, wo auch immer
und gegen wen auch immer sie
begangen wird. Aber ich erkläre den
bürgerlichen Akademikern (taub,
blind und stumm für die Wahrheit):
Wer oder was im 20. Jahrhundert
definitiv gescheitert ist, ist der Kapitalismus.
Und diejenigen, die Statistiken
lieben, sollten wissen: Ein
Prozent der Weltbevölkerung besitzt
so viel Geld wie die anderen
99 Prozent (Daten der NGO Oxfam,
verbreitet durch die BBC). Laut dem
spanischen Fernsehsender RTVE,
der nicht gerade der Dissidenz verdächtig
ist, hält ein Prozent der Spanier
so viel Reichtum wie 88 Prozent
der Bevölkerung. Das bedeutet, dass
466 000 Personen so viel besitzen
wie 37,3 Millionen andere Bürger.
Manche Autoren mit einer vermeintlichen
Haltung der Mäßigung
vertreten die Idee, beide Systeme zu
"verschmelzen", was jedoch heißt
zum Kapitalismus zurückzukehren.
Sie versichern zynisch, dass sie
die sozialen Errungenschaften und
die nationale Souveränität erhalten
würden, obwohl sie wissen – natürlich
wissen sie es und die es nicht
wissen, Freunde, sind ignorant –,
dass auf lange Sicht beide verloren
gehen würden. Deswegen fordern
sie, dass sich die Veränderungen
"vertiefen" mögen. Wir kennen die
Bedeutung, welche das Wort vertiefen
für sie hat. Deswegen bestand
ich im Interview, das "Cubadebate"
mit mir führte, darauf, die diskursive
Richtwirkung jeder Rede zu ergründen.
Und zwar nicht aufgrund
der Position, die sich jeder selbst
zuschreibt, sondern aufgrund einer
einfachen Frage, die Lenin effektiv
verwendete: "Wem nützt es?"
Das Wort Veränderung impliziert
für kubanische Revolutionäre,
dass der Sozialismus perfektioniert
wird; für die Konterrevolutionäre
bedeutet es, dass der Sozialismus
zerschlagen wird bzw. dass
er sich zu seinem Gegensatz entwickelt.
Das ist keine theoretische,
den Interessen des Volkes fremde
Diskussion: Alle Schwierigkeiten,
Mängel, Fehler, unter denen
wir heute leiden, werden eine Lösung
finden oder auch nicht, in dem
Maße, in dem der kubanische Sozialismus
triumphiert oder scheitert.
Deshalb, ohne die Widersprüche zu
unterschätzen, welche die Elemente
des Kapitalismus und des Sozialismus
in Kuba erzeugen – wie an
jedem anderen Ort auch –, sind die
Schlüsselfragen folgende: Welchem
der beiden Systeme ordnen sie sich
unter? Wem nützen sie? Wohin
wollen wir gehen?
Das Konzept des Modells wurde
von zehntausenden KubanerInnen
in wahrhaft demokratischen Versammlungen
diskutiert und abgestimmt,
wobei jede Kritik und Meinung
aufgenommen und eingeordnet
wurde. Diese Konzept, mit den
Abänderungen die sich aus diesen
Debatten ergaben, lautet im ersten
Kapitel:
Dieses Dokument (…) dient als
Leitfaden, um zur vollen Verwirklichung
der Vorstellung von der Nation
voranzuschreiten: unabhängig,
souverän, sozialistisch, demokratisch,
wohlhabend und nachhaltig.
Das wird durch den nationalen gesellschaftlich-
wirtschaftlichen Entwicklungsplan sowie andere Aktionen
auf lange Sicht erreicht.
Die strategischen Ziele der Aktualisierung
des Modells sind folgende:
Die Kontinuität und Unumkehrbarkeit
unseres Sozialismus
zu garantieren, indem die Prinzipien,
die ihn tragen, gefestigt werden,
die ökonomische Entwicklung
und die Anhebung des Lebensstandards
sowie der Lebensqualität unter
dem Prinzip der Chancengleichheit.
All das muss einhergehen mit
der notwendigen Bildung von politischen
und ethischen Werten, die
im Gegensatz stehen zu Egoismus
und dem entfremdenden und räuberischen
Konsumismus.
Im Ganzen betrachtet ist die
Wechselwirkung und der Kampf
zwischen kapitalistischen und sozialistischen
Elementen in der
Welt, in der wir leben, eine vielseitige
Realität. Auf der einen Seite hat
der Kapitalismus in seinem Überlebenskampf
bestimmte sozialistische
Vorstellungen und Mechanismen
teilweise integriert: Die Kämpfe
der Gewerkschaften, die Revolutionen
des 19. Jahrhunderts – seien
sie gescheitert oder nicht –, die
Erfahrungen eines sozialistischen
Aufbaus haben vor allem in den
reichsten Ländern Bruchstücke von
sozialer Gerechtigkeit eingeführt.
