Jorgito als Held empfangen

»Die Kraft der Schwachen« begeistert Menschen in den USA

Jorgito in Brooklyn

Jorgito eroberte die Herzen und den Geist des Publikums im Café "Brookly Commons". Neben Jorgito: Tobias Kriele.
Foto: Lawrence Gallman

Tobias Krieles Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen« über den von Geburt an schwerbehinderten Jorge »Jorgito« Jerez Belisario begeisterte im April 2016 Menschen unterschiedlichster Herkunft in New York und Washington DC. An zehn Veranstaltungen in zwei Wochen wurde das US-Publikum mit einem Bild von Kuba vertraut gemacht, das so gar nicht dem entspricht, was die Mainstreampresse über die Insel und ihre Bewohner und Bewohnerinnen verbreitet. Jorgito, der aufgrund des verspätet bewilligten Einreisevisums die ersten Veranstaltungen verpasste, wurde vom Publikum wie ein Held empfangen.

Der 2014 fertiggestellte und in zahlreichen europäischen Städten gezeigte Dokumentarfilm »Die Kraft der Schwachen« war mit der Rückkehr der Cuban Five nach Kuba im Dezember 2014 quasi über Nacht überholt. Im März 2015 reisten Tobias Kriele und Kameramann Martin Broschwitz für Nachdreharbeiten erneut nach Kuba. Mit dem aktualisierten Film im Gepäck ging die Tour im April 2016 schliesslich in die USA, wo »Die Kraft der Schwachen« in Anwesenheit Jorgitos und des Filmemachers gezeigt werden sollte. Die in Brooklyn ansässige unabhängige Medienorganisation Women’s Press Collective erklärte sich bereit, Veranstaltungen in New York zu organisieren. Dank ihrer breiten Verankerung in der Bevölkerung gelang es der Organisation, zahlreiche Menschen außerhalb der Kubasolidarität auf die Veranstaltungen zu bringen. Weitere Vorführungen wurden von Gruppen der Kuba-Solidarität in Washington DC im Rahmen der Second Days of Actions Against the Blockade durchgeführt.

Verspätetes US-Visum

Sobald der zeitliche und geographische Rahmen der US-Tour abgesteckt waren, reichte Jorgito bei der US-Botschaft in Havanna einen Antrag auf ein Einreisevisum für die USA ein. Nach dem Interview auf der Botschaft, das Wochen vor der geplanten US-Premiere stattfand, begann das Warten auf den Visumsentscheid. Als das Datum der New York Premiere näher rückte, reiste Jorgito mit seiner Familie erneut die 565 km von Camaguëy nach Havanna, um kurzfristig ein Flugzeug in die USA besteigen zu können, sollte das Visum eintreffen. Zweimal täglich klopfte ein Vertreter des kubanischen Außenministeriums bei der Botschaft an. Jedesmal hieß es, die Entscheidung sei noch nicht gefallen. Als das Visum mit einer Woche Verspätung schließlich eintraf, hatte Jorgito die bereits angesetzten New York Veranstaltungen verpasst. Er flog über Panama direkt nach Washington DC, wo er zwei Stunden vor der ersten Veranstaltung eintraf.

Einseitige Normalisierung

Dass die von Präsident Obama am 22. März in Havanna angekündigte »Normalisierung« der Beziehungen der USA zum kubanischen Volk und seiner Jugend eine Farce ist, zeigt nicht nur Jorgitos verspätete Einreisebewilligung. Drei Tage nach Obamas Abreise aus Kuba kündigte das US-State Department ein 750.000 Dollar teures Programm an, das »auftauchende junge Führer der kubanischen Zivilgesellschaft« in die USA einladen und darin schulen soll, Organisationen der kubanischen Zivilgesellschaft zu führen, »welche die demokratischen Prinzipien in Kuba aktiv unterstützen werden.« (Granma International, April 2016, S. 8 deutsche Ausgabe). Junge Kubaner wie Jorgito, die voll und ganz hinter ihrem Land und der Revolution stehen, sind der US-Regierung weniger willkommen.

Begeistertes US-Publikum

Während Jorgito in Havanna auf sein Visum wartete, nahmen die Verantwortlichen von Women’s Press Collective und Filmemacher Tobias Kriele die Situation zum Anlass, um mit dem Filmpublikum die Widersprüche in der US-Außenpolitik sowie die irreführende Medienberichterstattung zu Kuba kritisch zu beleuchten. Anwesende bedankten sich beim Filmemacher dafür, ihnen eine ihnen unbekannte Sicht auf Kuba – diejenige der Kubanerinnen und Kubaner – näher gebracht zu haben. Als bekannt wurde, dass Jorgito sein Visum erhalten hatte, organisierte Women’s Press Collective innerhalb weniger Tage drei zusätzliche Veranstaltungen in New York. Die Nachricht von Jorgitos Kommen löste eine regelrechte Fanbewegung aus. Zahlreiche Personen, die den Film bereits gesehen hatten, besuchten die zusätzlichen Veranstaltungen mit Freunden und Bekannten. Jorgito, der wie ein Held empfangen wurde, betonte dem US-Publikum gegenüber, sein Land sei weiterhin an einer Normalisierung der Beziehungen interessiert, diese müsse jedoch auf Gegenseitigkeit beruhen. Eine Zuschauerin forderte, Krieles Film müsse den Verantwortlichen in Washington gezeigt werden.

Papst Franziskus, Willkommen in Kuba

Volles Haus im "Brookly Commons"
Foto: Lawrence Gallman



Menschen außerhalb der Kubasolidarität erreichen

Jorgito eroberte die Herzen und den Geist seines Publikums. Viele Anwesende zeigten sich bereit, die Verbreitung des Films in den USA zu unterstützen. So wollen Vertreter und Vertreterinnen von Schulen und Universitäten, Quartiervereinen, Jugendorganisationen, Behindertenorganisationen, Berufsverbänden im Gesundheitsbereich und Gewerkschaften künftig eigene Veranstaltungen durchführen, um den Film möglichst vielen Leuten außerhalb der Kubasolidarität zugänglich zu machen.



CUBA LIBRE Natalie Benelli

CUBA LIBRE 3-2016