Auf Viva Cuba-Tour mit Gerardo Alfonso

Die Träume Gerardos und die seiner beiden Söhne.

Gerardo Alfonso

Gerardo Alfonso, Foto: Dietmar Koschmieder

In 21 Tagen gaben Gerardo Alfonso, sein Sohn Tobías Alfonso und der junge Liedermacher Tobias Thiele aus Berlin 11 Konzerte. Rund 6000 Kilometer tourten sie durch Deutschland und die Schweiz, trafen Kubaner, Kuba-Freunde und Kuba-Soligruppen in jeder Stadt. Die Viva Cuba Tour – präsentiert von der Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus (M&R) – war ein herausragender Akt der Freundschaft und der Zärtlichkeit unter den Völkern.

Den Rahmen der Tour bildeten das UZ-Pressefest der DKP vom 1. bis 3. Juli in Dortmund und die Fiesta de Solidaridad von Cuba Sí am 23. Juli in der Berliner Parkaue.

Wie alles anfing

Alles begann mit der Reise einer Delegation der M&R nach Kuba im Februar, um für die Kuba-Ausgabe (Juli/August 2016) die nötigen O-Töne einzufangen. Die Idee war, ein Bild der aktuellen kubanischen Musikszene jenseits des Buena Vista Social Clubs zu zeichnen, Probleme und Debatten aufzugreifen, die das Leben der kubanischen Musiker zwischen Underground und etabliert betreffen, Fragen zur kubanischen Musikverwertung und die Beziehungen zum großen Nachbarn vor und während der Revolution zu beleuchten. Das Interview im Heft mit Gerardo Alfonso, das Konzert auf der Fortaleza de San Carlos de la Cabaña bei der 25. Internationalen Buchmesse und den Geburtstag von Cuba Sí nahm der Verlag 8. Mai (Herausgeber der M&R) als Anlass, Gerardo Alfonso nach Deutschland einzuladen, um eine Tour zum Viva Cuba Heft zu veranstalten.

Die beiden Tobias

Auf der Tour erzählte Gerardo mehrmals die Geschichte, wie es dazu kam, dass sein Sohn denselben Vornamen trägt wie Tobias Thiele. Als Gerardo 1994 das erste Mal nach Deutschland kam, lernte er diesen Jungen im zarten Alter von 8 Jahren im Hause der Thieles kennen. Tobias war Turmspringer, zeichnete und war schnell von Gerardos Musik begeistert. 2 Jahre später schickte Tobias ihm eine Kassette, auf der er 2 Titel von Gerardo eingesungen hatte – ohne ein Wort Spanisch zu verstehen. Das waren das Liebeslied "Giovanna" und Gerardos Hymne auf die turbulente Stadt Havanna "Sabanas Blancas". Gerardo war davon zutiefst berührt. Im folgenden Jahr bat Tobias seine Eltern, ihm eine Gitarre zu kaufen und schon bald darauf fing er an, seine eigenen Lieder zu schreiben. Das begeisterte Gerardo und führte dazu, dass er seinen im Jahre 2000 geborenen Sohn nach dem kleinen deutschen Jungen benannte, den er inspiriert hatte, Gitarre spielen zu lernen.

Enge Verbindungen

1999 initiierte Reinhard Thiele von Cuba Sí mit Gerardo Alfonso das Projekt "Almendares Vivo". Das Amphitheater im Parque Almendares sollte zum Leben erweckt werden und ein nachhaltiger Umgang mit dem Fluss Almendares, der von der anliegenden Industrie verschmutzt war, sollte angeregt werden. Es wurde renoviert und eine Musikanlage im Wert von damals 16.000 D-Mark nach Kuba geschickt, um dort Veranstaltungen realisieren zu können. 2005 traten im Parque Almendares der deutsche Reggae-Sänger Mellow Mark und Tobias Thiele auf, die auch dieses Jahr bei der Warm-up-Fiesta von Cuba Sí zu den Feierlichkeiten des 26. Juli im Badehaus Szimpla mit von der Partie waren.