Begehen wir nicht den Fehler, dem
Kapitalismus – in seiner Version
des Wohlfahrtsstaates, in Ländern,
welche Nutznießer des kolonialen
und neokolonialen Systems
waren, ob sie nun Kolonien hatten
oder nicht, die von der ungerechten
internationalen Arbeitsteilung oder
den arbeitsrechtlichen Errungenschaften
profitierten – die Früchte
(ich gebrauche den Begriff frei nach
Lenin) der neuen Gesellschaft zuzuschreiben.
Diese wurden nämlich
durch den Widerstand gegen
den Kapitalismus hervorgebracht.
Der Kapitalismus als System ist
in allen Ländern das gleiche. Wieso
nehmen wir die Länder des Nordens
als Beispiel und nicht die des
Südens, die unsere Geschichte von
Ausplünderungen teilen und die außerdem
die Mehrheit darstellen?
Warum würde uns der Kapitalismus
in Kuba – wenn es nur darum
ginge ein System zu kopieren – dazu
bringen, so zu sein wie Schweden,
die Schweiz oder das Vereinigte Königreich
und warum nicht wie Honduras
oder Haiti? Trotzdem gibt es
in Schweden, das sei auch gesagt,
Elemente der neuen gesellschaftlich-
ökonomischen Ordnung, für
die wir kämpfen, die in sich zum
Teil auch der Ordnung widersprechen,
die dort heute existiert.
Das bedeutet: Die Überwindung
des Kapitalismus geschieht auf
verschiedenen Wegen gleichzeitig.
Wenn die lateinamerikanischen
Länder zum Beispiel eine gemeinsame
Haltung annehmen, die sich
der imperialistischen Einmischung
widersetzt oder die nationale Souveränität
wiedergewinnt – die nur
als regionaler Wert verteidigt werden
kann – und das über punktuelle
Gründe hinausgeht, versetzen sie
dem System einen Schlag.
Wenn ein Teil der argentinischen
oder brasilianischen Bourgeoisie
entscheidet, seine Interessen einzufordern,
und damit die ökonomische
und politische Hegemonie des
Imperialismus herausfordert, ist
der Schlag nicht bilateraler Art, es ist ein systemischer Schlag. Jeder
Schlag gegen den Imperialismus ist
auch ein Schlag gegen den Kapitalismus.
Die radikalsten Kräfte dieser
Länder bemerken manches Mal
nicht, dass eine solche bürgerliche
Regierung ein Alliierter des "Neuen,
das geboren wird" ist. Der Imperialismus
jedoch nimmt das wahr und
erklärt ihr den Krieg.
Auf der anderen Seite existiert
die sozialistische (antikapitalistische)
Kultur als Gegenkultur auch
in den Ländern in denen es revolutionäre
Regierungen gibt und sogar
in denen, wo die Transformationen
sehr radikal gewesen ist, weil
die Kultur des Kapitalismus (ich
rede von seinen Lebensweisen und
seinen Prinzipien von Erfolg und
Glück) hegemonial ist. Die materielle
Basis, welche die neue Kultur
erhält, ist noch schwach und
im Widerstand, hat eine begrenzte
Reichweite. Ein Parteimitglied
und sogar ein Protagonist der Revolution
kann ein unkritischer Abhängiger
der "Reality Shows" aus
Miami sein oder jemand, der der
Kultur des Habens, das heißt der
Kultur des Kapitalismus frönt; er
kann die ganze Woche über für
die Konsolidierung der revolutionären
Regierung arbeiten und in
seinem Privatleben, in seinen intimsten
Träumen die Werte des
Systems reproduzieren, das er bekämpft.
So wie man den Triumph des Kapitalismus
unfehlbar mit dem Geld
in Verbindung bringt, ohne dass seine
Herkunft von Bedeutung wäre,
und die persönliche Anstrengung in
der Arbeit nicht zum versprochenen
Erfolg führt, öffnet das System kleine
Ventile zum Eintritt, die nichts
mit dem gesellschaftlichen Beitrag
des Individuums zu tun haben: Die
Erbschaft, das Spiel in allen seinen
Varianten, die Zweckehe, das gilt für
die Frau wie für den Mann, der Raub
durch den höhergestellten "White
Collar" oder mit der Pistole in der
Hand (immer wenn der Ausführende
es schafft der Justiz zu entgehen).
