Clínica Rosa Luxemburgo in Cárdenas feiert fünfzehnjähriges Jubiläum.
Im kubanischen Städtchen Cárdenas in der Provinz Matanzas wurde ein vorbildiches Projekt der deutschen Kuba-Solidarität, die Klinik für Neuro-Rehabilitation "Rosa Luxemburgo", im September 2017 fünfzehn Jahre alt. Ihr Aufbau war eine Gemeinschaftsproduktion der Gesundheitsbehörde von Matanzas mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).
Die Stadt Cárdenas wurde 1528 als Kolonialstadt mit dem Namen San Juan de Dios de Cárdenas gegründet. Die 80.000-Einwohner-Stadt ist Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsbezirks, zu dem unter anderem der bekannte Urlaubsort Varadero gehört. Eine besondere historische Bedeutung hat sie auch: 1850 wurde in Cárdenas erstmalig die Fahne gehisst, die heute die kubanische Landesflagge ist.
Das Gebäude der Reha-Klinik war im Jahr 1885 als Gebäude einer Privatschule errichtet worden. Ihr Name, "Colegio Llaca", ging auf den damaligen Bürgermeister der Stadt zurück, zugleich Stifter der Schule. Die Privatschule hielt ihren Betrieb bis zur Kubanischen Revolution im Jahr 1959 aufrecht und wurde dann in eine staatliche Grund- und Mittelschule umgewandelt. Anfang der 1990er Jahre war das Gebäude verlassen und vom Verfall bedroht. Mit der Renovierung des alten Schulhauses wurde so nicht nur eine Klinik geschaffen, sondern auch aktiver Denkmalschutz betrieben.
Eine alte Schule erfährt Solidarität
Ab dem Jahr 1992, also mitten in der als "Sonderperiode" bekannten Etappe, hatte das kubanische Gesundheitsministerium MINSAP erstmalig die Gründung einer Einrichtung zur frühzeitigen Behandlung von Entwicklungsstörungen bei Neugeborenen und Kleinkindern in der Provinz Matanzas überprüft. Maßgeblicher Impulsgeber war der heutige Leiter der Klinik, Jorge Pedro Rodríguez Fernández, selber Vater eines Kindes mit Entwicklungsstörungen, für dessen Behandlung er damals in die Hauptstadt Havanna reisen musste. Aus der Idee von Rodríguez reifte innerhalb von acht Jahren das Gemeinschaftsprojekt heran. Im November 2000 wurde das bis dahin in Kuba einzigartige Projekt unter dem Namen "Clínica de Rehabilitación del Neurodesarrollo Rosa Luxemburgo" mit der DKP als Partner präsentiert.
Die DKP hatte zu dem Zeitpunkt mit Spenden und eigenen Baubrigaden bereits zwei Familienarztpraxen in der Stadt Matanzas errichtet und sich so für das große Vorhaben in Cardenas empfohlen. Die Kuba-AG der DKP sammelte für dieses Projekt umgerechnet 250.000 Euro und sandte insgesamt zehn Container nach Matanzas. Insgesamt sammelte die DKP in den 1990er Jahren umgerechnet 2,5 Millionen Euro an Geld- und Sachspenden für Gesundheitsprojekte in Kuba.
Im Herbst 2001 begannen die Bauarbeiten durch die kubanische Baubrigade „Esteban Hernández“. Unterstützt wurden sie durch vier DKP-Solidaritätsbrigaden mit jeweils rund 15 deutschen Brigadistinnen und Brigadisten. Mitten in der Bauphase verwüstete der Hurrican Mitchelle im November 2001 Teile der Provinz Matanzas. Viele Bauarbeiter verloren ihr eigenes Heim und arbeiteten dennoch emsig auf der Klinikbaustelle weiter. Nur elf Monate nach Baubeginn, am 18. September 2002, wurde das Zentrum unter Anwesenheit des ersten Sekretärs der KP Kubas in Matanzas, Víctor Gaute López, und dem damaligen Vorsitzenden der DKP, Heinz Stehr, feierlich eröffnet. Am folgenden Tag wurden in der Clínica „Rosa Luxemburgo“ die ersten Kinder behandelt.
Entwicklung des Zentrums
Die "Clínica Rosa Luxemburgo" funktioniert als eine Tagesklinik, ähnlich der sozialpädiatrischen Zentren in Deutschland, die im Jahr um die 9000 Kinder, überwiegend Säuglinge und Kleinkinder mit angeborenen oder erworbenen Fähigkeitsstörungen und Behinderungen, behandelt. Beispiele sind neuromuskuläre oder psychomotorische Erkrankungen oder andere Behinderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane, der Sinnesorgane, des Nervensystems und der Psyche. In diesen Bereich fallen z. B. Lähmungen des zentralen Nervensystems (sog. Cerebralparesen), Systemerkrankungen des Skelettapparates, angeborene Stoffwechselerkrankungen, autistische Störungen, genetisch bedingte Erkrankungen, wie z. B. das Down-Syndrom, und andere. Die Klinik gewährleistet die Früherkennung von Entwicklungsstörungen durch eine multidisziplinär erstellte neurophysiologische und neurokognitive Diagnose und bietet eine umfassende Reha-Behandlung, die eine Erlangung von Sozialkompetenzen in den Mittelpunkt stellt.
