»Niemand hat die Absicht…«

Mit »honigsüßen Worten« lenkte Obama von Umsturzplänen ab.

Während Barack Obama in Havanna über das Recht der Kubaner auf Selbstbestimmung redete, lagen in Washington bereits neue Pläne zur Vorbereitung einer »bunten Revolution « in der Schublade. Mit seinen »honigsüßen Worten«, wie Fidel Castro die Rede charakterisierte, setzte der US-Präsident die verlogenen Täuschungsversuche seiner Vorgänger über deren wahren US-Pläne gegenüber Kuba fort.

Am 22. März 2016 hielt US-Präsident Barack Obama im Großen Theater von Havanna seine halbstündige »Rede an das Kubanische Volk«, in der er versicherte, »dass die Vereinigten Staaten weder die Fähigkeit noch die Absicht haben, Kuba zu Veränderungen zu zwingen.« Weiter versprach er: »Wir werden Ihnen weder unser politisches noch unser wirtschaftliches System aufzwingen.« Und er sagte auch: »Welche Art von Wandel es geben wird, hängt von den Kubanern ab.« Das klang gut, fast zu schön, um wahr zu sein. Schließlich haben die Blockade, das Helms-Burton-Gesetz, dutzende subversive Programme, die Finanzierung von Dissidenten- und Terrorgruppen sowie zahllose weitere Aktivitäten Washingtons keinen anderen Zweck, als genau das zu erzwingen.

Training für den Umsturz

Bereits drei Tage später erwiesen sich Obamas Versprechen denn auch als dreiste Lügen. Am 25. März veröffentlichte der US-Journalist Tracey Eaton in seinem Blog »Along the Malecón« Einzelheiten über ein neues Programm des State Departments für einen Regime-Change in Kuba. Für dieses Projekt werden im aktuellen US-Haushalt 753.989 Dollar (knapp 675.000 Euro) bereitgestellt. Sein Ziel besteht in der Auswahl, dem Aufbau und der Ausbildung von künftigen »Anführern der kubanischen Zivilgesellschaft«. Das Programm soll im August 2016 gestartet werden und über einen Zeitraum von drei Jahren laufen. Träger ist das »Bureau of Western Hemisphere Affairs« (WHA) des US-Außenministeriums. Die Umsetzung will die US-Behörde jedoch an »gemeinnützige NGOs« in den USA übertragen.

Laut Ausschreibung des WHA sollen in den nächsten Wochen zwischen 25 und 30 kubanische Staatsbürger im Alter von 20 bis 35 Jahren rekrutiert werden. Ein erstes Briefing der Kandidaten findet in Kuba per Videoschaltungen statt. Außerdem – so das US-Ministerium – würden Instruktionen auf USB-Sticks, CDs und DVDs nach Kuba geschickt. Der Hauptteil der »Ausbildung« soll anschließend dann aber in den USA erfolgen. Zunächst sollen die künftigen »Oppositionsführer« dort in die »professionelle Anwendung« moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eingewiesen werden. Als zweites Ausbildungssegment sind »Praktika« bei »erfahrenen und gut organisierten NGOs« in den USA vorgesehen. Der dritte und letzte Abschritt steht unter der Überschrift »Planung und Netzwerkarbeit«. Hier sollen die künftigen »Kader« (O-Ton WHA) mit Hilfe der US-Trainer einen »Aktionsplan für Aktivitäten in Kuba« entwickeln. Es sei wichtig, dass sie lernten, sich dabei mit »zivilgesellschaftlichen Organisationen « in anderen Ländern zu vernetzen.

Die »unabhängigen« US-Agenten

Bewerber für das Programm des US-Außenministeriums müssen »glaubhaft versichern« nach Kuba zurückzukehren. Außerdem müssen sie sich verpflichten, dort »unabhängige Organisationen« aufzubauen und mit diesen die Entwicklung »demokratischer Prinzipien« voranzutreiben. Die US-Behörde unterstreicht ausdrücklich, dass alle Aktivitäten der Trainees nur in »enger Abstimmung mit dem WHA« entwickelt werden dürfen. Die US-Ausbilder und die beteiligten NGOs sollten dabei in Kuba aber selbst nicht in Erscheinung treten.