Der Markt des Sports wird für
die Armen ein Weg den sie gehen.
Keine andere klassische Erzählung
drückt den Charakter dieses Postulats
so aus wie "Aschenputtel":
Eine Geschichte, die immer wieder
ergötzt, auf alle verschiedenen Arten
und Weisen wiederaufbereitet
und erneuert wird. Die Korruption
ist ein Nebenprodukt des Kapitalismus.
Wenn die Herkunft des Geldes
nicht wichtig ist und sein Besitz die
Bandbreite des gesellschaftlichen
Erfolges oder Scheiterns des Individuums
bestimmt, werden betrügerische
Methoden zu tolerierten Mitteln.
Zu sagen, dass der Sozialismus
auch Bürokratismus und Korruption
erzeugt, heißt anzuerkennen,
dass es kapitalistische Nester in seinem
Organismus gibt.
Vaterland oder Tod! Wir werden siegen!
Foto: Krokodyl / wikimedia / CC BY 3.0
Was bringt die Normalisierung der Beziehungen mit den USA mit sich?
Es wurde gesagt, dass wir als diejenigen,
die sich dem maskierten Zentrismus
entgegenstellen, eine harte
Gruppe seien, die gegen die Normalisierung
der Beziehungen zwischen
den Vereinigten Staaten und Kuba
seien. Nichts ist weiter von der Realität
entfernt. Das ist eine Vorstellung,
die das Schema reproduziert,
welches eine unwahre Gleichheit der
vermeintlichen Extreme in Florida
und Havanna einräumt: Wenngleich
das Extrem in Florida dem Terrorismus
und der schmutzigen Politik gegenüber
Kuba zugeordnet werden
kann, das heißt dem proimperialistischen
Lakaientum: Wem oder was
kann man Havanna zuordnen? Der
Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes?
Kein kubanischer Revolutionär
ist in Schnellbooten nach
Florida gefahren, um Siedlungen
zu beschießen. Es legte auch niemand
Bomben in Industriegebiete
oder Freizeiteinrichtungen in Miami
oder hätte dafür bezahlt, dass das getan
würde. Es wurden nicht einmal
Flaggen der Vereinigten Staaten verbrannt. Aber es existiert ein drittes
Element, das entscheidend ist: Der
Imperialismus dieses Landes. Auf einem
mittlerweile heruntergekommenen
Blog wurde vor einigen Jahren
ein entlarvender Artikel eines
gewissen Castillón veröffentlicht:
"Kaum jemand kämpft besser für
die Länder, die sie aufgenommen
haben, als die Einwanderer. Die
nordamerikanische Historie ist voll
von Geschichten davon […] Posada
Carriles war amerikanischer Soldat
in Kriegszeiten, und das gibt ihm
das Recht in den Vereinigten Staaten
zu leben. Das ist so, weil Posada,
auch wenn er auf einem anderen
Schlachtfeld kämpfte, sich doch von
allen anderen Soldaten nicht sehr
unterscheidet. Denn auch wenn
wir ihn vergessen haben mögen
und ihn in die Kiste verbannt haben,
in der unliebsame Erinnerungen
aufbewahrt werden, so war der
Kalte Krieg doch eine Realität. Ein
Krieg, an dem zahlreiche Exilierte
teilnahmen und gegen die kämpften,
die ihre Nationen lenkten."
An dieser Stelle blitzen autonomistische
und annexionistische Haltungen
auf. Beide Strömungen des 19.
Jahrhunderts, die die nationale Entwicklung
nicht ohne die dominante
Präsenz einer ausländischen Macht
vorsehen, gehen Hand in Hand mit
dem zeitgemäßen Reformismus, ob
es López Levy nun gefällt oder nicht.
Offensichtlich gibt es keine Übereinstimmung
zwischen lakaienhaftem
Extremismus und der radikalen
Verteidigung der nationalen Souveränität.
Es sei mir erlaubt kurz zu zitieren:
"Was bedeutet es Extremist
zu sein? – schrieb man im Artikel La
patria posible; Was sind die Extreme
der nationalen Debatte? Für die kubanischen
Revolutionäre ist ein Extremist
jemand, der unreflektiert Parolen
und fertige Sätze übernimmt,
deren begriffliche Grundlage er ignoriert
oder nicht versteht, und der
somit unfähig ist zu entscheiden was
essenziell ist und was nicht. Der Extremismus
führt zum Dogmatismus
und zur Doppelmoral. (…) Aber
dieser hat nichts mit der radikalen
Sichtweise zu tun – die an die Wurzeln
geht –, und der revolutionären
Haltung gegenüber der Realität."