Tour mit Freunden

Es kamen zur Viva Cuba Tour auch noch weitere Freunde und Musikerkollegen dazu. Im Casa Cuba auf dem UZ-Pressefest gesellten sich die kubanischen Musiker der Gruppe Son Batey dazu und es wurde zum Tanz aufgespielt. Vorher spielten Gerardo und die beiden Tobias´ auf der Kleinkunstbühne am Leninplatz das Auftaktkonzert der Tour, bei dem der 16 -jährige Tobías Alfonso bereits das Publikum zum ersten Mal verzauberte.

In Chemnitz kam die Chemnitzer Gruppe Quijote dazu und spielte Lieder aus ihrem Canto Generale-Programm von Mikis Theodorakis. Auf der Fiesta in Berlin war der "deutsche Silvio Rodriguez", Frank Viehweg, mit auf der Bühne. Zusammen mit Gerardo sang er "Quines fuimos" (Wer wir waren). Ein Titel, den sie bereits 1999 im Berliner Chapeau-Theater gesungen, als Spendengelder für das Almendares Vivo–Projekt gesammelt wurden.

Jeder Auftritt war anders

Jedes Konzert war ein Unikat. Ob im historischen Zunftsaal Schmiedenhof aus dem 15. Jahrhundert in Basel, im Alternativen Jugendzentrum in Chemnitz oder im hochmodernen Tschaikowsky-Saal in Hamburg. Jeder Saal wurde mit seiner ganz eigenen Cubanía ausgefüllt. Gerardo erzählte Geschichten zu seinen Titeln, wie z. B. "El Violín" (Die Geige): Als er zum ersten Mal in Berlin in einer Unterführung einen hochausgebildeten russischen Geiger spielen gesehen hatte, war er völlig entsetzt gewesen, dass ein Musiker von einem solchen Kaliber sich mit Straßenmusik über Wasser halten musste. Er erzählte die Geschichte von den Mambises, den Guerrilla-Kämpfern in Kuba, die zwischen 1868 und 1898 für die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Spaniens kämpften. Auf der CD zum Viva Cuba – Heft ist dieser Titel zu finden: "Soy un Mambí" (Ich bin ein Mambi). Auch auf der CD zu finden ist sein Liebeslied an Havanna "Sabanas Blancas" (Weiße Laken). Den Titel "Son los sueños todavía" (Es sind immer noch die Träume), den er 1997 für die internationalen Jugendweltfestspiele auf Kuba geschrieben hatte, kündigte er mit den Worten an: "Für unseren heroischen Guerilla-Kämpfer Ernesto Che Guevara". Mit spürbar großer Zuneigung lud er dann seinen Sohn auf die Bühne, von dem er sagt, dass man von ihm noch einiges in Zukunft hören werde. Tobías Alfonso präsentierte seine Eigenkompositionen und zog das Publikum in seinen magischen Bann. Danach lud Gerardo seinen Musikerkollegen, Freund und "Adoptivsohn" Tobias Thiele auf die Bühne ein. Der präsentierte Stücke seiner jüngst erschienenen CD "Unerhört" – Lieder zwischen Fernweh, Trauer, Freude, Liebe, Wut und Kritik an den herrschenden Verhältnissen. In die finale Runde sangen alle Drei zusammen die bekanntesten Stücke Gerardos.

Im Publikum entfachte sich oft eine Stimmung des Mitsingens und Mitspielens bei all jenen, die die Lieder kennen und auch bei jenen, die einfach das Bedürfnis spürten, mitzuschwingen.

Kuba ist mehr als Salsa

Die Viva Cuba – Tour und das dazugehörige Heft der Melodie und Rhythmus sind ein Versuch des Verlages 8. Mai, einen Kontrapunkt zu setzen zu der gängigen Kuba-Wahrnehmung in den Medien hierzulande. Was in Kuba jenseits von Salsa, Timba und Buena Vista Social Club noch so passiert, findet hier sonst kein Gehör. Gerardo Alfonso – als einer der Protagonisten der kubanischen Liedermacherbewegung "Nueva Trova" – war diejenige Stimme, die sich hierzulande Gehör verschaffen konnte, um weiterhin von einer gerechteren Welt zu träumen. "Es sind immer noch die Träume" – denn ohne diese Träume wären wir schon längst tot. Es lebe Kuba. Viva Cuba.

CUBA LIBRE Miles Parker

CUBA LIBRE 4-2016