Einkommensverteilung in Kuba

Gibt es in Kuba eine Tendenz, dass sich Reichtum in den Händen weniger konzentriert? Als Beispiele dafür werden gerne der Besitzer von sieben Oldtimern, die als Privat-Taxis fahren, der Eigentümer von mehreren Paladares (private Kleinrestaurants) oder der Vermieter von 20 Zimmern, also Casas Particulares, genannt.

Sicherlich ist richtig, dass diese Personen, im Verhältnis zum Einkommen eines "normalen" Beschäftigten, ein um ein vielfaches höheres Einkommen haben.

Es ist einfach, sich auszurechen, wie hoch die Einnahmen des Vermieters, beispielsweise bei einem Preis von 30 CUC (Peso convertible) pro Tag und eine Auslastung von 50 % im Jahresdurchschnitt sind.

Noch gigantischer wird dieser Betrag, wenn dann die CUC-Einnahmen in CUP (Peso moneda nacional) umgerechnet werden (zurzeit ist der Wechselkurs 1 CUC zu 25 CUP).

Dies ist nur ein Teil der kubanischen Realität.

Privates Kleingewerbe

Privates Kleingewerbe
Foto: marcel601 /flickr.com / CC BY-NY 2.0


Es gerät aber schnell aus dem Blick, dass auf diese Einnahmen, neben der "Gewerbesteuer" auch (Einkommens-)Steuer gezahlt werden muss. Diese ist progressiv. Wenn der Vermieter Beschäftigte einstellt, dann hat er für diese entsprechend Sozialabgaben zu leisten. Auch diese sind progressiv, in Abhängigkeit von der Anzahl der Beschäftigten. Somit leisten private Vermieter auch einen ökonomischen Beitrag für die Gesamtentwicklung der kubanischen Gesellschaft. Ob dieser ausreichend ist und immer in allen Fällen auch entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gemacht wird, steht auf einem anderen Blatt. Dieses "Phänomen" ist der kubanischen Regierung sehr wohl bekannt. (siehe unten)


Im nichtstaatlichen Sektor arbeiten zurzeit rund 540.000 Menschen (Arbeit auf eigene Rechnung) und in Genossenschaften (Kooperativen) außerhalb der Landwirtschaft. Hier nur der Hinweis auf eine Aussage der Deutschen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (GTAI = Germany Trade und Invest), seit 2009 die Nachfolgerin der Bundesagentur für Außenwirtschaftsinformationen (BFAI). Diese schätzt ein, dass der Sektor der Selbstständigen wohl eine Nische bleiben wird.

Einerseits ist im beschlossenen Konzept zur Weiterentwicklung des sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftmodells unter anderem festgelegt, dass "die Konzentration von Eigentum und materieller oder finanzieller Reichtümer für Privatpersonen oder Firmen außerhalb des staatlichen Sektors nicht gestattet ist". Über die oben kurz angesprochen Regularien soll, unter anderem, genau dies unterbunden werden.

Andererseits ist sich die kubanische Regierung darüber im Klaren, dass dieser Sektor unverzichtbar ist, um den Staat von Aktivitäten in strategisch weniger wichtigen Wirtschaftsbereichen zu entlasten. "Wir haben weder die Entfaltung und die Entwicklung der Arbeit auf eigene Rechnung (trabajo en cuenta propia) aufgegeben, noch werden wir das mit den experimentellen Genossenschaften außerhalb der Landwirtschaft tun. (CNoA = Cooperativas non Agroprequarios)".

Gleichzeitig wies der kubanische Präsident während seiner Rede im Parlament darauf hin, dass es Fälle von Steuerhinterziehung und anderer Gesetzesverstöße gäbe. Deshalb habe der Ministerrat eine Reihe von Maßnahmen zur besseren Regulierung dieses Sektors beschlossen.

Die Geschwindigkeit, mit der die weiteren Schritte gegangen werden, hänge von der "Fähigkeit ab, die Dinge gut zu machen" weil sonst "entstehen all diese Fehler und wir kritisieren (später), was wir gar nicht kritisieren müssen".

Bei allen Ungereimtheiten im Regelwerk des Privatsektors – die korrigiert werden – darf die Bedeutung dieses Bereichs aber nicht übersehen werden.

Zu den Hauptmotoren des Wirtschaftswachstums im 1. Halbjahr 2017 gehörte neben dem Tourismus und der Sonderwirtschaftszone Mariel auch dieser Bereich.

Der private Sektor hat seinen Stellenwert. Aber von entscheidender Bedeutung für den weiteren Aufbau des Sozialismus in Kuba ist die Erhöhung der Effizienz und Produktivität der strategischen staatlichen Betriebe und Unternehmen.



CUBA LIBRE Peter Knappe

CUBA LIBRE 4-2017