Die kubanischen Revolutionäre
(ich gehöre zu keiner Gruppe) plädieren
für "normale" Beziehungen
wie zwischen zivilisierten Nachbarn;
Nichtsdestotrotz halte ich für
überaus gefährlich an dieser Unterstellung,
die man uns zuschreibt,
dass sie zeigt was manche Leute unter
Normalisierung verstehen. Wir
wissen bereits, dass die Wiederaufnahme
der diplomatischen Beziehungen
der erste Schritt ist. Die
Normalisierung, so wie sie Kuba anstrebt,
impliziert die komplette Aufhebung
der ökonomischen, finanziellen
und kommerziellen Blockade,
die Rückgabe des Hafens/der Bucht
von Guantánamo und die Einstellung
der subversiven Aktivitäten in
Kuba. Trotzdem ist López Levy – ich
kann mir das Wort nicht verkneifen
– zynisch, wenn er schreibt:
"Es besteht kein Zweifel daran,
dass wir Zentristen, die Interessen
der ökonomischen Entwicklung und
das Wohlergehen des kubanischen
Volkes priorisieren, ebenso wie die
Fernhaltung eines militärischen
Konfliktes mit den Vereinigten Staaten,
der verheerend für Kuba wäre,
und dass wir andere Vorstellungen
als Iroel Sánchez und Enrique Ubieta
davon haben, wie die Beziehungen
zu den Vereinigten Staaten gestaltet
werden sollen. Eine Politik der Entspannung
inklusive überzeugender,
drängender Aktionen hegemonialer
Art ist gegenüber einer imperialen
Mittäterschaft in Form von Sanktionen
und direkter Finanzierung der
Opposition vorzuziehen. (…) Dieses
ausgebreitete Szenario erlaubt auch
in den Reformen, die auf eine Marktwirtschaft
und eine plurale politische
Gesellschaft gerichtet sind, voranzuschreiten.
Diese Entwicklung
ist verwandt mit unseren Positionen
und somit hätte Kuba einen größeren
Austausch mit einer Welt, die
sich vorzugsweise auf diesem Kurs
bewegt."
Auf diese Art und Weise, gegen
Ende seines Artikels, erklärt der Sozialdemokrat
López Levy offen seine
Unterstützung für das Projekt
Obamas, die Blockade auf Grund ihrer
Ineffizienz zu beenden – politisch
gesprochen – und nicht, weil sie unmoralisch
und kriminell ist. Sie soll
durch eine Politik ersetzt werden, die
ebenso auf einer Art Einmischung
beruht, die aber weniger konfrontativ
ist, die den Kapitalismus in Kuba
wieder installieren soll (und die Unterordnung
unter Washington).
Nehmen wir die Herausforderung
an, glauben wir, dass dieser kleine
David den Goliath auf dem Gebiet
der Ideen schlagen kann –, auch
wenn der Autor schlicht auf Grund
der Erfahrung weiß, dass es sich um
einen Krieg niedriger Intensität handelt,
bei dem subversive, nicht-konfrontative
Projekte wie "Cuba Posible"
finanziert werden. Aber es ist
egal: Derjenige der Kuba zurück in
einen halbkolonialen Kapitalismus
führen will, ob er nun bezahlt wird
oder nicht, ist mein Feind. Ich glaube
nicht an die Zentrismen. Niemand,
nicht einmal sie selbst glauben, dass
es möglich sei "in der Mitte" zu sein.
[1] Die Debatte in den sozialen Netzwerken
entfernt sich von der ursprünglichen
Debatte. Es ist eine wahre Überraschung,
dass diesmal dann doch eine Gruppe
auftaucht. Der "Weise" Pedro Monreal
schreibt fast eine Abhandlung um die
Wichtigkeit von Statistiken heraufzubeschwören
– Julio Carranza, besteht vor
oder nach ihm darauf, auf Basis einer primitiven
und/oder tendenziösen Lektüre
meines Interviews. Sie bleiben auf der Türschwelle
stehen ohne einzutreten. Ein gewisser
Domingo Amuchástegui hängt mir
alle Schuld und Abweichung vom revolutionären
Geist an, die vorgefallen sei, seitdem
ich drei Jahre alt war und sogar schon
früher. Im Austausch schreiben einige der
Protagonisten dieser Abweichung, der Zensur
sowie als Verehrer von Handbüchern,
langes Geschwurbel über die Flexibilität
des Denkens und die Dialektik. Harold Dilla,
der wegen seines übermäßigen Opportunismus
aus der schmutzigen dominikanischen
Politik verstoßen wurde, schlägt
vor, mich aus der politischen Debatte der
kubanischen Revolution zu entfernen.
Peter Knappe
CUBA LIBRE 2-2018