Im Gegenzug zu den strikten Auflagen verpflichtet sich die US-Regierung zur Übernahme aller Kosten - einschließlich der Pass- und Visagebühren, Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Krankenversicherung, der Flüge zwischen Kuba und den USA, aller dortigen Reisekosten und Spesen sowie sämtlicher »Ausbildungsmaterialien«. Mit dem neuen Programm, so heißt es in der Ausschreibung des WHA, wollen die USA »Kubaner in die Lage versetzen, frei über ihre eigene Zukunft zu entscheiden«.

US-Armee und Flotte nach Kuba

Gebrochene US-Versprechen und eingeschleuste US-Agenten sind für die Kubaner indes nichts Neues. Deshalb hofft der US-Präsident wohl darauf, dass künftige Generationen die historischen Erfahrungen ihres Landes vergessen und appellierte an die jungen Kubanerinnen und Kubaner, »den Blick nach vorn« zu richten. »Ich kenne die Geschichte«, sagte Obama in Havanna, »aber ich weigere mich, mich von ihr gefangen nehmen zu lassen.« Für den banalen Satz gibt es aus Sicht der USA gute Gründe. Immer wenn US-Präsidenten betonten, Kubas Souveränität zu respektieren, war diese in Gefahr.

So erklärte zum Beispiel der republikanische Präsident William McKinley – um Gerüchte über ein militärisches Eingreifen der USA in Kuba zu entkräften – bereits im Jahr 1897: »Wir haben nur den Wunsch, dass die Kubaner wohlhabend und zufrieden sind und sich an der Selbstbestimmung erfreuen können, die ein unveräußerliches Recht der Menschheit ist; dass sie geschützt sind in ihrem Recht, die Früchte des unermesslichen Reichtums ihres Landes zu ernten«. McKinley, ein Vertreter des Big Business, verneinte jede Überlegung einer gewaltsamen Annexion Kubas, da so etwas, wie er wörtlich herausstrich, »angesichts unserer Moral eine verbrecherische Aggression wäre«. Ein halbes Jahr später, nämlich am 25. April 1898, gab der Kongress grünes Licht, US-Armee und Flotte in Marsch zu setzen. Bis 1902 stand Kuba offen unter Militärherrschaft der USA und war danach – bis zum Sieg der Revolution im Januar 1959 – faktisch eine Kolonie Washingtons.

Dreiste Lügen vor der Invasion

Gut ein halbes Jahrhundert nach McKinley, exakt am 12. April 1961, gab US-Präsident John F. Kennedy eine Erklärung ab, deren letzten beiden Punkte lauteten:

- »Die Auseinandersetzung über die Zukunft Kubas findet nicht zwischen den USA und Kuba, sie findet zwischen den Kubanern selbst statt.

- Die Regierung der USA wird nicht zulassen, dass eine Invasion gegen Kuba von den Vereinigten Staaten aus organisiert wird.«

Drei Tage danach, am 15. April, griffen acht CIA-Bomber vom Typ B 26 kubanische Flugplätze an. Die Piloten waren US-Amerikaner und ehemalige Offiziere des früheren Diktators Batista. Nochmals zwei Tage später, am 17. April, begann die in den USA organisierte Söldner-Invasion in der Schweinebucht, unterstützt und gelenkt von der CIA. Da die kubanische Führung, Sicherheitsorgane, Armee, Milizen und Bevölkerung Kennedys Versprechen nicht geglaubt hatten, konnten die Angreifer innerhalb von 72 Stunden besiegt, Kubas Unabhängigkeit und Souveränität gegen die USA verteidigt werden. Doch die Aggression hatte auf kubanischer Seite 176 Tote und über 300 Verletzte gefordert. Auch das ist Teil einer Geschichte, von der Barack Obama sich »nicht gefangen nehmen« lassen möchte.

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 3-2016