Die Zuweisung erfolgt meist kurz nach der Geburt vom Krankenhaus, einer Poliklinik oder einer Familienarztpraxis. Nach neuropädiatrischer Abklärung werden unter ärztlicher Anleitung und Kontrolle überwiegend krankengymnastische, physikalische, ergotherapeutische, logopädische und kinderpsychologische Behandlungsformen angewandt, aber auch alternative Therapien wie Musiktherapie, "Psychoballet" und verschiedene Formen der Kunsttherapie. Auch eine Zahnarztpraxis ist Teil der Klinik. Mittlerweile hat die Klinik ihr Angebot um Beschäftigungstherapie, Musiktherapie, Rhythmustherapie, Logotherapie, Familientherapie, Gruppentherapie und neuropsychologische Untersuchungen erweitert. Seit Neuestem verfügt sie über ein lang ersehntes neurophysiologisches Labor. Auf einer speziellen, der Klinik angegliederten "Finca" können dazu die kleinen Patientinnen und Patienten im Umgang mit verschiedenen Tieren wie Pferden, aber auch Schlangen, auf spielerische Weise ihre Alltagskompetenz und ihre soziale Teilhabe in Familie und Gesellschaft erlernen und einüben. Es wird angestrebt, dass Kinder mit Behinderungen sich nützlich fühlen können, ihr Entwicklungsmöglichkeiten auskosten und als gleichwertiger Teil der Gesellschaft anerkannt werden.
Die Klinik hat mittlerweile eine Ausstrahlung auf ganz Kuba entwickelt, was nicht zuletzt in ihrer wissenschaftlichen Aktivität begründet liegt. Internationale Kurse für Mediziner aus dem Ausland, vor allem aus Mexiko und Argentinien, erfreuen sich eines regen Besuchs. 2016 fand im Hotel Memories im nahe gelegenen Varadero der 1. Internationale Kongress für Neurodesarrollo und Frühbehandlung statt. Organisiert wurde er von der Gesundheitsbehörde der Provinz, der Rosa Luxemburg-Klinik, vertreten durch ihren Leiter Dr. Jorge Pedro Rodríguez Fernández, in Zusammenarbeit mit der Medizinhochschule in Matanzas und dem mexikanischen IMETYD –Institut – Besichtigungen der Clínica Rosa Luxemburgo gehörten zum Programm.
Solidarität
Der Bau der Luxemburg-Klinik in Cárdenas ist sicherlich ein Musterbeispiel für ein gelungenes deutschkubanisches Solidaritätsprojekt. Ohne die massive Unterstützung durch die deutschen Kommunisten wäre die Renovierung des Gebäudes und die medizinische Ausstattung der Klinik sicherlich nicht möglich gewesen; Zugleich fügt sich die Klinik nahtlos in das kubanische Gesundheitssystem ein, entwickelt es sogar weiter. Selbstredend oblagen und obliegen alle Entscheidungen der kubanischen Seite. Die erfolgreiche Solidarität hat aber nicht nur eine Gesundheitseinrichtung von Rang auf Kuba geschaffen, sie hat auch die deutschen Brigadisten und Unterstützer wachsen lassen. Viele von ihnen sind bis heute in der Kuba-Solidarität tätig, einige davon auch in der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba.
Aufgrund der unverändert schwierigen wirtschaftlichen Lage Kubas besteht in der Clinica "Rosa Luxemburgo" ein ständiger Renovierungs-, Ausbesserungs- und Erweiterungsbedarf des Gebäudes, seiner Einrichtungen und der Therapiemöglichkeiten. Deshalb geht die Unterstützung weiter. Im April dieses Jahres zeigte sich der ärztliche Leiter der Klinik, Dr. Jorge Rodriguez, hoch erfreut über eine neuerliche Spende in Höhe von 3.000 Euro, die ein Genosse im Namen der Kuba AG der DKP überreichen konnte. Sie sollen in die Infrastruktur der Klinik investiert werden.
Derzeit wird anlässlich des fünfzehnten Jahrestages der Klinik durch die Kölner Elektro-Firma dieStromer eine weitere Spende vorbereitet: Ein Container, dessen Innenraum zur Werkstatt ausgebaut ist. Die Verschiffung ist für November 2017 geplant.
!Feliz cumpleaños, Rosa!
Tobias Kriele
CUBA LIBRE 4-2017